Mit den Worten „In Füssen haben wir kein schlechtes Wetter, nur Wetter mit Charakter“ versuchte Stefan Fredlmeier dem verregneten Grau etwas Positives abzugewinnen. Kurz vor dem Start der 24 Stunden von Bayern 2013 hatte der Tourismusdirektor und Organisator den Blick gen Himmel richtete. Denn im Gegensatz zur „Hitzehölle“ im Vorjahr, schüttete es diesmal in Strömen und „ein wirklich schöner Landregen“ zog über das kleine Städtchen im Allgäu hinweg. Aber die 444 Teilnehmer ließen sich die gute Laune nicht vermiesen und stimmten in den Reigen der weisen Sprüche mit ein.
Wenn der Wettergott in Füssen mitwandert.
Rund 60 Kilometer galt es, am längsten Tag des Jahres zu bezwingen. Neben der obligatorischen Tages- (ca. 26km) sowie Nachtrunde (ca.29km) standen auch dieses Mal wieder eine Fitness- (ca. 16km) und eine Vitalrunde (ca. 16km) zusätzlich auf dem Programm. Zusammengestellt wurde es in monatelanger Planung von einem vielköpfigem Team, das unentwegt mit den Wetterkapriolen des Frühjahrs zu kämpfen hatte.
So war denn auch bis wenige Tage vor dem Wanderevent noch nicht klar, ob das erste Teilstück überhaupt zu bewältigen sei. Schnee und anhaltender, sinnflutartiger Regen hatten die Wege förmlich unpassierbar gemacht. Zum Glück hatte der Wettergott am Ende dann doch noch ein Einsehen.
Leider gibt es heute kein Gipfelfoto für euch
So fiel trotz Nebel und leichtem Regen am Samstag, den 22. Juni, um 8 Uhr in der Früh der Startschuss zum fünften Wanderevent der Superlative. Sogar Weitwanderlegende Thorsten Heuer mischte sich unter die Teilnehmer, der einen Teil der Strecke bereits ein paar Tage vorher beim großen „Anwandern“ begutachten durfte – bei Regen und Sturm versteht sich. Schon da war klar, dass vor allem der Aufstieg mit rund 900 Höhenmetern hinauf zum Gipfel des Tegelbergs (1.881m) einige Wanderfreunde „das erste Mal beißen“ dürfte.
Davon war auch Thomas Hafenmair, Leiter des Bergsportzentrums Tegelberg, überzeugt. Und er sollte Recht behalten. Bei schwülwarmen Temperaturen stellte der knackige Anstieg die Menschenkette das erste Mal auf die Probe. Wer noch genügend Kraft besaß, pflanzte unterwegs schnell noch einen Baumsetzling und schrieb sich oben angekommen in ein überdimensionales Gipfelbuch ein. Besser so, denn ein Beweisfoto wäre aufgrund des Nebels ohnehin nicht drin gewesen.
Schloss Neuschwanstein als märchenhaftes Kontrastprogramm
Beeindruckender gestaltete sich hingegen der Weg durch die wilde Pöllatschlucht, um an der Marienbrücke vorbei schließlich zum Schloss Neuschwanstein zu gelangen. Wer auf der Suche nach einem Kontrastprogramm zur idyllischen Landschaft des Allgäus ist, sollte sich in die Massen von Touristen einreihen und ein Ticket ziehen. Denn nur mit vorheriger Terminvergabe ist die Besichtigung des märchenhaften Schlosses überhaupt möglich.
Wer leer ausgeht, der bekommt auf dem Weg entlang des Kalvarienbergs ohnehin mehr geboten. Er verläuft oberhalb von Füssen am tosenden Lechfall vorbei zurück zur Altstadt und bietet mit dem neuen Baumkronenweg ein wirklich sehenswertes Highlight. Nimmermüde Wanderer konnten unterwegs noch in die Vital- bzw. Fitnessrunde durch das Faulenbacher Tal einsteigen, um sich schließlich auf dem Füssener Schrannenplatz die platt gelaufenen Füße zu reiben.
Erlebnisprogramm für nimmermüde Nachtgeister
Den wohl schönsten Teil des diesjährigen Streckenverlaufs hielt die Nachtrunde bereit, die allen Teilnehmern einen „Logenplatz für die ganz große Aussicht“ bereithalten sollte. Sie begann mit einer Schifffahrt über den Forggensee. Eine Premiere bei den 24 Stunden von Bayern – und eine gelungene dazu.
Anschließend ging es auf den Spuren römischer Legionäre über die „Via Claudia Augusta“ immer der untergehenden Sonne entgegen. Eingerahmt vom sagenhaften Allgäuer Alpenpanorama, dem taghellen Licht des Vollmonds und leuchtenden Mittsommernachtsfeuern auf den Anhöhen rund um den See. Dieses Schauspiel war mitunter einer der Gründe, wieso die Gespräche der Teilnehmer immer wortkarger wurden.
Oder vielleicht doch die einsetzende Müdigkeit? Die Gipfel des Senkelewaldes pressten so manchem noch die letzten Kraftreserven aus den Beinen, die auf der Alpe Beichelstein mit einer stärkenden Mitternachtssuppe wieder aufgefüllt werden konnten.
Doch allein das Rahmenprogramm mitsamt der zahlreichen Stationen am Wegesrand sorgte dafür, dass garantiert niemand unterwegs einschlafen konnte – angefangen beim mystischen Pestfriedhof, über die leuchtenden Wiesen des Koppenkreuzes bis hin zu den Verpflegungsstationen rund um den Hopfensee.
Ungleicher Wettkampf auf dem Weg zum Ziel
Noch vor Sonnenaufgang, gegen 2:30Uhr in der Früh, sollen die ersten das Ziel erreicht haben. Sie lieferten sich ein ungleiches Rennen unter Trailrunnern und Wanderern – natürlich inklusive Fitness- und Vitalrunde. Wenn auch etwas später, so brachte jedoch auch der Großteil der gestarteten 444 Teilnehmer die 60 Kilometer lange Hauptroute erfolgreich hinter sich.
Zumindest ist nicht überliefert, dass Jemand der letzten Herausforderung hinauf zum berüchtigten „Galgenbichl“ nicht mehr standhalten konnte. Allerdings galt es ja auch nicht, die schnellste Zeit zu erreichen, sondern die Region Füssen mit all seinen Sehenswürdigkeiten und schönen Ecken zu entdecken – ohne dabei die eigenen Grenzen aus den Augen zu verlieren.