Eventbericht – Großglockner ULTRA TRAIL 2018: Hart, härter, GGUT – gemeinsam leiden auf 110k & 6.500 Hm in der Staffel

von | 17. August 2018 | Eventberichte, Events

Der Großglockner Ultra Trail gilt mit seinen insgesamt 110 Kilometern und rund 6.500 Höhenmetern zu den wohl härtesten Trailrunning-Events in den Ostalpen. Bereits zum vierten Mal haben sich Bergläufer aus den verschiedensten Ländern auf den Weg gemacht, um die technisch anspruchsvolle und landschaftlich wundervoll eingebettete Strecke zu meistern – von Kaprun über Kals in Osttirol und wieder retour. Sage und schreibe 344 Teilnehmer waren angetreten, um sich einem regelrechten Martyrium auszusetzen. Weniger als die Hälfte davon sollte das Ziel überhaupt erreichen.

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Das aF-Team beim SilvrettaRun3000 (© airFreshing.com)

Hinzu kamen 74 Starter, die wie wir die komplette Distanz als Staffel absolvierten. Auch hier sollten drei von 37 Teams nicht bis zum Ende durchhalten. Denn jeder Normalsterbliche stößt bei solch einer Distanz an die eigenen Grenzen – sei es nun psychisch oder körperlich. Wie es sich anfühlt, über eben jene Grenzen hinauszugehen und den inneren Schweinehund trotz Schmerzen, Erschöpfung und größter Sommerhitze erfolgreich zu überwinden, haben wir in unserem Erfahrungsbericht für euch zusammengefasst.

Prolog: 110k – ja sind wir denn bekloppt? Irgendwie schon, aber wenn dann nur in der Staffel.

Bereits im Sommer 2017 reifte nach einer ersten Teilnahme am GGUT die Idee, im kommenden Jahr die 110er-Strecke gemeinsam als Staffel zu meistern. Schließlich entpuppte sich die 50k-Strecke mit ihren knapp 2.000 Höhenmetern von Kals in Osttirol nach Kaprun schon als recht vielversprechend. Was sollte also dagegen sprechen, die Ultradistanz anzugehen, bei der Veit den ersten Teil mit knapp 60k und 4.500 Höhenmetern in Angriff nehmen und Vroni dann von Kals aus die bereits bekannte Strecke absolvieren würde. Gesagt, getan, angemeldet.

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Streckenprofil des GGUT 110k (© GGUT)

Erst zwei Wochen vor dem eigentlichen Starttermin kamen dann allmählich Zweifel auf. Einerseits, weil es bei mir selbst sprichwörtlich nicht zu 100% rund lief und Vroni aufgrund ihrer Trekkingreise nach Peru kaum zum Lauftraining kommen sollte. Aber kneifen ist nicht. Also standen wir am Freitag, den 27. Juli um 22 Uhr an der Startlinie und hatten im Grunde genommen keine Ahnung, was wir uns da eigentlich eingebrockt hatten.

Wenn 60k und 4.500 Höhenmeter zur echten Zerreißprobe werden – Veits Erfahrungsbericht:

Zugegeben, ich bin nicht gerade der geborene Trailrunner. Denn mit meinen rund 75kg auf eine Körpergröße von 1,75 m und einem doch recht athletischen Körperbau besitze ich einfach nicht die idealen Voraussetzungen, um lange Distanzen zurückzulegen. Der Wille mag da stimmen, aber spätestens ab Kilometer 30 machen sich diverse Defizite bemerkbar – sei es das Knie sticht, der Oberschenkelmuskel macht zu oder die Achillessehne muckt bei jedem Schritt. Grund genug, meinen Streckenabschnitt in der Staffel mit gebührendem Respekt anzugehen.

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Veit kurz vorm Start des SilvrettaRun3000 (© airFreshing.com)

Blöd nur, dass ich mich seit Wochen vor dem GGUT 2018 mit Schmerzen in der linken Fußsohle herumplage, die vermutlich auf eine Überbelastung zurückzuführen sind. Schließlich habe ich vor einem Jahr erst so richtig mit dem Berglauf angefangen. Seitdem habe ich bei diversen Events mitgemacht – vom SilvrettaRun3000 über die Walser Trail Challenge und den Ultraks Zermatt bis hin zum Stubai Ultra Trail. Zu viele in so kurzer Zeit, wie manche meiner Laufkollegen meinten. Doch es half alles nichts, der Termin stand und ich wollte unbedingt starten.

