Als wir im Dezember 2014 auf der Snow and Safety Conference in Zürs waren, konnte das Freerrideguiding aufgrund des fehlenden Powders leider nicht stattfinden. Doch eines war uns sofort klar – wir würden wiederkommen. Bereits wenige Monate danach und noch innerhalb der laufenden Wintersaison kehrten wir im März 2015 zusammen mit Fotograf Christian Kain zurück ins sonst so schneesichere Powder-Mekka und haben gemeinsam mit Freerideguide Miky Wienerroither frische Lines in die Hänge gezogen.
Lech-Zürs am Arlberg – Tiefschnee für Schneebretter aller Art
Der Arlberg ist eines jener europäischen Freeride-Areale, das längst internationale Beachtung genießt. Hier wurde das Skifahren quasi erfunden und Freeriding seit jeher betrieben, denn die ersten Liftanlagen nahmen bereits in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts ihren Betrieb auf. Schon damals war das Guiding durch einheimische Fahrer ein Geschäft, denn die Ski-Region Arlberg ist einfach zu groß, um sie sich innerhalb kürzester Zeit selbst zu erschließen und die absoluten Routenschmankerl ausfindig zu machen.
Nicht nur die amtierende, zweifache Siegerin der Freeride World Tour, Nadine Wallner, erlernte hier die Kunst des Big Mountain Riding, auch Freeride-Athletin Lorraine Huber sowie die Berg- und Skifilmer Stefan Häusl und Björn Heregger stammen allesamt vom Arlberg. Lech-Zürs selbst bringt es – seit dem 2013 erfolgten Zusammenschluss mit dem Ski-Gebiet Warth-Schröcken – auf insgesamt 182 Skiabfahrtskilometer. Währenddessen kann der gesamte Arlberg sogar 350 km vorweisen und dazu kommen nochmals 200 km Tiefschneeabfahrten. Variantenfahren ist hier schon lange an der Tagesordnung, weshalb das private Ski-Guiding auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Aufgrund der Nähe zum Bodensee und weiterer geografischer Begünstigungen ist die Region weltweit als Schneeloch bekannt und gilt unter Kennern als beliebte und schneesichere Wintersportregion. Dank seiner hochalpinen Lage kann der Arlberg zudem mit einem schier unerschöpflichen Freeridepotential aufwarten. Dementsprechend lautet das Motto hier auch: Let’s roll, let’s ride!
Überraschung Valluga – sicher ist sicher dank Freeride-Guide
Mit dem beschlagenen Ski- und Freerideguide Miky Wienerroither sollten wir einen echten „Lucky Strike“ landen. Noch am Morgen hatten wir beim Frühstück geargwöhnt, dass das Powdervergnügen nach längerer Wärmeperiode und dem letzten Schneefall vor vier Tagen wohl lange zu suchen sei. Doch weit gefehlt! Als wir das Kärntner Mannsbild an der Rüfikopfbahn in Lech treffen, wird uns schnell klar – dieser Kerl weiß genau, worum es und was heute gehen wird. Schnell sind wir auf einer Linie und trotz Lawinenwarnstufe 2 fahren wir hoch hinaus. So hoch es am Arlberg eben geht, bis auf die 2.811 Meter messende Valluga – dem höchsten Gipfel der Region.
Nachdem wir kurz den Rundblick – unter anderem bis zur Zugspitze und hinüber zum Montafon – genossen hatten, ging es auch schon zum vereisten und steilen Einstieg unseres Nordhang-Vorhabens. Das unser Guide tatsächlich noch echten Pow finden würde, war schon unrealistisch genug. Dass wir aber obendrein auch noch First Lines in einen nicht gerade kleinen Nordhang zeichnen würden, kommt einem Wunder gleich. Das der Traum dennoch wahr wurde, davon zeugen die dabei entstandenen Bilder. Doch trotz aller Tiefschneefreuden bleibt uns im Kopf, dass erst im Januar 2015 in der Westflanke zwei Skifahrer in einer Lawine verunglückt sind. Auch damals herrschte „nur“ (!) Warnstufe 2. Doch wer wie unser Guide Miky den Schneedeckenaufbau wie im Vimeo-Video zuvor analysiert und ein Schneeprofil erstellt, kann zumindest die größten Gefahren minimieren. Ein Restrisiko bleibt aber immer. Nach ersten zaghaften Turns und dem ersten Herantasten an die Zuckerdecke, ging es mit jeder Menge „WhoooWheeeee“ in den Kehlen hinunter ins Tal. Unter strenger Beobachtung eines einzelnen Steinbocks (lat. capra ibex), der uns wohl sagen wollte wer hier der eigentlich Boss in den Bergen ist.
