Ratgeber – Lawinencamp Bayern: Lawinenkunde für Skitourengeher und Freerider – Entscheidungsstrategien (Teil 3)

von | 21. Februar 2013 | Allgemein

Nach einer allgemeinen Einführung im ersten Teil und der Vorstellung der verschiedenen Suchstrategien bei Lawinenunfällen im zweiten Teil stellen wir diesmal die richtige Vorbereitung auf eine anstehende Skitour vor. Denn wenn in den Bergen jede Menge Neuschnee fällt, steigt mit jedem Zentimeter auch die Gefahr für Lawinenunfälle. Skitourengeher und Freerider sind daher gut beraten, notwendige Entscheidungs-strategien sowie das eigene Wissen in puncto Lawinenkunde noch vor einer geplanten Tour zu reaktivieren bzw. zu verbessern.

Teil 1: Achtung Lawinengefahr – Lawinenkunde für mehr Sicherheit im Tiefschnee
Teil 2: Übung rettet Leben – gezieltes Suchen und Finden bei Lawinenunfällen
Teil 3:  Lawinenkunde für Skitourengeher und Freerider – Entscheidungsstrategien

Diese Serie wird betreut von Alexander Römer – Bergschulleiter, staatl. geprüfter Berg- und Skiführer sowie Veranstalter des Lawinencamp Bayern: www.lawinenkurse.de

Möglichst sicher unterwegs im Tiefschnee

Die richtige Einschätzung der Lawinengefahr abseits gesicherter Pisten ist für Skitourengeher und Freerider die größte Herausforderung. Um das unvermeidliche Restrisiko soweit wie möglich zu reduzieren, bedarf es einer optimalen Vorbereitung. Und die beginnt zu Hause am Schreibtisch. Wer ohne sie – also unvorbereitet – auf  Tour geht, handelt schlichtweg grob fahrlässig.

Ratgeber - Lawinencamp Bayern: Lawinenkunde für Skitourengeher und Freerider - Entscheidungsstrategien (Teil 3)

Sicher auf Skitour. (© Lawinencamp Bayern)

Das Risiko für Lawinenunfälle strategisch minimieren

Im Alpenraum werden dazu drei wesentliche Entscheidungsstrategien benutzt. Je nach Vorlieben und Landesgrenzen ist das die »3×3 Filtermethode« (nach Werner Munter), die »Snowcard« (DAV) oder die »Stop-or-Go«-Methode (ÖAV).

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Eine sorgfältige Tourenvorbereitung als Basis für eine sichere Skitour (© Lawinencamp Bayern)

Egal, welche der drei Methoden man anwendet, man sollte sein theoretisches und praktisches Können in der jeweiligen Methode perfektionieren. Das Umsetzen der Theorie in der Praxis macht schließlich den Unterschied aus zwischen »kennen« und »können«.

Auffrischen von Theorie und Praxis

Vor der Praxis sollte man sich die wesentlichen Kriterien und Informationen anhand der 3×3 Filtermethode wieder neu erarbeiten oder auffrischen. Sie teilt sich in drei Filterschritte von regional, über lokal bis hin zu zonal und betrachtet dabei jeweils die Faktoren: Verhältnisse (Schnee und Wetter), Gelände und Mensch. Wer sich (wieder) mit der 3×3 Filtermethode vertraut gemacht und die wesentlichen Punkte – die eine Lawinengefahr ausmachen – ins Gedächtnis gerufen hat, kann den kommenden Powder-Winter in vollen Zügen genießen. Nur noch die Snowcard in den Rucksack gepackt und schon kann es gut vorbereitet auf Tour gehen.

REGIONALER FILTER – Vorbereitung zu Hause:

Anhand einer topografischen Karte können zur ausgewählten Skitour viele Informationen über das Gelände eingeholt werden. Aber auch über den geplanten Personenkreis, der auf Tour mitkommen wird, sollte man sich vorab informieren:

– Lawinenlage- & Wetterbericht, Expertenauskünfte (z. B. lokale Bergführer und Hüttenwirte) einholen
– Aufstiegsrelevante Geländeformen, Hangsteilheiten und -expositionen aus einer topografischen Karte im Maßstab 1:25 000 bestimmen
– Gruppengröße, Ausbildungsstand, Erfahrung, Kondition und psychische Belastung sollten möglichst homogen sein. Gruppe der geplanten Skitour anpassen oder umgekehrt. Bei schwächeren Teilnehmern entweder von Beginn an für alle eine andere Route wählen oder Ausweichmöglichkeiten einplanen.