Leuchtende Nachtschwärmer und ein knallroter Blutmond

So stand ich also an jenem Abend in Kaprun mit unzähligen anderen Verrückten an der Startlinie. Den Trailpack mitsamt der Pflichtausrüstung geschultert, den Tracker gut verstaut und die Stirnlampe am Kopf festgezurrt. Zuvor hatte es noch ein klärendes Gewitter gegeben, ich ein wenig geschlafen und für die Nacht waren beste Bedingungen vorhergesagt worden. Doch als dann im Dunkeln allesamt langsam und ohne musikalisches Tamtam im Flüsterton die letzten 10 Sekunden herunterzählten, war mir eher nach weglaufen statt nach laufen lassen zumute – Gänsehaut inklusive.

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Komplette Pflichtausrüstung für den GGUT 110k (© airFreshing.com)

Dann ging es los. Widererwarten kam ich von Anfang an richtig gut in die Gänge und eine gewisse Entspanntheit machte sich in mir breit. Geil, keine Schmerzen. Keinerlei Sorgen, wegen meiner Fußsohle. Vielleicht klappt es ja doch mit einer halbwegs guten Zeit und ich kann Vroni in knapp 10 Stunden den Staffelstab überreichen. So spulte ich gemütlich die ersten 30 Kilometer bis nach Fusch herunter und nahm von dort aus die ersten große Hürde in Angriff – die Pfandlscharte. Und das alles unter ständiger Begleitung des beeindruckenden Blutmonds, der hoch über den Kalser Tauern für ein Naturschauspiel der Sonderklasse sorgte.

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Lichterkette kurz oberhalb von Ferleiten (© airFreshing.com)

Während es zuvor relativ sanft bergauf und bergab ging, forderten die nun folgenden Kilometer und das erste große Schneefeld ordentlich Tribut. Das Sprichwort: „Ich hab schon Pferde kotzen sehen“ erwischte hier so manche Läufer, die sich ein ums andere Mal plötzlich zur Seite drehten und sich aufgrund der großen Anstrengung mehrfach übergeben mussten. In solchen Momenten fragt man sich dann schon, wieso sich die leute sowas überhaupt antun. Auch die Höhe machte sich überraschend heftig bemerkbar und zog kräftig an den Energiereserven. Oben angekommen, dämmerte bereits das Morgengrauen und sollte nun eigentlich meine Paradedisziplin folgen.

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Glocknerhaus im Morgengrauen (© airFreshing.com)

Doch aus dem entspannten Abflug über technisches Terrain wurde leider nichts und es folgte eher ein Grauen als ein schöner Morgen. Denn auf dem Weg hinunter zum Glocknerhaus verspürte ich nach nur wenigen Höhenmetern ein eigenartiges Stechen im rechten Knie, als hätte ich mir den Meniskus eingerissen. So wurde der Downhill zur reinsten Tortur und jeder Schritt zur schmerzvollen Erinnerung daran, dass ich die Rechnung nicht mit meinem eigenen Körper gemacht hatte.

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Der Gipfel des Großglockner links im Hintergrund (© airFreshing.com)

Viel schlimmer als die Schmerzen im Knie war jedoch dieses unglaublich ernüchternde Gefühl, von zuvor locker überholten Teilnehmern wieder eingeholt zu werden. Allein auf diesem Teilstück verlor ich binnen kürzester Zeit eine gute Stunde. So hieß es denn, Zähne zusammenbeißen und weitermachen. Optimal sieht allerdings anders aus.

Trost und Beistand per Whatsapp-Nachrichten – irgendwann zählt nur noch ankommen!

Doch selbst langsames Gehen wurde mit jedem hinzu gewonnenen Kilometer unangenehmer. Sogar im Aufstieg machte sich jeder Schritt im Hirn und noch mehr im Knie bemerkbar. Zur körperlichen Erschöpfung kam nun allmählich auch Resignation hinzu. Vroni war bereits von Kaprun aus in Richtung Kals gestartet und ich hatte nach 10 Stunden noch nicht einmal den höchsten Punkt meiner zu absolvierenden Strecke erreicht.

Selbst der eigenen Freundin habe ich von unterwegs aus verheulte Whatsapp-Nachrichten gesendet, weil ich mir Trost und Beistand von ihr erhoffte. Als ich dann endlich auf der Pfortscharte ankam und in Richtung Lucknerhütte blicken konnte, stand ich kurz davor, einfach alles hinzuschmeißen und auf meinen Körper zu hören. Denn der kurze „Stich“ von dort aus hinunter zum letzten Verpflegungspunkt sollte mir und meinem Knie den Rest geben. Und noch immer lagen 10 Kilometer vor mir.

