Jeder kennt das. Frauen sowieso. Es gibt Marken, vor allem im Bereich Klamotten, die mag man. Auf die steht man. Die müssen sein. Kosten spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Im Outdoorbereich ist das nicht anders. Lässig sollte z.B. die Jacke sein, funktionell sowieso, strapazierfähig, pflegeleicht und und und. Gerade im boomenden Outdoorbereich ist die Auswahl an coolen Jacken, Hosen, Westen mittlerweile riesengroß. Die Kaufentscheidung hängt aber nicht nur vom Style, Tragekomfort und Preis ab. Unsere Gastautorin Johanna Stöckl hat mit Dani Reiss (CEO) von Canada Goose über das kanadische Outdoor-Lable und Daunenfedern als „natürliches Abfallprodukt“ zur Herstellung mollig warmer Winterjacken gesprochen.
Zu präsent die schrecklichen Bilder, die man in diversen TV-Reportagen aus China sehen konnte. Menschen, die zu einem Hungerlohn unter grauenhaften Bedingungen arbeiten, schutzlos den gefährlichen Dämpfen diverser Chemikalien ausgeliefert. So etwas darf man nicht unterstützten. Ergo: Auch nicht kaufen. Kinderarbeit, auch davon hört man in diesem Zusammenhang oft, will man ebenso wenig supporten. Die Ökobilanz sollte am Ende auch noch stimmen. Liest man sich durch die Webseiten diverser Hersteller, findet man bereits ganz ordentliche Informationen zum Thema Sustainability. Jedoch sollte man Chemie und/oder Ökologie studiert haben, um die Inhalte auch wirklich zu verstehen. Vieles bleibt schwammig, ist gut getarnt in Grauzonen oder derart pfiffig, also PR-mäßig ausformuliert, dass man am Ende als Nicht-Fachmann auch nicht wirklich schlauer ist.
Man will die Ware auch ruhigen Gewissens tragen können.
Eine der Marken, auf die ich besonders stehe, ist Canada Goose. Schon vor vielen, vielen Jahren fiel mir die Marke erstmals in Kanada auf. Absurd, aber: Es war das Logo, das mich spontan ansprach. Ich verknüpfte es mit Schlagwörtern wie: Expedition, Wildnis, Abenteuer. Außerdem waren mir die Typen sympathisch, die diese Jacken trugen. Cool. Authentisch. Lässig. Understatement-mäßig. Und so liebäugelt man eben mit einer Marke, letztendlich mit deren Image, bis es soweit ist und man schwach wird. Auch ich kaufte mir irgendwann meine erste Canada Goose Jacke. Teuer war sie. Richtig teuer. Aber: Meine Investition lebt heute noch! Sie hält warm wie keine andere. Warum? Sie ist mit Gänsedaunen gefüllt. Und damit befinde ich mich heute, viele Jahre später und auch entsprechend kritischer, schon wieder in einem Gewissenskonflikt.
Entsprechend nutzte ich die Chance um mich genauer zu informieren und bat Dani Reiss, CEO von Canada Goose, um einen Gesprächstermin auf der ISPO 2014 in München. Und tatsächlich: er nimmt sich Zeit für mich. Vorab hole ich schon mal einige Infos ein.
Canada Goose – vom Schneemobilanzug zur Daunenjacke
Gegründet wurde die Firma 1957 von Sam Tick, damals unter dem Namen Metro Sportsware in Toronto. Anfang der 1970er Jahre stieß Ticks Schwiegersohn, David Reiss zur Firma. Dieser wurde bald CEO. Metro Sportsware produzierte damals hauptsächlich Regenjacken und Schnee-Mobil-Anzüge. Etwas später kamen die daunengefüllten Jacken hinzu. 1985 übernahm David Reiss die Firma, welche damals 50 Mitarbeiter hatte. In den 1990ern wurden die daunengefüllten Parkas, seinerzeit unter den Label „Snow Goose“ vorerst nur in Kanada und USA vertrieben, waren aber aufgrund der guten Qualität plötzlich auch in Europa gefragt. Da der Name „Snow Goose“ in Europa bereits vergeben war, musste schnell ein neuer gefunden werden: „Canada Goose“ war geboren.
1997 dann kam Davids Sohn Dani Reiss ins Unternehmen. Eigentlich wollte der Literatur-Student damals nur schnell Geld für eine längere Reise verdienen. Aus den geplanten drei Monaten sind mittlerweile über 17 Jahre geworden. Dani arbeitete in jeder Fabrik in Toronto, durchlief mehr oder weniger alle Stationen der Produktion. Später stieg er ins Management der Firma ein, wurde 2001 Präsident der Firma. Dani ist damals 27 Jahre alt.
Unter seiner Führung wird Canada Goose zu einem der am schnellsten wachsenden Unternehmen Kanadas. Dani Reiss entschied sich dafür, alle Produkte unter der Marke „Canada Goose“ zu vertreiben. Und er hielt, was wohl sein größtes Verdienst ist, am Credo „Made in Canada“ und somit auch an Qualität vor Quantität fest. Und das obwohl mehr oder weniger die gesamte Konkurrenz im asiatischen Raum viel günstiger produzieren lässt. Dieses Festhalten an der Tradition und Authentizität brachte ihm nicht nur Anerkennung und Titel wie „Kanadas Unternehmer des Jahres 2011“ ein, sondern auch ungeahnte Zuwachsraten auf dem heimischen und internationalen Markt.
