Events – Patagonia Worn Wear Tour: Better than new – denn jeder Flicken erzählt eine Geschichte

von | 18. April 2016 | Allgemein, Events, News (Winter), Outdoornews

Er tourte schon drei Wochen durch den kalten kanadischen Winter, hat bereits nahezu jedes Gipfelkreuz der Münchner Hausberge erblickt und durfte auf keinem der zahlreichen Klettertrips durch Italien, Österreich oder Osteuropa fehlen: Seit mittlerweile sieben Jahren begleitet der dunkelgraue Patagonia Down Hoodie unseren Redakteur Mitch bei seinen kleinen und großen Frischluftabenteuern. Die erste richtige Outdoorjacke, die er sich selbst gekauft hat. Aber nicht nur deshalb hat der Sweater eine besondere Bedeutung für den leidenschaftlichen Klettersportler. Sondern vor allem wegen der vielen gemeinsamen Erfahrungen und einzigartigen Momente draußen in der Natur, am Gipfel, in Schnee und Eis oder am Fels, welche die Beiden gemeinsam erlebt haben. Natürlich hat die Daunenjacke mit der Zeit etwas gelitten. Ein Riss hier, ein Loch da – die Zeichen der Zeit aber auch Lagerfeuer und so mancher Sturz haben ihre Spuren hinterlassen. Doch das gute Stück deshalb gleich ausrangieren oder gar wegwerfen? Kommt nicht in Frage: Nach dem ein oder anderen eher dilettantischen Versuch, die Jacke selbst auszubessern, dürfen endlich die Profis ans Werk. Denn die Patagonia Worn Wear Tourkommt nach Europa und wir waren beim Auftakttermin in München mit von der Partie.

Worn Wear Tour – Patagonia repariert Bekleidung kostenfrei

Vor gut drei Jahren hat Patagonia sein „Worn Wear Programm“ in den USA erfolgreich gestartet. Im April und Mai kommen die umgebauten Trucks nun erstmals auch nach Europa. Insgesamt 50 Stationen in fünf Ländern stehen auf dem Programm. Gut 8.000 Kilometer werden in dieser Zeit zurückgelegt – selbstverständlich so ökologisch wie nur möglich dank Erdgas. Mit an Bord: Nähmaschinen, unzählige Flicken, bunte Stoffe, jede Menge Fäden und natürlich Knöpfe, Kordelstopper und Reißverschlüsse. Die Botschaft ist klar: Reparieren statt wegwerfen. Dabei geht es aber keineswegs nur um die Produkte von Patagonia. Auch Bekleidungsstücke oder Rücksäcke anderer Hersteller können mitgebracht werden, um sie vor Ort von den erfahrenen Experten ausbessern zu lassen. Obendrein gibt es zahlreiche Tipps und Tricks, wie man kleinere Reparaturen auch selbst übernehmen kann, beispielsweise mithilfe von selbstklebenden Flicken.

Eine Schneiderin repariert den Patagonia Down Hoodie von unserme Redakteur Mitch (© airFreshing.com)

Eine Schneiderin repariert den Patagonia Down Hoodie von unserem Redakteur Mitch (© airFreshing.com)


In den USA hat sich das Format bereits etabliert. Durchschnittlich werden an einem Termin bis zu 40 Kleidungsstücke repariert. Eine durchaus beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass es locker eine Stunde dauern kann bis ein Reißverschluss gewechselt ist. Viele kommen aber nicht nur wegen der „free repairs“, sondern auch wegen der netten, lockeren Stimmung bei den Events – wie auch bei dem Besuch hier in München. Es werden unterhaltsame Filme gezeigt, in denen die Patagonia Ambassadors wie Sean Villanueva O’Driscoll die Geschichten ihrer Lieblingskleidung erzählen. Man unterhält sich bei einem Bier aus der hiesigen Brauerei oder bei einer Bio-Limonade mit Gleichgesinnten, berichtet von der letzten Skitour der Saison und stöbert ein bisschen in der neuen Kollektion. Am Ende des Abends geht man nach Hause mit großer Sehnsucht nach dem nächsten Outdoorabenteuer – und natürlich einer frisch reparierten Jacke. Aber warum eigentlich das alles? Wieso gibt sich einer der größten Player der Outdoorbranche so viel Mühe um ramponierte Bekleidung zu reparieren? Schließlich würde doch mit jeder neuen Jacke, die stattdessen gekauft wird, der Umsatz steigen?!

Nachhaltigkeit & Konsum – Patagonia will zum Nachdenken anregen

Wer sich schon einmal genauer mit dem Unternehmen Patagonia beschäftigt hat, der landet schnell bei den Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und sozialer Verantwortung. So ist der Outdoorhersteller beispielsweise Mitbegründer der Allianz One Percent for the Planet“, einem freiwilligen Zusammenschluss von Unternehmen, die sich dazu verpflichten 1% des Gesamtumsatzes oder 10 % des Gewinns an Umweltorganisationen zu spenden. Seit 1996 verwendet die Firma ausschließlich Bio-Baumwolle für Bekleidung. Und als Antwort auf den Konsumrausch am Black Friday schaltete Patagonia 2011 Anzeigen unter dem Motto: „Don’t buy this jacket“, mit denen Kunden dazu aufgefordert werden sollten, nur das zu kaufen, was sie wirklich benötigen. Alleine in Europa beschäftigen sich 14 Vollzeitkräfte nur mit umweltpolitischen Themen.