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Checkpoint Stockerscharte (© airFreshing.com)

10 Kilometer wunderbarster Trails, die ich humpelnd und teils heulend zurücklegte. Von Flow konnte definitiv keine Rede sein. Jetzt gab es nur noch ein Ziel: Ankommen! Vroni wartete derweil bereits seit fast 5 Stunden in Kals auf mich. Unter Tränen redete ich auf sie am Telefon ein, dass ich so unsagbar enttäuscht sei und dass es mir leid tut, dass sie nun wegen mir bei brütender Hitze starten müsse. In solchen Momenten fragt man sich mehr als nur einmal, warum man nicht einfach aufgeben kann und sich solch einem Martyrium weiter freiwillig aussetzt?! Aber es hilft nichts, man hat sich ein Ziel gesetzt und will es trotz größter Opfer erreichen. Klingt bescheuert? Ist es auch!

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Höchster Punkt – die Pfortscharte mit 2.828m (© airFreshing.com)

Die letzten Meter, welche die Streckenplaner netterweise noch einmal auf einen Trail hoch oberhalb von Kals gelenkt hatten, waren mit Abstand das Kräftezehrendste was ich bisher sportlich erlebt habe. Der Körper am Ende, der Geist schwach und die Sinne so schwammig wie bei einem Besoffenen schleppte ich mich nach knapp 14 Stunden völlig entkräftet ins Ziel, wo mich Vroni in die Arme schloss und tröstete.

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Trails in Richtung Kals am Großglockner (© airFreshing.com)

Selbst zum (Glücks)Tränen vergießen war ich mittlerweile zu erschöpft. Nun galt es für sie, meine Ehre mitsamt Tracker und Startnummer entgegenzunehmen, um sie auf den noch verbleibenden 50 Kilometern in eigentliche Ziel zu retten. Gib alles und mach es besser als ich!

50k und 2.000 Höhenmeter mal eben so einfach weg geknippst – Vronis Erfahrungsbericht:

Samstagmorgen, 5.20 Uhr. Der Wecker klingelt. Ein wenig gerädert quäle ich mich aus dem Bett und springe noch mal kurz unter die Dusche. Hinter mir liegt eine recht durchwachsene Nacht. Um 22.00 Uhr habe ich Veit und die anderen Läufer in Kaprun in die Nacht verabschiedet. Erholsamen Schlaf habe ich danach aber leider keinen gefunden. Zu heiß die Temperaturen und zu unruhig mein Gemüt. Ich bin nervös. Noch nie bin ich eine so lange Strecke gelaufen.

33 Kilometer sind das Maximum, das ich bisher auf meinem Laufkonto verbuchen durfte. Ich hasse es, bei heißen Temperaturen zu laufen und für heute sind wieder weit über 30 Grad angesagt. Hinzu kommt meine mehr als nur dürftige Vorbereitung.

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Vroni im Ziel des Ultraks Zermatt (© airFreshing.com)

Oder nennen wir das Kind beim Namen: meine miserable Vorbereitung. Irgendwie hatte ich dieses Jahr keine rechte Lust zu laufen. Zwar habe ich brav drei- bis viermal pro Woche meine 10 km Runde im Münchner Westpark oder am Starnberger See gedreht. Ich war im Winter regelmäßig auf ausgedehnten Skitouren und im Frühling viel beim Bergsteigen und Wandern oder mit dem MTB unterwegs.

Aber Fakt ist: Seit August letzten Jahres habe ich kein einziges Mal mehr als meine berühmten 10 Kilometer absolviert – von einem Berglauf mit ein paar hundert Höhenmetern ganz zu schweigen. Die vier Wochen vor dem GGUT war ich obendrein im Urlaub in Peru. Höhentraining par excellence mit dem Huayhuash Trek und der Besteigung des 5.780 m hohen Nevado Pisco. Aber eben kein einziges Mal Laufen auf der Langstrecke.