Im vergangenen Jahrzehnt ist Canada Goose um mehr als 3.500 Prozent gewachsen und mittlerweile weltweit in 50 Ländern vertreten. Das Unternehmen beschäftigt rund um den Globus mehr als 1.500 Mitarbeiter.
Wann hat Dani Reiss (CEO) das letzte Mal so richtig gefroren?
Am Stand von Canada Goose auf der ISPO in München empfängt mich Dani Reiss sehr freundlich. Wir trinken Kaffee und plaudern erst einmal über die US Open, denn Reiss ist glühender Tennisfan. Der 40-jährige Unternehmer und Familienvater präsentiert sich locker. Als ich ihn frage, wann er das letzte Mal so richtig gefroren hat, lacht er: „Vor drei Tagen! Lag aber daran, dass ich bei -5 Grad in Sneakers unterwegs war.“ Ob er sich vorstellen könnte, auch mal richtig warme Schuhe zu produzieren? „Gute Idee. Darüber sollte ich vielleicht nachdenken.“ Nach dem Warm-Up will ich mehr über die Gänsedaunen wissen, welche in den Parkas verarbeitet werden. Schließlich sei das Tragen von Pelz und Daunen – seit es entsprechend synthetische Materialen gibt – negativ besetzt. Zu meiner Erleichterung erfahre ich, dass keine Gans, in Asien und Osteuropa nach wie vor gang und gäbe, lebend gerupft wird. Außerdem werden die Tiere nicht eigens für die Produktion von Daunen gezüchtet. Streng genommen sind die Daunen also „Abfallprodukte“ der Fleischindustrie: „Lebend-Rupf ist ein widerliches Vorgehen, reinste Tierquälerei. Das widerspricht unserer Philosophie.“
Die hochwertigen Gänse- und Entendaunen bezieht Reiss von kanadischen „Hutteriten-Bauern“, einer Glaubensgemeinschaft mit deutschsprachigen Wurzeln, welche freiwillig ohne Strom und Autos leben, und ihr Federvieh bis zum reifen Alter wachsen lassen und deshalb besonders gute, große Daunen liefern können. Das Geheimnis liege wohl in der Zusammensetzung: „Unsere Mischungen haben die richtige Struktur für die richtige Art von Material“, sagt Reiss. Die leichten Federn werden von speziellen Maschinen in die Hohlräume der Jacken geblasen. Früher wurden sie von Hand gefüllt, aber bereits Gründer Sam Tick erfand in den 70er-Jahren eine Maschine für diesen Arbeitsprozess.
Natürlich muss ich Reiss auch noch zu den pelzumrandeten Kapuzen seiner Jacken befragen. Warum Kojoten- und nicht Kunstpelz? „Pelz ist ein funktionelles Produkt, das durch nichts ersetzt werden kann. Kunstpelz friert ein, wenn er nass wird. Echter Pelz hingegen nicht.“ Reiss erklärt, dass es in den Wäldern Nordamerikas und Kanadas nur so von Kojoten wimmle, weshalb sie seit Generationen kontrolliert gejagt werden. Die Bestände seien nicht gefährdet. Im Gegenteil: Man spricht von einer Überpopulation. Allerdings gäbe es auch zahlreiche Parkas und Jacken im Sortiment von Canada Goose, die auf Pelz verzichten.
Natürliche Produkte für urbane Lebensräume
Canada Goose Produkte – ursprünglich produziert, um Abenteurer, Menschen, die lange im Freien arbeiten, bei tiefsten Temperaturen warm zu halten – werden mittlerweile auch auf den Straßen Berlins, Londons und New Yorks getragen. Wie erklärt sich Reiss die Tatsache, dass seine Marke ganz offensichtlich cool und trendy geworden ist? „Function has become fashion.“ Funktion ist also Mode geworden. Aber dann stellt er mir eine Frage: „Wenn jemand bei minus 15 Grad in den Straßen von Toronto eine Canada Goose Jacke trägt, ist das dann Funktion oder Mode?“ Hmmm, ich denke beides. So ist es vielleicht auch zu erklären, dass man Canada Goose Jacken nicht nur im Sportfachhandel, sondern auch in Luxuskaufhäusern wie Harrods in London oder Ludwig Beck in München kaufen kann. Ob sich Reiss, dessen Unternehmens-Leitsatz „Wir bewahren Menschen vor extremer Kälte“ da nicht missverstanden fühlt?
Da grinst er und antwortet: „Ein Land Rover wurde auch als Geländefahrzeug entwickelt. Trotzdem habe ich heute davon schon einige auf Münchens Straßen gesehen. Ich glaube Canada Goose ist der Land Rover der Bekleidungsindustrie.“
PS.: Im Dezember 2013 erwarb der US Finanzinvestor Bain Capital mit Sitz in Boston die Mehrheitsanteile von Canada Goose. Dani Reiss steht der Firma nach wie vor als CEO vor. Canada Goose wird am Gütesiegel „Made in Kanada“ festhalten.
Mehr Infos zu Canada Goose gibt’s hier.
Text: Johanna Stöckl