JACK WOLFSKIN zählt zu einer der bekanntesten Outdoormarken der Welt und steht mit ihrem Tatzenlogo seit gut 35 Jahren für funktionale Ausrüstung für Jedermann. Im Rahmen unserer Serie: „Made in Germany“ lassen wir Gerold Ringsdorf, einen der dienstältesten Mitarbeiter und einstigen Chef-Entwickler der ersten Stunde über die Anfangszeiten der von vielen Frischluftfreunden gleichermaßen geliebten wie auch kritisch betrachteten Outdoormarke berichten.
Während er im ersten Teil seiner ganz persönlichen Rückschau noch über sein erstes Treffen mit dem Gründer von JACK WOLFSKIN und den eigentlichen Grundstein der Outdoormarke berichtet hat, erklärt er im zweiten Teil, wieso er nach fast 30 Jahren im Unternehmen lieber „nur“ noch Produkte präsentiert anstatt sie selbst zu entwickeln.
„Asiaten lassen sich zum Glück eher für eine neue Idee begeistern.“
Bei meinen zahlreichen Produktionsreisen habe ich vor allem viele asiatische Menschen kennen- und schätzengelernt, denn im Gegensatz zu uns Deutschen lassen diese sich gerne auch mal von einer Idee begeistern und planen nicht alles im Vorhinein komplett durch. Da wird auch einmal investiert und experimentiert, selbst wenn am Anfang der wirtschaftliche Erfolg noch nicht feststeht. So entwickelten wir zum Beispiel ab 1991 mit meinem Freund Jake Lah, dem Daniel-Düsentrieb-Geschäftsführer vom damals noch unbekannten Aluminiumspezialisten DAC aus Korea, neue flexiblere Leichtgestänge.
Weil wir wir zu jener Zeit Probleme mit dem recht beliebten EASTON-Aluminium aus den USA hatten. Gemeinsam mit Bruno Wanzenried, einem ambitionierten Entwickler und Outdoorladen-Besitzer aus der Schweiz, entwickelten wir dann ein Leichtgewichtzelt, bei dem zwei Scheiben aus Aluminium die zusammenhängenden Gestängeteile aufnahmen.
Herausgekommen ist dabei das sogenannte TERMITE, ein freistehender Leichthybrid – also quasi die Vor-Vor-Vorstufe des heutigen EXOLIGHT, der bereits damals unter 2,5 kg gewogen hat. Eine enorme Gewichtseinsparung, wenn man bedenkt, dass Rucksackzelte damals in der Regel um die 3 bis 4 Kilo auf die Waage gebracht haben. So haben wir uns über die Jahre kontinuierlich verbessert und ständig etwas optimiert, natürlich nicht ohne dabei auch Niederlagen einzustecken.
Learning by doing war damals noch recht oft die Devise – nicht nur bei den Zelten, sondern auch bei den Rucksäcken von JACK WOLFSKIN. Nicht ganz ohne Stolz haben wir so über die Jahre viele Innovationen auf den Weg gebracht. Für das windstabile REAL TUNNEL Zeltpatent und das vollbewegliche ENERGY BALANCE Tragesystem bekamen wir 2004 dann sogar den RED DOT AWARD „Best of the Best“.
So richtig interessant wurde es für mich dann aber erst im Jahr 1996, als ich mit Dirk Hondrich meinen ersten Equipment-Kollegen bewilligt bekam. Endlich hatte ich Jemanden zum Fachsimpeln und wir wurden ein eingeschworenes Team. Das wir dann auch noch bei Porsche im Windkanal Grundlagenforschung betreiben und verschiedene Zelttypen rundum durchtesten durften, war für mich im Nachhinein einer der Höhepunkte in meiner Entwicklungszeit.
Die ganzen Ingenieure hatten uns damals schon für ziemlich verrückt erklärt, waren aber am Ende regelrecht Feuer und Flamme, weil es immer so spannend war zu erfahren, was bei welchen Windstärken tatsächlich durchhält und wo Schwachstellen an der Zeltkonstruktion auftreten. Bei diesen Tests haben wir dann jede Menge darüber gelernt, wo der Wind am Zelt tatsächlich angreift und bis zu welchem Grad man rein materialtechnisch überhaupt dagegen halten kann. Im Zuge dessen haben wir auch den EXPEDITION DOME (heute ANTARCTICA DOME) entwickelt, ein flexibles Kuppel-Zelt mit dem Arvid Fuchs und Till Gottbrath auf Expedition durchs Inlandeis von Patagonien gingen.
