Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit den Bergsteigerprofis Alexander und Thomas Huber

von | 06. Dezember 2017 | Allgemein, Interviews und Potraits, Outdoornews

Lange Haare, kantige Gesichtszüge, wettergegerbte Haut und Arme wie aus Stein gemeiselt: Das sind die HuberBuam, die gerade einmal zehn Autominuten voneinander entfernt im Berchtesgadener Land leben. Zwei Ausnahmesportler und Extremkletterer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber die dennoch eine untrennbare Bruderliebe miteinander verbindet. Spätestens seit dem Werbespot für Milchschnitte in den 90’er Jahren sind die Alpinisten auch einem breiten Publikum ein Begriff. Eine Zeit, in der sich die beiden markanten Charaktertypen schon längst einen Namen in der Bergsteigerszene gemacht haben und als regelrechte Shootingstars galten.

Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit den Bergsteigerprofis Alexander und Thomas Huber

Alexander (49) und Thomas Huber (51) auf dem Dach des Hotel Bayerischer Hof. (© ServusTV / Daniel Grund)

Seit mehr als drei Jahrzehnten meistern Alexander (49) und Thomas Huber (51) nun schon als bestes Kletter-Brüderpaar der Welt die schwierigsten Sportkletterrouten, feiern die spektakulärsten Gipfelsiege, setzen mit wahnwitzigen Free-Solo Touren sowie unglaublichen Speedkletter-Rekorden neue Maßstäbe und begeben sich allein oder gemeinsam auf grandiose Expeditionen und Kletterabenteuer in die extremsten Regionen der Erde. So setzte nicht nur Alexander Huber mit der ersten Rotpunkt-Begehung der berühmten „Salathè“ am kalifornischen El Capitan oder der Free-Solo-Begehung der Direttissima an der Großen Zinne in den Dolomiten zwei beeindruckende Meilensteine. Auch Thomas Huber gelangen extreme Klettereien und große Erfolge im Expeditionsbergsteigen wie die Rotpunkt-Begehung aller drei Zinnen-Gipfel verbunden mit waghalsigen Basejumps oder die zweite erfolgreiche Besteigung des Ogre, dem schwierigsten Berg der Welt in Pakistan. Gemeinsam holten sich die HuberBuam im Speedklettern den bedeutensten Rekord der Welt an der Nose im kalifornischen Yosemite Valley, schrieben mit spektakulären Erstbegehungen wie der Westwand des Latok II in Pakistan oder der „Bayerischen Direttissima“ am grandiosen Mount Asgard auf Baffin Island in Kanada alpine Geschichte.

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100 Jahre HuberBuam (©airfreshing.com)

Bergwelten: 100 Jahre Huberbuam – Bluad is dicker wia Wossa

Ende des Jahres werden die beiden Kletterbrüder zusammen nun stolze 100 Jahre alt. Ein guter Zeitpunkt, um das bisherige Leben sowie die vielen Höhen und Tiefen nochmals Revue passieren zu lassen. Anlässlich dieses Jubiläums hat ServusTV im Zuge des eigenen Sendeformats Bergwelten einen Doku-Film abgedreht, der das erlebnisreiche Leben und die Karriere der HuberBuam zum Teil hautnah beleuchtet. Dabei herausgekommen ist ein ungemein ehrliches, schnörkelloses und sehenswertes Portrait. Erstmals ausgestrahlt wird der Bergfilm am 11. Dezember, um 21:15 Uhr, auf ServusTV und kann danach in der Mediathek als Live-Stream online abgerufen werden. Weltpremiere feierte das persönliche Athletenportrait im Hotel Bayerischer Hof in München, bei der wir die Gelegenheit nutzten und die beiden markanten Charakter zum Interview gebeten haben. Auch die Autorin Johanna Stöckl hat mit den beiden Jungs gesprochen und den beiden Jungs auf den Zahn gefühlt.

Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit den Bergsteigerprofis Alexander und Thomas Huber

Premiere von „Bluad is dicka wia Wossa“ im Hotel Bayerischer Hof (©airfreshing.com)

Entweder oder…nachgefragt bei den HuberBuam

Nepal oder Patagonien?
Thomas: Patagonien!
Alexander: Patagonien!