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Schneebrett (© Lawinencamp Bayern)

LOKALER FILTER – so weit das Auge reicht:

Für den lokalen Filter muss man sich bereits vor Ort befinden, um eigene Beobachtungen zu den oben genannten drei Faktoren anzustellen, die geplanten zu beurteilen oder neu zu bewerten. Wenn deren Bewertung weiterhin positiv ausfällt, spricht nichts gegen die Fortsetzung der geplanten Tour:

– Treffen die ermittelten Werte der Schneeverhältnisse, kritischen Neuschneemengen, Sichtweiten, Bewölkung, Windstärken und Temperatur auch wirklich hier am Ausgangspunkt zu? Gibt es Schneeverfrachtungen und Alarmzeichen? Stimmt der Lawinenlagebericht?

– Stimmt meine Planung mit den tatsächlichen Gegebenheiten (Geländeformen, Hangsteilheiten und -expositionen) überein? Sind andere Aufstiegsspuren im Gelände den Verhältnissen besser angepasst?

– Ausrüstungs- und LVS-Kontrolle vor Beginn der Tour? Regelmäßige Überprüfung der Gruppenmitglieder hinsichtlich Stimmung und Kondition. Andere Gruppen beachten und dabei den eigenen Zeitplan für die Tour immer im Auge behalten.

ZONALER FILTER – Einzelhangcheck:

Zuletzt wird die unmittelbare Umgebung vor Ort beurteilt und über Weitergehen oder Umkehren entschieden. Jetzt zahlen sich perfekte Vorbereitung und sicheres, entschlossenes Handeln aus. Wenn alle wichtigen Faktoren zum Umkehren mahnen und auch das Bauchgefühl dazu drängt, sollte man zwingend umdrehen oder ausweichen:

– Gibt es frische Triebschneeansammlungen? Wie ist/verlief die Sonneneinstrahlung? Wo kann ein gefährliches Schneebrett abgehen

– Was oder wer ist oberhalb unserer Gruppe? Wo liegen die steilste Hangpartie und kammnahes Gelände? Höhenlage? Handelt es sich um einen ständig befahrenen Hang?

– Der Mensch ist das schwächste Glied der Bewertungskette. Deshalb immer wieder Müdigkeit, momentanes Können und Kondition der Gruppenmitglieder überprüfen! Bei schlechter Sicht oder gefährlichem Gelände mit führungstaktischen Maßnahmen reagieren: Enlastungsabstände, Spurfahren, etc.

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Hangsteilheit ermittelt via Höhenlinien und Winkelmesser (© Lawinencamp Bayern)

Ein wichtiger Tipp vom Berg- und Skiführer

Hat ein Tourengeher oder Freerider sich erst einmal für eine bestimmte Strategie entschieden, muss er genau diese für sich perfektionieren. Denn nichts ist schlimmer, als alle in den Fachbüchern aufgelisteten Strategien zwar schwarz auf weiß zu kennen, aber keine davon vollständig und »im Schlaf« zu beherrschen. Aber: Bei all den wichtigen zu beachtenden Regeln nur nicht verkrampfen! Immer schön locker bleiben und nicht vergessen: »Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst.« (Dalai Lama)

Teil 1: Achtung Lawinengefahr – Lawinenkunde für mehr Sicherheit im Tiefschnee
Teil 2: Übung rettet Leben – gezieltes Suchen und Finden bei Lawinenunfällen
Teil 3:  Lawinenkunde für Skitourengeher und Freerider – Entscheidungsstrategien

Diese Serie wird betreut von Alexander Römer – Bergschulleiter, staatl. geprüfter Berg- und Skiführer sowie Veranstalter des Lawinencamp Bayern: www.lawinenkurse.de