Ausgerechnet Fahrradtaschen als erste große Rückrufaktion bei Jack Wolfskin
Und irgendwann im Jahr 1994 war es dann endlich soweit und ich durfte endlich meine eigene professionelle Fahrradtaschen-Serie entwickeln, die Randolph Westphal schließlich mit auf Weltreise genommen hat. Diesmal waren sie nicht aus Baumwolle und mir war es damals besonders wichtig, dass die Taschen leicht sind und ein einfach verstellbares, aber reparierbar abnehmbares Tragesystem besitzen. Ein Novum zu jener Zeit. Aber ich hatte in eben diesem Punkt ein ziemlich wichtiges Detail vergessen, das zur ersten großen Rückrufaktion in der Geschichte von JACK WOLFSKIN führte.
Wir hatten in der Produktion schlichtweg die Sicherung in den Fixiermuttern des Tragesystems nicht verbaut, sodass sich die Schrauben irgendwann von allein gelöst haben und die Taschen vom Rad fielen. Den Anruf von Randy aus Kanada werde ich garantiert mein Leben lang nicht vergessen. Schließlich mussten wir in der Folge tausende Fahrradtaschen von Hand reparieren und haben uns dafür dann eine Aushilfe geholt. Jener Dirk Hondrich ist danach direkt bei JACK WOLFSKIN geblieben und ich habe mit ihm ab 1996 das komplette Equipment entwickelt.
Im Jahr 2004 erhielten wir Verstärkung durch einen Design-Praktikanten. Von da an kamen dann Neuerungen wie Designsprache und Formgebung dazu. Etwas, das wir bis dato sträflich vernachlässigt hatten, weil uns Funktionalität schlichtweg wichtiger war. Mit dem Erfolg der Marke wuchs im Laufe der Zeit auch unser Equipment-Team und wir professionalisierten uns ständig weiter. Eine Textiltechnikerin übernahm 2006 die Qualitätskontrolle und 2010 kamen mit den „Jungen Wilden“ dann gleich drei weitere Industriedesigner mit an Bord, sodass wir am Ende zu zehnt ein buntes Team aus Outdoor-Enthusiasten waren.
Viele tolle Produkte, Testtouren und gemeinsame Erlebnisse säumten diesen Weg. Über diese Zeit könnte ich tagelang erzählen. Durch den Elan und das Herzblut vieler meiner Kollegen unter der visionären Führung von Manfred Hell entwickelte sich das Unternehmen in allen Belangen weiter und wir konnten tolle Projekte um CSR, Nachhaltigkeit und Partnerschaften mit unseren asiatischen Produzenten verwirklichen. Doch auch in unserem – im Vergleich zu anderen Abteilungen – recht „kleinen“ Equipment-Bereich spielten zunehmend wirtschaftliche Belange eine immer größere Rolle: Forecasts, Zahlenauswertungen, Produktionsplanung, Preisverhandlungen, Marketingstrategien – der gefühlte Druck auf mich und mein Team nahm über die Jahre hinweg kontinuierlich zu.
Irgendwann wollte ich jedoch aus diesem „Hamsterrad“ ausbrechen, weil ich mich mehr und mehr zu einem Manager entwickelte, der Personalgespräche führte und in erster Linie am Computer saß. Und so gesehen bin ich ja einst als geborener Produktentwickler angetreten und wollte nie den Job eines Excel-Tabellen-Schupsers machen. Schließlich kamen dann noch gesundheitliche Probleme hinzu und ich musste mir eingestehen, dass ich meine eigene Familie in der Vergangenheit viel zu sehr vernachlässigt hatte.
2011 wurde JACK WOLFSKIN dann an einen US-Amerikanischen Investor verkauft und nach einer Übergangszeit mit der neuen Geschäftsleitung, bin ich dann für ein Sabbat-Jahr ausgestiegen und habe sämtliche Aufgaben nach über 20 jährig spannender Zusammenarbeit an meinem geschätzten Kollegen Dirk Hondrich übergeben.
Auch ein Schritt zurück kann einen Menschen nach vorn bringen.