Vergangenheit oder Zukunft?
Thomas: Zukunft!
Alexander: Natürlich Zukunft! 

Mama- oder Papakind?
Thomas: Papa!
Alexander: Mama!

Schokolade oder Gummibärchen?
Thomas: Schokolade!
Alexander: Gummibärli.

Kaminwurzen oder Käse?
Thomas: Kaminwurzen.
Alexander: Beides!

Tee oder Kaffee?
Thomas: Kaffee.
Alexander: Auch Beides.

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Alexander Huber, Grand Capucin, Mount Blanc (© ServusTV / Timeline Production)

Granit oder Kalk?
Thomas: Kalk.
Alexander: Würde ich auch sagen!

Grigri oder Tube?
Thomas: Grigri.
Alexander: Ja, Grigri.

Zelt oder Biwaksack?
Thomas: Zelt.
Alexander: Zelt.

Early Bird oder Langschläfer?
Thomas: Early Bird.
Alexander: Langschläfer.

Laissez-faire oder Am Limit?
Thomas: Am Limit!
Alexander: Laissez-faire!

Zeitlos oder Stopp-Uhr?
Thomas: Zeitlos.
Alexander: Definitiv zeitlos!

Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit den Bergsteigerprofis Alexander und Thomas Huber

Thomas und Alexander Huber, Basecamp Baffin Island, Film Bavarian Direct (© Servus TV / Timeline Production)

Kurz und knapp…die Profikletterer stehen Rede und Antwort

…eure Gedanken zum 50. Geburtstag?
Thomas: Bergfest…!
Alexander: Schee, dass es so is wie es war.

…euer größter Erfolg und die härteste Niederlage?
Thomas: Der größte Erfolg ist für mich, dass ich 50 Jahre alt geworden bin und ich meinen Geburtstag feiern kann.
Alexander: Einfach, dass wir dieses Alter überhaupt erreichen konnten, denn einige unserer Freunde konnten es ja leider nicht.

…eure bisher beste Brotzeit am Berg?
Thomas: Für mich war es die Dose Bier in unserem Camp am Cerro Torre, nachdem wir mehr als 40 Stunden vom Torre Standhardt (2800 m) via Punta Herron (2780 m) zum Torre Egger (2900 m) nonstop unterwegs waren. Da war es so windig und grauslig und wir vollkommen ausgelaugt. Das war einfach genial, dann eine Dose Bier trinken zu können. Das war zwar keine Brotzeit, aber eine bayerische! (Anm. d. Red. Im Jahr 2005 gelang Thomas Huber mit dem Schweizer Andi Schnarf erstmals die anspruchsvolle Traverse in Patagonien)
Alexander: Oben am Gipfel vom Latok II den Kocher auszupacken und sich einen Tee zu kochen. Und dann die Zeit zu haben, diesen auch zu trinken und zu genießen.

…das beste Reiseland in euren Augen?
Thomas: Argentinien und Pakistan.
Alexander: Italien.

…eure wichtigste(n) Vertrauensperson(en)?
Thomas: Meine wichtigste Vertrauensperson ist meine Frau. Und auch der Wasti, ein Kletterspezi von mir.
Alexander: Meine Familie.

…was bringt euch so richtig auf die Palme?
Thomas: Nicht verstanden zu werden.
Alexander: Ungerechtigkeit!

…euer größter Antreiber und Motivator?
Thomas: Meine Neugier!
Alexander: Die Leidenschaft!

…euer größter Wunsch?
Thomas: Frieden!
Alexander: Zufriedenheit für den Jetzt-Zustand. Aber das wollen wir natürlich gerne auch für die Zukunft.

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Thomas und Alexander Huber (© Huberbuam)

…was bedeutet für euch Familie?
Thomas: Für mich ist es das Zentrum meines Lebens. Mein wichtigster Gipfel. Es gibt’s nichts, was über die Familie geht.
Alexander: Das ist genau der Ort, wo man zuhause ist.