PowPowPow – unterwegs mit Mr. Ibex im Valluga-Backcountry
Zeit für den ersten Hike des Tages: Es wurde angefellt. Unterhalb der Roggspitze (2.746 m) querten wir durch den Roggboden hinauf auf einen Sattel. Auch Mister Ibex war mittlerweile unter uns und zeigte keine Ambitionen seine Position auf dem Ausguck zu verändern. Ab und an ein lässiger Blick über die Steinbockschulter in unsere Richtung und das war’s. Einfach unglaublich, wir drei alleine im Valluga-Backcountry unter der Obhut des Königs der Berge – bei Kaiserwetter, mit schönstem Panorama und Hochgefühlen all around. Nach fünzigminütigem Aufstieg bei starker Sonneneinstrahlung und kurzer Abfahrt hatten wir bereits zwei sanfte Geländestufen mit feinen Kurven verziert. Ein erneuter Anstieg von ca. 20 Minuten führte uns schließlich auf das Erlijoch (2.430 m), von wo aus wir noch einmal die Nordseite der Valluga anerkennend abnicken konnten, die wir zuvor mit frischen Lines versehen hatten. Zu unseren Füßen erstreckte sich das Krabachtal und links thronte die Stuttgarter Hütte auf dem Krabachjoch (2.305 m), die im Winter zwar geschlossen ist, aber für nimmermüde Tourengeher einen Winterraum bietet.
Nachdem wir auch hier über wunderbar sanft abfallende, aber dann teilweise wieder steile Buckel gepowdert waren, legten wir ein letztes Mal die Felle an und stiegen auf zum Krabachjoch. Die Beine wurden immer schwerer und die Pausenabstände kürzer, aber die Zufriedenheit und das Gefühl hier gerade den genialsten Tag der ganzen Wintersaison zu erleben, ließen alle Konditions- und Alltagssorgen in Vergessenheit geraten. Schließlich sind wir ja hier, um den Moment zu leben. Denn das ist es doch, was wirklich zählt – und wo könnte er besser nicht sein, als hier in Lech-Zürs.
Über den Freeride-Guide Miky Wienerroither:
Miky ist einer von insgesamt vier Skilehrern, die innerhalb seiner Kommission aktiv sind. Am Arlberg selbst existieren diverse Lawinenkommissionen, wobei sich Miky’s Kommission im Gebiet rund um Kriegerhorn und Mohnenfluh bewegt – alles auf Skiern wohlgemerkt. Außerdem arbeitet er als Lawinensprenger am Zugertobel-Schafberg und dem Mehlsack. Es sind ca. 15 Skiführer ständig im Lawinendienst im Einsatz, aufgrund deren Urteil die Liftbetreiber wiederum ihre Sicherheits-Entscheidungen treffen. Miky verfügt über ein besonders tiefgreifendes Wissen über das Terrain. Das bewies auch die Tatsache, dass wir bei unserem Backcountry-Trip keiner festgelegten Route folgten. Miky stellte unsere Tour – abgesehen von der Basisroute, die natürlich vorher fest stand – quasi „on the spot“ zusammen. Unterwegs stand unser versierter Freeride-Guide immer in Kontakt mit einem seiner Kollegen. Denn ebenso wie wir war eine zweite, geführte Gruppe in unserem Gebiet unterwegs. Das hatte den Vorteil, dass sich die Guides untereinander per CB-Funk über die herrschenden Bedingungen vor Ort auf dem Laufenden halten und absprechen konnten, um stets die sicherste Ideallinie finden zu können. Schließlich wissen die Berg- und Skiführer der Skischule Lech genau was in ihrem Revier läuft – oder eben auch nicht.
Diese Tatsache macht das Freeriding mit diesen Bergfexen genau zu dem, was es auch sein sollte – einem ganz speziellem und vor allem sicheren Erlebnis. Und dass sie nicht nur zum Spaß da sind, davon zeugt die Hilfsbereitschaft in brenzligen Situationen. Auch wenn der Snowboarder bei Querungen mal nicht mitkommt, ist der Guide sofort zur Stelle und hält helfend seinen Skistock hin. Soll heißen: Die Investition in eine geführte Backcountry-Tour lohnt sich nicht nur hinsichtlich der eigenen Sicherheit – versprochen! Wir wissen, wovon wir reden, haben wir Guiding am Arlberg doch schon anders und leider etwas unabitionierter erfahren. Daher unser Tipp: Man sollte das Vorhaben so genau wie möglich vorab klären und sichergehen, dass die eigenen Erwartungen auch verstanden werden. Miky Wienerroither kann für 340,- Euro am Tag gebucht werden. Jede weitere Person kostet zusätzliche 20,- Euro, was eine Tour mit Guide für eine kleinere Gruppe wieder deutlich erschwinglicher macht.
Ein Powdertraum wird war und wird gerne fortgesetzt!
Für uns ist mit unserem Kurztrip ins Backcountry definitiv ein Powdertraum samt Steinbocksichtung in Erfüllung gegangen, den wir am Ende bei tiefstehender Sonne auf der Kriegeralpe mit leckeren Gröschtl und einem recht groß geratenen Kaiserschmarrn genüsslich ausklingen ließen. Eines steht schon fest: Arlberg, we like you und wir kommen auf jeden Fall wieder. Wer es uns gleich tun will, dem empfehlen wir für den Aufenthalt in Lech das Haus Margarethe. Dabei handelt es sich um ein Appartment, das von der Frau unseres Freeride-Guides vermietet wird. Ein gemütliches Etablissement, das der Geldbörse weniger Schmerzen zufügt, als die Lecher Fünfsterne-Hotels. Und obendrein ist die Gastgeberin ungemein herzlich zu jedem, der sich in ihrer Unterkunft einquartiert.
Weitere Infos zum Skigebiet Lech-Zürs sowie den hier gebotenen Freeride-Möglichkeiten gibt’s entweder auf der offiziellen Website oder unter Freeriding in Lech-Zürs.