Seitdem ich wieder zurück bin im alltäglichen Geschäft, koordiniere ich nun die Produktschulungen und Testevents mit Händlern und Kunden. Denn was nützt dir das beste Produkt, wenn der Verkäufer oder der Endkunde es nicht versteht. Und wer den Kunden nicht gut beraten kann, der wird ihn auch nicht begeistern können. Als Produkttrainer fühle ich mich daher als Link in der Kommunikation zwischen Produktentwicklung, Marketing und Sales und organisiere in diesem Zusammenhang auch Inhouse-Schulungen für unsere Mitarbeiter sowie den Customer-Service. Auch für die Koordination von Testivals und Händler-Events bin ich mitverantwortlich.
Also alles rund um die Produkte, aber eben nicht mehr verbunden mit den administrativen Aufgaben wie zu meinen Zeiten als hauptverantwortlicher Produkt-Entwickler bei Equipment. Und ich bin durchaus froh, dass mein langjähriger Kollege Dirk diese verantwortungsvolle Position übernommen hat und mit Elan ausfüllt. Dafür macht mir meine Arbeit jetzt wieder so richtig Spaß und ich gehe sehr darin auf, weil ich auf diese Weise direktes Feedback von den Menschen bekomme, die unsere Produkte nutzen. Im Grunde genommen bin ich also rundum zufrieden. Lediglich einen Traum will ich mir noch erfüllen: Seekajakfahren auf Vancouver Island in Kanada mit Walen, die an uns vorbei schwimmen, das will ich unbedingt noch einmal gemeinsam mit meiner Frau erleben.
Über Jack Wolfskin:
Unter dem aktuellen Claim: „Draußen zu Hause“ vertreibt JACK WOLFSKIN funktionale, qualitativ hochwertige und innovative Outdoorprodukte. Als führender Anbieter von Outdoor-Bekleidung, Outdoor-Schuhen sowie Outdoor-Ausrüstung in Europa ist das Unternehmen inzwischen Teil der US-amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Blackstone und ist zugleich größter und erfolgreichster Franchisegeber im deutschen Sportfachhandel.
Weltweit sind die eigenen Produkte in mehr als 900 Markenstores sowie in über 4.000 Verkaufsstellen erhältlich, die ihren ganz eigenen Beitrag zum Gesamtumsatz von 351 Mio. Euro im Geschäftsjahr 2016 beitragen konnten. Ein Erfolg, der nicht nur auf die allein in Deutschland beschäftigten über 1.000 Mitarbeiter zurückzuführen ist, sondern auch auf die weitsichtigen Führungsqualitäten von Melody Harris-Jensbach, die das Unternehmen seit Ende 2014 als Vorstandsvorsitzende (CEO) das Unternehmen leitet.
Darüber hinaus gilt die Outdoormarke mit dem Tazenlogo auch als Pionier in punkto Nachhaltigkeit. So ist das Unternehmen seit 2010 Mitglied in der Fair Wear Foundation und wurde von ihr dreimal in Folge mit dem Leader Status ausgezeichnet. Als erste Marke erhielt das Unternehmen zudem den ISPO Eco Achievement Award erhalten, der im Jahr 2016 zum ersten Mal im Rahmen der Internationalen Sport- und Outdoormesse in München für einen ganzheitlichen Ansatz und besonders nachhaltige Leistungen verliehen wurde.
Konsequenterweise ist die Outdoormarke auch bluesign®-zertifizierter Systempartner und seit 2012 auch Mitglied der „Zero Discharge of Hazardous Chemicals“-Initiative. Laut eigenen Aussagen ist die aktuelle Frühjahr/Sommer-Kollektion 2017 bereits bis zu 89% PFC-frei und will Jack Wolfskin bis zum Jahr 2020 komplett aus der Fluorchemie aussteigen. Dem nicht genug zählt das Unternehmen zu einem der ersten der Outdoor-Branche, weclhes die gesamte Lieferantenkette komplett transparent gemacht haben soll. Im Zuge dessen werden alle Lieferanten regelmäßig von unabhängigen Organisationen überprüft und die Ergebnisse anschließend auf der offiziellen Website veröffentlicht.
> Hier geht’s zurück zu Teil 1 der Unternehmensgeschichte von Jack Wolfskin