Seit Ende März sind die „City to Summit – Boys“, Sebastian Stiphout und sein Sohn Luca, unterwegs, um neue Länder, Landschaften und Kulturen zu entdecken. Eines ihrer ersten Reiseziele ist Nepal, wo die beiden Globetrotter rund 25 Tage lang zum Trekken und Wandern durch das Land ziehen wollten, um anschließend Indonesien, die Südinsel von Neuseeland und die großen Weiten von Chile sowie als krönenden Abchluss noch Patagonien zu entdecken. Insgesamt rund 6 Monate soll die Reise um die Welt dauern, doch bereits auf der ersten Etappe wurden die Pläne der beiden Weltenbummler aufgrund einer verheerenden Naturkatastrophe durcheinander gebracht. Sebastian und Luca hatten großes Glück, sehr großes Glück, wie ihr Augenzeugenbericht aus dem Khumbu Tal beweist.
Schweres Erdbeben stürzt Nepal ins Chaos
In Nepal wurden die beiden Globetrotter von der wohl größten Katastrophe überrascht, die das kleine Bergland am Rande des Himalaya jemals heimgesucht hat. Einen Tag zuvor standen sie noch im Mount Everest Basecamp und bestaunten den höchsten Berg der Welt, bevor sie wieder in Richtung Lukla abstiegen. Währenddessen stürzte ein Erdbeben der Stärke 7,9 auf der Richterskala das Land in absolutes Chaos und hinterließ ein Bild der Verwüstung. Die Hauptstadt Kathmandu ist laut Medienberichten mit am schwersten betroffen. Über 5.000 Tote sowie tausende Verletzte sind mittlerweile zu beklagen und unzählige Menschen wurden innerhalb von wenigen Minuten obdachlos. Doch das eigentliche Ausmaß ist noch längst nicht zu beziffern, denn wie schlimm die Auswirkungen des Bebens in den nur schwer zugänglichen Regionen im Hinterland sind, lässt sich nur erahnen. Selbst das Basecamp am Mount Everest blieb nicht verschont und eine gigantische Lawine aus Geröll und Eis begrub unzählige Bergsteiger unter sich. 18 Tote wurden dort bisher geborgen, viele weitere werden vermisst und bereits in höhere Lagen aufgestiegene Alpinisten wurde der Weg abgeschnitten.
Sebastian Stiphout berichtet über die Lage im Khumbu Tal
Am Samstagmorgen bebte die Erde. Zuerst wusste ich überhaupt nicht was los war, aber schnell realisierte ich, dass ein großes Erdbeben verantwortlich für die Erschütterung war. In den Stunden danach folgten weitere kleinere und größere Beben und plötzlich war jedes Gefühl von Sicherheit das wir hatten, ausgelöscht und Sorge stellte sich ein. Mein Sohn Luca und ich sind seit dem 16. April 2015 im Khumbu Tal unterwegs. Wir wollten den sogenannten “Three Passes Trek” machen, insgesamt 21 bis 24 Tage unterwegs sein. Eines unserer Zwischenziele war das Everest Basislager.
Am Tag des Bebens hatten Luca und ich einfach nur unglaubliches Glück! Glück, dass wir uns nicht mehr in der Nähe vom Basislager befanden, Glück, dass wir in diesem Moment nicht im Gelände unterwegs waren wo Steinschlag, Erdrutsche oder Lawinen uns hätten erwischen können und vor allem Glück, dass wir uns nicht in Kathmandu befanden! Viele andere Menschen in Nepal hatten dieses Glück nicht auf ihrer Seite. Die Sherpas, Bergsteiger und Touristen, die die im Everest Basislager von der monströsen Lawine überrascht wurden, die unzähligen Sherpas und Alpinisten die im Augenblick noch oberhalb des berüchtigten Khumbu Eisfalls am Everest festsitzen. Die Sherpas und Touristen die von einstürzenden Gebäuden erschlagen wurden oder die vielen Menschen, die in Kathmandu und in anderen Orten ihr Leben ließen oder verletzt wurden, Familien und Freunde verloren haben und jetzt obdach- und mittellos ihr Leben bestreiten müssen. Unser Beileid gilt allen Betroffenen.
Schlechtes Wetter als Lebensretter für viele Bergsteiger
Zur Zeit des Bebens befanden wir uns in einem kleinen Dorf Namens Dingboche, auf rund 4.440m Höhe. Kaum 10 Min. zuvor waren wir erst angekommen, nachdem wir am Morgen von Gorak Shep (knapp 1 Std. vom Everest Base Camp entfernt und direkt am Fuße des Kala Patthar gelegen) aufgebrochen waren, getrieben vom schlechten Wetter. Denn am Tag davor waren die Witterungsbedingungen wie vorhergesagt umgeschlagen. Starke Winde kamen auf und Schneefall setzte ein. Und da wir den Wetterbericht kannten, hatten wir den geplanten Akklimatisationstag in Gorak Shep gestrichen. Nur deswegen erreichten wir bereits am Tag vor dem großen Beben den Kala Patthar und das Everest Base Camp. Unser Glück und das Glück vieler anderer Trekker im Khumbu Tal verdanken wir meiner Meinung nach also nur dem schlechten Wetter! Wären die äußeren Bedingungen am Tag der Katastrophe entsprechend gut gewesen, wäre nicht auszudenken was passieren hätte können. Denn dann wären wir und viele andere Trekker auch zum Zeitpunkt des Bebens im Basislager des Mount Everest gewesen. Daher bin unfassbar dankbar, dass wir „nur“ mit dem Schrecken davon gekommen sind und in Dingboche in relativer Sicherheit waren.