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Streckenprofil des GGUT 50k (© GGUT)

Nachdem mir von allen Seiten immer wieder gesagt wurde, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte, mich quasi untrainiert den 50k zu stellen, war meine Nacht geprägt von Zweifeln und Versagensängsten. Im Vergleich zu Veits Strecke ist meine Distanz ja eigentlich ein Kinderspiel. Wenn er sich durch die Nacht quält und ich es dann verbocke und aufgeben muss – wie sch*** wäre das denn?! Aber jetzt gibt es eh kein Zurück mehr. Dann muss es eben die mentale Stärke retten. Also packe ich meine Sachen und starte wie geplant um 6 Uhr in Richtung Kals. Als ich die Tür des Hotels hinter mir zuziehe, ist mir aber bereits irgendwie klar: Ich schaffe das heute. Egal wie lange es auch dauern mag.

Warten, warten, warten…und nochmal warten

Um 7.30 parke ich das Auto auf dem Parkplatz vor der Versorgungsstation in Kals. Wir haben uns ausgerechnet, dass Veit etwa zwischen 8 und 9 Uhr dort ankommen könnte. Er ist ein starker Läufer, sehr gut vorbereitet und hat letztes Jahr die 50 Kilometer hier beim GGUT in knapp unter 8 Stunden absolviert. 10 bis 11 Stunden für den ersten Teil der Staffel erschienen uns daher durchaus realistisch.

Als ich in Kaprun das letzte Mal auf den Live-Tracker geschaut habe, sah es auch noch recht vielversprechend aus. Doch mittlerweile ist das anders. 09:50 Uhr ist nun die voraussichtliche Ankunftszeit. Ich wundere mich ein wenig, schiebe es aber zunächst auf den Tracker. Wird schon alles passen und sicher ist Veit bald da. Doch wie sich in Kürze herausstellen wird, sollte ich mich gewaltig irren.

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Blick von der Pfortscharte zur Lucknerhütte (© airFreshing.com)

Die nächsten Stunden werden für mich zu einer echten mentalen Zerreißprobe. Ein Läufer nach dem anderen kommt zum Staffelwechsel und auch die Teilnehmer der 110er Distanz trudeln nach und nach ein. Ich schaue ständig auf den Live-Tracker, doch die voraussichtliche Ankunftszeit verschiebt sich immer weiter nach hinten. Ich telefoniere mit Veit und erfahre, dass es ihm leider ziemlich schlecht geht. Auch die darauf folgenden Sprachnachrichten und Kurzvideos lassen nichts Gutes verheissen.

Wir kennen uns mittlerweile seit fast sieben Jahren, aber ich habe ihn noch nie so körperlich leiden gesehen und ich mache mir ernsthafte Sorgen. Ich versuche ihm Mut zu machen, aber sage ihm gleichzeitig auch, dass es für mich vollkommen ok ist, wenn er das Rennen vorzeitig beendet. Aber mir ist klar, dass das für ihn keine Option ist und er sich irgendwie durchbeißen wird.

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Vroni in der Daberklamm in Richtung Kalser Tauernhaus (© Sportograf)

Während Veit kämpft, versuche ich irgendwie die Zeit totzuschlagen. Ich gehe spazieren, telefoniere mit meinem Freund und quatsche mit den anderen Läufern und den Organisatoren vor Ort. Dazwischen immer wieder der Blick auf den Live-Tracker. Das Warten schlägt mir aufs Gemüt, zumal mir langsam bewusst wird, dass ich wohl mitten in der Mittagshitze starten muss. Um 8 Uhr war ich voller Energie und regelrecht „on fire“.

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Oberhalb der Kapruner Hochgebirgsstauseen (© airFreshing.com)

Doch je länger ich warte, desto mehr schwindet diese positive Anspannung. Langsam kriege ich außerdem Hunger. Um 6 Uhr habe ich eine Banane und eine halbe Laugenstange gegessen. Aber da ich leider sehr zu Magenproblemen neige und kurz vor dem Loslaufen nichts mehr essen sollte, bleibe ich lieber hungrig. Um 12 Uhr ist es dann endlich soweit. Ich stelle mich an den Wechselpunkt und feuere Veit auf seinen letzten Metern an. Vollkommen erledigt schleppt er sich ins Ziel. Dann überreicht er mir Startnummer und Tracker. Endlich kann es für mich losgehen…

Wenn’s läuft, dann läuft’s.