Im Gespräch mich mit Mihela Hladin, Environmental and Social Initiatives Manager bei Patagonia (© airFreshing.com)

Im Gespräch mich mit Mihela Hladin, Environmental and Social Initiatives Manager bei Patagonia (© airFreshing.com)


„Die Nachhaltigkeitsphilosophie von Patagonia fußt auf drei Prinzipien – die drei R’s – Reuse, Repair, Recycle“ erklärt Mihela Hladin, Environmental and Social Initiatives Manager beim kalifornischen Outdoorexperten, die beim Auftakt in München den anwesenden Journalisten Rede und Antwort stand. „Mit der Worn Wear Tour wollen wir die Botschaft in die Welt hinaustragen, dass man die Natur entlastet, wenn man seine Bekleidung einfach länger trägt. Auf diesem Wege wollen wir Bewusstsein bei den Menschen schaffen und zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten anregen“, so Mihela. Das Prinzip hinter Worn Wear ist an sich aber nichts Neues, wie die Environmental Managerin betont, sondern seit jeher im Unternehmen verankert. So sind alle Patagonia Produkte darauf ausgelegt, so lange wie möglich genutzt zu werden und besitzen eine entsprechend lebenslange Garantie. „Unsere Kunden können ihre Bekleidung immer von uns reparieren lassen. Jedes Anliegen wird dabei individuell behandelt. Man sendet ein Foto an den Kundenservice und dann wird entschieden, ob das Produkt eingeschickt wird oder ob es wirtschaftlicher und schneller ist, einen lokalen Schneider aufzusuchen und uns die Rechnung zu schicken“, weiß Mihela zu berichten. Mit über 40.000 Reparaturen allein im letzten Jahr betreibt Patagonia das größte Reparaturzentrum Nordamerikas. Die Worn Wear Tour hat auch dahingehend einiges an Aufklärungsarbeit geleistet. „Seit wir mit den Trucks direkt zu den Leuten gefahren sind, hat sich die Anzahl der Reparaturen verdoppelt“, so Mihela. Vielen Kunden sei noch nicht einmal bewusst gewesen, dass sie ihre Ausrüstung überhaupt reparieren lassen könnten. Kein Wunder eigentlich, wenn man bedenkt, dass viele Produkte heutzutage schlichtweg nicht mehr dafür gemacht sind, überhaupt instandgesetzt zu werden. Obendrein ist eine Neuanschaffung manchmal sogar billiger, als Einzelteile zu ersetzen. Ein Trend, dem sich Patagonia bewusst entgegensetzen möchte.

Repairing is caring – und trotzdem stimmt der Umsatz

Wachstum ist nicht der einzige Weg für ein Unternehmen zu existieren“ zeigt sich Mihela Hladin überzeugt. „Aber natürlich ist es ein großes Experiment, wenn wir als wirtschaftliches Unternehmen den Konsum hinterfragen und zum Gegenstand der Debatte machen“, so die gebürtige Slowenin. Dass die Strategie dennoch aufgeht, zeigen nicht zuletzt die Umsatzzahlen von Patagonia. Während andere Hersteller in den vergangenen Jahren immer stärker mit den Folgen der Wirtschaftskrise und der Sättigung des Outdoormarktes zu kämpfen haben, sind die Kalifornier auf stetigem Erfolgskurs und verkaufen heutzutage mehr Bekleidung als je zuvor.
Die Philosophie kommt bei den Kunden scheinbar an und viele investieren mittlerweile lieber etwas mehr und erhalten dafür ein hochwertiges, langlebiges und nachhaltiges Produkt, das im Zweifelsfall repariert werden kann. Vom reinen Konsumenten hin zum Besitzer – um es mit den Worten von Patagonia zu sagen. Wie lange ein Produkt der Marke dabei teilweise im Gebrauch ist, wird bei der Worn Wear Tour deutlich. Mihela selbst hat eine ihrer ersten Patagonia Jacken mitgebracht, die schon knapp zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hat. In die Berge zieht sie diese zwar mittlerweile nicht mehr an, aber die Frauen in ihrer Familie nutzen sie immer noch sehr gerne für die Gartenarbeit. „Das ist das erste Prinzip unserer Nachhaltigkeitsstrategie: Reuse. Wenn ich etwas selbst nicht mehr benötige, dann gebe ich es weiter an jemand anderen, der dafür Verwendung hat. Recycling ist konsequenterweise erst der letzte Schritt in der Kette“, so Mihela.

Fast wie neu - Mitch mit seiner geliebten Patagonia Daunenjacke (© airFreshing.com)

Fast wie neu – Mitch mit seiner geliebten Patagonia Daunenjacke (© airFreshing.com)


Während der abendlichen Session im Münchner Patagonia Store sieht man so manches Bekleidungsstück über den Nähtisch wandern, das ebenso wie der weinrote, sackartige Parker der Environmental Managerin, nur sehr wenig mit den tollen bunten Teilen der neuen Kollektion gemein hat. Dennoch besticht jedes zeitgewordene Unikat durch Schönheit und vor allem viel Charakter. Man erblickt strahlende Gesichter die begeistert sind, ihre Lieblingsteile nun auch weiter nutzen zu können. Auch Mitch freut sich wie ein kleiner Schneekönig über seine reparierte Jacke, die nun zwei hellgraue Patches und ein Worn Wear Aufnäher zieren. Irgendwie wünscht man sich in dem Moment selbst ein bisschen, man hätte schon eine solches Teil mit bunten Aufnähern im Schrank hängen, das eine lange Geschichte zu erzählen weiß. Denn genauso wie Lachfalten um Augen und Mundwinkel die erfüllten, fröhlichen Momente unseres Lebens widerspiegeln, so sind eben auch die Flicken auf unserer Kleidung Zeugen unserer kleinen und großen Abenteuer.
Weitere Infos zur Worn Wear Tour und alle Termine gibt’s unter: wornwear.patagonia.com