„Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, mach Limonade draus“ – ein ziemlich häufig penetriertes Sprichwort, das ein wenig ausgeleiert daherkommt. Fast so wie ein zu häufig getragenes Paar Laufschuhe. Womit wir direkt schon beim Thema wären: Limone. Aber was hat das kleine Örtchen am Gardasee nun eigentlich mit Laufschuhen zu tun? Genau! Hier findet jährlich das große Finale der Skyrunning World Series statt, einer Art eigenen Liga für Trailrunner, die weltweit von der International Skyrunning Federation (IFS) ausgetragen wird.
Der renommierte Laufevent im Bereich Skyrace & Vertical Extreme beim Limone Extreme wird seit diesem Jahr von Dynafit gesponsert, einer Outdoormarke die sonst eher im Skibergsport-Segment aktiv ist und sich in Zukunft stärker dem Trendsport Trailrunning widmen will. Auf deren Einladung hin ist Veit vom aF-Team nach Italien gereist, um dort den „Einsteiger-Lauf“ über rund 10 Kilometer und knapp 900 Höhenmetern zu absolvieren. Warum die Zeit am Ende nur eine untergeordnete Rolle spielte und er sein bisheriges Denken über Trailrunner komplett über Bord werfen musste, erfahrt ihr in seinem Eventbericht.
Skyrunner Extreme oder doch nur blutjunger Anfänger?
Als ich in meinen VW Bus gestiegen bin, um damit über den Brenner zu rutschen, wusste ich noch nicht so wirklich, was mich am Gardasee tatsächlich erwarten würde. Allein die Begriffe Skyrunner und Vertical Extreme sowie eine bereits in Limone absolvierte Bergtour über die Steilwände der Lombardei ließen nichts gutes erahnen. Aber ganz von vorn. Trailrunner waren bis vor einem Jahr noch eine in meinen Augen ziemlich verhasste Spezies an Bergsportlern, die ohne Rast und Ruh auf die Gipfel stürzten und nicht auch nur eine Minute damit verschwendeten, ihre Umgebung auf sich wirken zu lassen. Schneller, höher, weiter – das passt einfach perfekt zur heutigen Zeit.
Irgendwann musste aber auch ich mir jedoch eingestehen, dass so manche meiner Bergfreunde ganz schön aus der Puste gerieten, wenn man gemeinsam unterwegs war und ich regelrecht zum Gipfel „hinaufstürmte“. So schnürte ich mir dann doch eines Tages meine ersten Trailrunning-Schuhe und probierte die verhasste Disziplin einfach einmal aus. Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt immer öfter schnellen Fußes in der Vertikalen unterwegs bin und mit dem Limone Extreme schlussendlich meinen ersten Wettbewerb absolvieren sollte.
Warum? Weil Trailrunning für mich der perfekte Ersatz fürs doch eher langweilige Joggen ist, das überraschenderweise mehr auf die Knochen und die Knie geht, als der Sprint in luftige Höhen. Ok, drei Mal hatte ich bis dato bereits einen Halbmarathon absolviert und dabei im Schnitt meine 1:35:00er Zeit ins Ziel gerettet. Auf gut 21 Kilometern in der Ebene ist das ganz ok – hab ich mir jedenfalls sagen lassen.
Doch wie schaut das ganze dann aus, wenn ich unterwegs auch noch 900 oder mehr Höhenmeter stemmen muss? In Limone stand mit dem offiziellen Skyrace eine Strecke von 27 Kilometern und 2.450 Höhenmetern auf der Agenda. Für mich als blutjunger Anfänger garantiert etwas way too much. Dann doch lieber auf die seichte Tour anstatt frustrierter Gipfelstürmer.
Warum eigentlich Limone, dem Kleinod am Gardasee, das eigentlich gar nicht da sein dürfte?
Limone ist ein kleines italienisches Örtchen am nördlichen Rand des Gardasees, das in dieser Form eigentlich gar nicht existieren dürfte. Denn früher war hier nichts als das „Steilufer“ der Lombardei. Erst durch das Aufschütten von Sand und Gestein, das am Westufer des bei den Deutschen so beliebten Urlaubsdomizils abgetragen wurde, gelang es, das raue Ostufer über die Jahrhunderte bewohnbar zu machen und zu kultivieren.