Die ersten 3,5 Stunden bis zum Versorgungsposten am Berghotel Rudolfshütte laufe ich gemütlich vor mich hin und die Zeit vergeht wie im Fluge. Ich genieße die schattigen Waldpassagen und die herrlich frische Daberklamm auf den ersten 10 Kilometern, Ich überhole einige Läufer der 110er Distanz und habe das Gefühl, ein gutes Tempo für mich gefunden zu haben. Die geraden Strecken laufe ich, bergauf geht es locker flockig mit einem leicht hüpfenden schnellen Schritt. Die Strecke ist wunderschön und die Blumen am Wegesrand machen mir richtig gute Laune.

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Kapruner Stauseen (© airFreshing.com)

Als ich an der Rudolfshütte ankomme kann ich es kaum glauben, dass ich schon fast 20 Kilometer hinter mir habe. Ich mache eine Pause, unterhalte mich mit den netten Helfern, die mir alles mögliche anbieten wollen, belasse es aber bei zwei Stückchen Schokolade und einer Cola. Bislang hat mein Magen im Gegensatz zu sonst keinerlei Mucken gemacht und ich möchte nichts riskieren.

Ich schreibe kurz ein paar Whatsapp-Nachrichten und lache über die Videos, die mir zur Aufmunterung geschickt werden. Auch wenn ich noch nicht einmal ganz die Hälfte hinter mir habe, bin ich mir schon jetzt absolut sicher: Das Ding bring ich heute definitiv nach Hause. Auch wenn es dauern wird…

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Vroni an den Kapruner Hochgebirgsstauseen (© Sportograf)

Die nächsten 10 Kilometer beschließe ich nur zu gehen. Mir geht es prima und ich habe keinerlei Wehwehchen. Aber dennoch möchte ich lieber nichts riskieren und mich ein bisschen schonen. Schließlich haben mich alle vor dem Downhill auf den letzten 20 Kilometern gewarnt und ich möchte nicht, dass meine Oberschenkel am Ende der Belastung nicht mehr standhalten. Dementsprechend langsam setzte ich meinen „Lauf“ fort. Das Terrain wird jetzt deutlich anspruchsvoller und auch das Wetter verschlechtert sich zunehmend.

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Schneefeld direkt unterhalb vom Kapruner Törl (© airFreshing.com)

Am höchsten Punkt des Rennens – dem Kapruner Törl – lauern düstere Gewitterwolken und die ersten dicken Tropfen fallen vom Himmel. Ich beeile mich und versuche die Scharte schnell hinter mir zu lassen. Nachdem ich die abgelaufenen Altschneefelder passiert habe, geht es weiter in Richtung Stausee. Dieser Teil der Strecke zieht sich ziemlich und der nun einsetzende Regen und die nahende Gewitterfront machen es nicht unbedingt angenehmer.

Auf den letzten Metern bis zum Versorgungsposten am Ende des Stausees erwischt mich der Starkregen dann komplett und tropfnass suche ich Unterschlupf im Zelt. Aber irgendwie macht mir der Regen auch gute Laune. Wenn man einmal richtig nass ist, dann ist es eigentlich gar nicht mehr so schlimm und obendrein gefällt mir das beruhigende Geräusch von patschenden Laufschuhen auf nassem Teer.

Zurück nach Kaprun – durch Regen und Dunkelheit.

Nach einer kurzen Pause und einer kleinen Stärkung mit heißem Tee, Salzstangen und Schokolade trete ich die letzten 20 Kilometer an. Schon komisch. Noch vor zwei Jahren war solch eine Distanz eine unglaublich lange Strecke für mich. Aber irgendwie haben sich die Maßstäbe mittlerweile verschoben und heute fühlt es sich vor allem angesichts der insgesamt 50 Kilometer eher nach „Auslaufen“ an. Und man muss fairerweise sagen, dass es ab jetzt nur noch bergab bzw. geradeaus geht.

Tropfnass und mit ordentlich Wasser in den Schuhen bahne ich mir meinen Weg zurück nach Kaprun. Mittlerweile wird es dunkel und gerade in den Waldpassagen braucht es auch schon jetzt, kurz nach 20 Uhr eine Stirnlampe. Aber irgendwie gibt mir die Dunkelheit nochmal ordentlich Auftrieb. Auf den letzten Kilometern erleb ich dann etwas, was ich mittlerweile für einen Mythos gehalten habe und in den 20 Jahren seitdem ich regelmäßig laufe, nicht ein erinziges Mal erleben durfte: Ich befinde mich in einem richtigen Flow und meine Beine laufen quasi wie von allein.