Beim ersten Beben rannte jeder, der sich im Inneren eines Gebäudes befand, hinaus ins Freie. Dingboche liegt am Fuße des Ama Dablam. Eingehüllt in Wolken und Schneefall hörten wir dort ein ohrenbetäubendes Getöse, verursacht durch abgehende Stein- und Eislawinen. Sehen konnten wir nichts. Schockiert und besorgt gingen wir wieder zurück ins Haus. Aufgrund der Nachbeben, die in den Stunden danach immer wieder den Boden erzittern ließ, rannten wir immer wieder nach draußen und spürten wie jedes Mal die Sorgen der Menschen um uns herum größer wurden. Ich kenne Erdbeben aus Kalifornien, wo ich eine Zeit lang gelebt habe, aber das hier war irgendwie anders. Die Kraft der Natur war gewaltig, alles schwankte hin und her und die vielen Nachbeben, manche davon sehr stark, nahmen uns jedes Gefühl der Sicherheit. Wenn der Boden auf dem man steht, plötzlich nicht mehr fest zu sein scheint, ist die Angst wirklich unglaublich groß.
In den Bergregionen ist man abgeschnitten von jeglicher Information
Was die Sache hier oben am Berg noch schwieriger macht, ist die völlige Ahnungslosigkeit darüber, in welcher kritischen bzw. riskanten Lage wir uns am Samstag befunden haben. Denn in Dingboche gibt es keinen Handyempfang und auch keine Internetverbindung. Auch die Festnetzleitung wurde vom Beben beschädigt, wodurch kaum eiune richtige Verbindung zur Außenwelt hergestellt werden konnte. Immerhin konnte ein Sherpa mit seinem Handy eine kurze Datenverbindung herstellen und zeigte uns via Facebook die ersten Schreckensbilder aus Kathmandu. Wir waren geschockt und betroffen. Das Seltsame an allem: Wir befinden uns inmitten des betroffenen Erdbebengebiets, aber tappen völlig im Dunkeln was aktuelle Nachrichten und Informationen betrifft. Erst am Montagmorgen erreichten uns erste Details von Familien und Freunden und konnten dadurch das eigentliche Ausmaß des Bebens erkennen – eine Naturkatastophe der schrecklichsten Art hatte Nepal heimgesucht.
Im Augenblick befinden wir uns in Namche Bazaar, einem Knotenpunkt auf dem Everest Trek. Hier gibt es zumindest einen verlässlichen Internetservice und keinen Mangel an Essen und Trinken. Der Ort wurde glücklicherweise nicht schwer getroffen. Dennoch gibt es zur Vorsicht im gesamten Dorf verteilt verschiedene kleine „Zeltstädte”, wo Einheimische und Touristen schlafen und Zuflucht finden können. Das Tor zum Khumbu Tal ist der kleine Ort Lukla, das aus nicht mehr wie einer gefährlichen Landebahn und ein paar Gästehäusern besteht. Da aber seit Montag schlechtes Wetter herrscht und es voraussichtlich bis Samstag nicht besser werden wird, warten mittlerweile weit mehr als 2.000 Menschen darauf, endlich nach Kathmandu ausgeflogen zu werden. Wie die Lage in der Hauptstadt allerdings ist, vermag sich hier momentan keiner wirklich ausmalen. Wir müssten theoretisch einen Flug am Freitag, den 01. Mai, erreichen. Aber wir haben wenig Hoffnung, dass wir überhaupt vor nächster Woche nach Kathmandu gelangen, geschweige denn von dort aus weiterfliegen können. Denn es ist zu befürchten, dass das eigentliche Abenteuer dort erst anfangen wird! Wir haben schon Kontakt zum Auswärtigen Amt aufgenommen und laut deren Aussage wird allen Touristen geraten, nur so kurz wie absolut notwendig in Kathmandu zu bleiben. Was uns dort erwartet, können wir nur erahnen. Wir sind auf das Schlimmste gefasst.
Spenden für Nepal – helft helfen
Nepal ist eines der ärmsten Länder dieser Erde und benötigt gerade jetzt internationale Hilfe, da das Land weder über die nötige Ausrüstung noch über entsprechendes Gerät verfügt, um eine Katastrophe solchen Ausmaßes allein zu stemmen. So müssen Menschen die unter Schutt und Staub verschütteten Personen mit den bloßen Händen ausgraben. Und das ist erst der Anfang. Was folgt ist die humanitäre Katastrophe in Form von verseuchtem Trinkwasser, fehlenden Nahrungsmitteln und Epidemien. Internationale Hilfsorganisationen sind auf dem Weg in das kleine Bergland. Um deren Arbeit zu unterstützen wird jeder noch so kleine Geldbetrag benötigt und ist jede Spende willkommen. Wir haben bereits einen Beitrag geleistet und einen Geldbetrag an das Aktionsbündnis Deutschland Hilft gespendet.
Für die Freunde der Fotografie unter euch haben Chris Marquardt von Tips From the Top Floor und Monika Andrae das E-Book ‚People of the Himalayas‚ zum Download bereit gestellt. Die Erlöse aus der Aktion geben sie zu 100% direkt weiter an ihre Freunde in Nepal bzw. an die Hilfsorganisation www.dzi.org.
Weitere Möglichkeiten hat Stefanie vom Gipfelglück-Blog zusammengefasst.