…was unterscheidet euch Beide voneinander?
Thomas: ich würde sagen, dass ich eher wild und chaotisch bin. Aber vor allem auch begeisterungsfähig, was wohl vielleicht auch meine größte Stärke ist.

Alexander: Wenn ich jetzt natürlich sage, ich bin brav und nicht so begeisterungsfähig, wäre das natürlich völlig idiotisch. Und jetzt irgendwelche besonderen Fähigkeiten zu nennen, wäre Narzissmus und das tue ich nicht.

Thomas: Ja gut, dann sag ich es eben. Für mich ist Alex unglaublich strukturiert.
Alexander: Das stimmt aber gar ned.

Thomas: Aber du bist alle deine Projekte immer unglaublich mit viel Kalkül und Struktur angegangen. Bei mir war des anders.
Alexander: Ja und wie machst du das? Also ich sehe es für mich nicht viel anders als bei dir!?

Thomas: Ja gut Alex, dann lassen wir es. (winkt etwas entnervt ab)

…welche Rolle spielt Angst für euch?
Alexander: Die Angst ist unsere wichtigste Lebensversicherung! Da kommt es immer auf die Definition an. Wenn es im negativen Kontext ist und dich nervös macht, dann sicher nicht. Aber genau das ist ja auch Inhalt meiner ehrenamtlichen Arbeit, um das Stigma der Angst zu beseitigen und dass sich die Leute lernen, mit ihr auseinandersetzen und nicht davon laufen, denn das bringt sie um. Sobald du dich mit der Angst auseinandersetzt, wird dir auch eine Lösung geboten. Du darfst sie bloß nicht ignorieren, denn die Angst gehört zu uns dazu.

Thomas: Ich mag die Angst nicht so gerne. Ich würde eher sagen, dass das Erkennen der Gefahr unsere größte Lebensversicherung ist. Denn so gesehen ist unsere Gesellschaft durchtrieben von Angst und deshalb sind wir auch so oft wie gelähmt und hat Angst davor, weiter zu gehen. Angst kann unglaublich negativ besetzt werden. Daher würde ich viel eher noch die Furcht benennen. Aber ich verstehe was Alex mit seiner Aussage meint.

…habt ihr sonst noch ein großes Ziel vor Augen?
Alexander: Also nichts so Weltbewegendes, dass man es vergleichen könnte mit dem was nicht schon gemacht worden ist und eine besondere Ankündigung verdient hätte. Eine Rechnung habe ich jedenfalls nicht offen oder etwas, wo ich das Gefühl habe, das muss ich jetzt unbedingt noch machen. Es ist nichts so wichtig, als dass es unbedingt noch gemacht werden muss. Das ist heute durchaus etwas anders als vielleicht noch vor zehn Jahren. Und wenn man mit 80 Jahren zufrieden ist und alles geschafft hat und plötzlich tot umfällt, mehr kann man vom Leben doch gar nicht erwarten.

Thomas: Ah naja, wir gehen schon noch g’scheide Wände und Berge. Also ich für meine Seite kann sagen, dass ich wieder nach Pakistan aufbreche und vielleicht wieder eine coole Wand machen möchte, wenn ich Glück habe. Denn Glück, gutes Wetter und eine gut funktionierende Seilschaft gehören einfach dazu. Und auch wenn wir bereits ein gewisses Alter haben, sind wir durchaus noch in der Lage die Grenzen nach oben zu schieben im internationalen Alpinismus. Im Klettersport mit Sicherheit nicht mehr, da gibt es einfach zu viele junge Protagonisten wie Adam Ondra, die mittlerweile in einem ganz anderen Level unterwegs sind. Aber ansonsten gibt es jetzt keine emotionale Geschichte, die aufgearbeitet werden muss. Was mir ansonsten noch wichtig ist, ist dass meine Kinder wissen was sie aus ihrem Leben machen wollen. Das Leben so intensiv wie möglich leben, anstatt aus lauter Furcht daheim rumzuhocken ist sicher nicht mein Plan.