Mein Körper schüttet so viele Glückshormone aus, dass mir immer wieder die Tränen in die Augen steigen. Ich habe richtig Spaß auf den wurzeligen und teilweise recht rutschigen Downhills. Ich überhole noch einige andere Läufer der 110er Staffel und mache am letzten Trinkwasserposten nur kurz Halt. Schließlich läuft es gerade richtig gut und ich habe ordentlich Hunger, nachdem ich den ganzen Tag fast nichts gegessen habe aus Angst, dass mein Magen wieder rebelliert.

 

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aF-Team beim Zieleinlauf in Kaprun (© Sportograf)

Umso mehr freue ich mich schon seit einer ganzen Weile auf die Nudeln, die mich im Ziel erwarten. Für die letzten 20 Kilometer und gut 1200 Höhenmeter bergab brauche ich etwas über zwei Stunden. Ein durchaus anständiges Tempo für mich als gemächlichen Läufer. Als ich kurz nach 22 Uhr die letzten Meter durch das nahezu menschenleere Kaprun laufe, kann ich es kaum glauben, dass ich es gleich geschafft habe und ich dabei weder müde noch erschöpft bin.

Auf den finalen 300 Metern begleitet mich dann noch ein radfahrender Urlauber aus dem Ruhrpott. Ich versuche noch geduldig und nach Luft schnappend auf seine Fragen zu antworten, wie lange ich denn schon unterwegs sei und was wir hier eigentlich alle machen, aber irgendwann reicht es mir dann auch. Ein guter Grund, das Tempo nochmals ein wenig anzuziehen. 30 Meter vor der dem Ziel sehe ich dann Veit am Rand des Zieleinlaufs sitzen. Sofort springt er auf – sofern man es so bezeichnen kann – als er mich kommen sieht. Nach insgesamt 24 Stunden und 17 Minuten laufen wir Beiden dann gemeinsam über die Ziellinie und fallen uns überglücklich in die Arme.

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Überglückliche Finisher (© Sportograf)

Einfach krass, dass wir es wirklich geschafft haben. Dass wir schlussendlich „nur“ den 31. Platz belegt haben, interessiert uns tatsächlich nicht die Bohne. Geschafft ist geschafft – und nur das zählt! Dann wenigstens einen Teller Spaghetti…oder nein. Leider doch nicht. Denn Essen gab es bedauerlicherweise keines mehr für die Spätankömmlinge – dafür aber einen umso besseren Aperol Spritz unterm Regenschirm. 

Unser Gesamtfazit: Einmal GGUT ist gut genug oder gibt’s ein Wiedersehen!?

Eines steht fest: So schnell werden wir vermutlich keinen Ultratrail laufen. Man muss sich ja nicht unbedingt mit Ansage kaputt machen. Denn was bis zu einer Länge von 50 Kilometern wirklich Spaß macht, wird spätestens mit jedem weiteren Meter zur reinsten Tortur. Trotz aller Strapazen bleiben jedoch vor allem die schönen Erinnerungen im Gedächtnis.

Das fängt bei den wirklich genialen Trails in einer absolut traumhaften Berglandschaft an, geht bei der Top-Organisation mitsamt freundlichen Helfen und bester Versorgung weiter und hört bei der Stimmung vor Ort noch längst nicht auf. So wird definitiv für jeden etwas geboten – sei es für Einsteiger oder versierte Laufsportler. Eine Teilnahme lohnt sich also in vielerlei Hinsicht.

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Veit beim GGUT 50k im Jahr 2017 (© Sportograf)

Und das sagen wir jetzt nicht, weil wir dankenswerter Weise seitens der Organisatoren den Startplatz zur Verfügung gestellt bekommen haben, sondern weil wir in den letzten zwei Jahren an zahlreichen Veranstaltungen im Trailrunning-Bereich teilgenommen haben und inzwischen recht gut einschätzen können, wenn Anspruch und Wirklichkeit gemeinsame Wege gehen. Einzig die Versorgung der spät nachts ankommenden Läufer sollte in Zukunft sichergestellt sein. Denn so mancher freut sich bei seiner Ankunft über eine warme Mahlzeit im Magen.

Ansonsten sind wir der Meinung, dass die Staffel in Zukunft anders organisiert werden sollte. Damit der zweite Läufer nicht unendlich warten muss, wäre ein Start gemeinsam mit den Teilnehmern der 50k-Distanz durchaus sinnvoll. Und sollte der erste Läufer doch aufgeben, kann Nummer 2 notfalls auch als Einzelläufer gewertet werden.