Bekannt ist Limone aber vor allem für seine zahleichen Zitronenbäume und Olivenhaine, deren Früchte in verschiedenster Form und abgefüllt in Gläsern in aller Welt verkauft werden. Bekannt ist Limone aber auch als Austragungsort für das große Finale der internationalen Trailrunning-Liga. Wenn man dann dort, wo man ja eigentlich nicht stehen können dürfte, plötzlich vor dieser sich vor einem erhebenden Wand nach oben blickt, mag man das alles irgendwie nicht so recht glauben.
Vor ein paar Jahren bin ich hier mit einem frisch verheilten Bruch des Sprunggelenks förmlich nach oben gekrochen und hab mich in der schwülen Luft des mediteranen Klimas eher wie ein Rentner gefühlt anstatt wie ein ambitionierter Gipfelstürmer. Ich wusste also was am Tag X auf mich zukommen würde. Dem Tag, an dem ich meinen ersten offiziellen Wettkampf im Bereich Trailrunning absolvieren würde. Und dann fiel der Startschuss. Mit dabei 103 weitere Teilnehmer, darunter auch Harald, der seine Erlebnisse als leidenschaftlicher Langstreckenläufer in seinem Blog „Auffi muas I„ niederschreibt.
Anfangs machten wir noch Scherze darüber, dass wir es besser langsam angehen sollten, aber spätestens nach den ersten Höhenmetern hatte mich das Trailrunning-Fieber gepackt. Jetzt bloß nicht „overpacen“ wie man so schön unter Profis sagt. Der Schweiß lief schon nach gut 15 Minuten in Strömen und die Herzfrequenz schnippste auf satte 190 bpm. Kann man beim Laufsport eigentlich wirklich Fieber bekommen? Und was würde passieren, wenn man unterwegs einfach abrupt stehen bleiben würde? Ich hab es dann doch lieber gar nicht erst ausprobiert.
Zeit ist nicht alles, aber alles ist Zeit und hauptsache man hat Spaß.
Bereits nach 0:53:33 war der Erste wieder im Ziel, ein italienischer Athlet von Salomon. War ja klar. in jenem Moment hatte ich mehr oder weniger gerade erst einmal die Hälfte hinter mich gebracht und war mir die Zeit eigentlich weitestgehend egal gewesen. Aber wie es nun einmal bei einem Wettbewerb so ist, kitzelten die vor mir laufenden Trailrunner meine Instinkte und schwups war es um mich geschehen.
Downhill gilt ja sowieso als meine Paradedisziplin, also nahm ich meine Beine in die Hand und ließ es auf dem Weg zurück ins Tal so richtig krachen, auch in den Knien. Denn war der Aufstieg noch ein schweißtreibender Genuss und die unterwegs zurückgelegten Trails mit Blick auf den Gardasee der reinste Augenschmaus, fühlte sich der Sturzflug nach Limone dann eher nach „Pain in the ass“ an. Wo es steil hinauf geht, geht es auch steil wieder hinunter – das hatte ich doch glatt vergessen. Egal, gib ihm.
Aber zumindest wurde mir bereitwillig Platz gemacht. Freie Fahrt für freie Läufer oder so. Am Ende konnte ich ganze sieben Plätze gut machen und jene Läufer einholen, die auf dem Weg ach oben noch lachend und mit Handy in der Hand ganz entspannt ratschen konnten. Was mich aber noch mehr überraschte, dass man sich untereinander ohne Mucken passieren lässt. Keine Spur von Übereifer oder falschem Ehrgeiz. Was zählt ist allein der Spaß am Laufen, der Flow, die Strecke. Selbst im Ziel halfen sich die Läufer gegenseitig dabei, wieder auf die Beine zu kommen. Nichts da von purem Scheuklappenverhalten und jeder Menge Eitelkeiten.
Am Ende hatte ich dadurch prompt vergessen auf die Uhr zu schauen, weil das gesamte Drumherum und die herrliche atmosphäre irgendwie viel interessanter waren. Ein rundum gelungener, sympathischer und entspannter Event – so ganz ohne Stress, Druck und sonstigen Star-Allüren. Eindrücke, die sich problemlos auch auf die beiden offiziellen Läufe in Limone übertragen lassen dürften, auch wenn ich diesmal (noch) nicht mitgelaufen bin.
Aber ich werde wiederkommen. Nächstes Jahr. Ganz bestimmt. Ach ja, fast hätte ich es vergessen. Meine Zeit: 1:16:41. Das ist gut 23 Minuten langsamer als der Schnellste, dafür aber immerhin Platz 35 oder der viertbeste Teilnehmer aus Deutschland. Damit ist das Ergebnis eher eine Frage der Perspektive. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Ich hatte unendlich viel Spaß.