Auch wenn nachts die Temperaturen gerne einmal noch unter den Gefrierpunkt fallen, einer Übernachtung im Freien steht dennoch nichts entgegen. Denn was gibt es Schöneres als abends unter freiem Himmel das Alpenglühen zu genießen und morgens die Sonne, als Erster begrüßen zu dürfen.
Da in den meisten Ländern das Zelten ausschließlich auf ausgewiesenen Flächen erlaubt und wildes Campen maximal oberhalb der Baumgrenze geduldet wird, bleibt oftmals nur der Biwaksack als einzige Alternative. Unweigerlich wird da das alte Vorurteil des “klaustrophobischen Plastiksargs” wach. Doch, dass die Notunterkünfte von heute schon längst nichts mehr mit ihren Vorgängermodellen gemein haben, wissen nur die Wenigsten. Hochatmungsaktives und vor allem leichtes Material machen moderne Biwaksäcke zu einem hervorragenden Nachtlager. Zwar bieten sie noch lange nicht den Komfort eines Zeltes, sind aber gerade in puncto Packmaß und Gewicht für Minimalisten die optimalste Lösung.
Erst kürzlich waren wir selbst mit einem Ultraleichtzelt am Berg unterwegs und haben hervorragend genächtigt. Doch wie es sich in solch einem eher beklemmenden Schlafsacküberzug schläft, galt es erst noch herauszufinden. Darum hatten wir uns auf einer Zweitagestour durchs Höllental hinauf zur Zugspitze gemacht und im Geröllfeld oberhalb des „Bretts“ biwakiert. Mit im Gepäck war der Advanced Bivy von Outdoor Research, den leichteren Alpine Bivy testeten wir auf einer anderen Tour. Bei Temperaturen um die fünf Grad war eine der ersten Fragen, wie gut die Biwaksäcke gegen Kälte isolieren. Desweiteren galt es herauszufinden, wie es jeweils um die Atmungseigenschaften des 3-lagigen GORE-TEX® Materials steht und wie komfortabel es sich tatsächlich darin schläft.
Outdoor Reasearch Bivys – der Aufbau und Allgemeines:
Auch wenn man für gewöhnlich in einen Biwaksack nur noch hineinzuschlüpfen braucht, so empfiehlt es sich bei den beiden Modellen von Outdoor Research vor der Abreise, einen Blick in die Aufbauanleitung zu werfen bzw. den Aufbau zumindest einmal durchgespielt zu haben. Ansonsten steht man bei schlechtem Wetter sprichwörtlich im Regen. Denn beide Biwaksäcke verfügen über ein großzügiges Kopfteil, das ähnlich einem Tunnelzelt mit Hilfe eines Gestängebogens aufgespannt wird. Da kann bei Unkenntnis der Aufbau schon einmal zur Tortur werden.
Und hier wird es auch schon kniffelig. So gestaltet sich das Einschieben der Gestänge durch die an den Innenseiten vorhandenen Führungskanäle als recht mühsam. Durch die Vorspannung, die durch verstärkten Ränder am Kopfende entsteht, bleiben die Pole immer wieder im Außenstoff hängen. Gleiches gilt für das Herausziehen beim Abbau. Als recht fummelig entpuppten sich auch die Reißverschlüsse, die sich gerne verhaken und vor allem nachts durch die nur einseitige Führung zum Nervenspiel werden können. Mal eben schnell auf die Toilette gehen, braucht da durchaus Geduld. Gut durchdacht sind hingegen die separat abnehmbaren Enden zur Fixierung der Gestänge. Die Hülsen werden hierfür einfach über das Pol-Ende geschoben und mit Hilfe eines Druckknopfes außen am Unterboden befestigt.
Beide Biwaksäcke „stehen“ von allein und müssen nicht zwingend mittels Heringen im Boden fixiert werden. Wer aber bei starken Windböen oder abschüssigem Gelände lieber auf Nummer sicher gehen will, kann die am Kopf- und Fußende befindlichen Schlaufen zum Abspannen nutzen. Fertig aufgebaut muss nur noch die Isomatte hineingeschoben werden. Damit diese nicht verrutscht, verfügen beide Biwakksäcke über eine patentierte Fixierung. Über einen innen am Boden eingenähen Velcro-Verschluss lässt sich die Isomatte ganz einfach am Bivy befestigen. Hier gibt’s ein Video zum Aufbau eines OR Alpine Bivys
OR Advanced Bivy – die Fakten:
Der Advanced Bivy kann durchaus als Luxus-Modell bezeichnet werden, was sich jedoch automatisch im Gewicht widerspiegelt. Dafür überrascht er mit jeder Menge Komfort. So kann bspw. das Kopfteil je nach Wetterlage in gleich drei Einstellungen angepasst werden: Sturm, leichter Wind, optimales Wetter. So lässt sich durch Hin- und Herkippen der zwei Gestänge das Bivy entweder komplett öffnen, wobei ein Mückennetz vor ungeliebten Insekten schützt. Oder aber es wird bei leichtem Regen oder windigem Wetter halb geschlossen. Und sollte es doch einmal richtig stürmen, kann man den äußeren Reißverschluss zuziehen und sich komplett einschließen. Ersticken wird man nicht, denn das hoch atmungsaktive GORE-TEX® Material sorgt für genügend Luftdurchsatz und verhindert das Kondensieren der Atemluft an den Innenwänden.
Während beim Alpine Bivy nur ein Gestänge zum Einsatz kommt, gibt es beim größeren Bruder gleich zwei unterschiedlich lange Pole, die für genügend Platz am Kopf sorgen. Hier sollte man beim Aufbau besonders darauf achten, dass sie nicht vertauscht werden, denn sonst hat man – wie wir – doppelt Arbeit. Der Boden besteht aus verstärktem Material, ist an den Rändern hochgezogen und relativ durchstichfest. Die Isomatte wird über ein patentiertes Verschluss-System aus Velcro fixiert, um ein Verrutschen zu verhindern.
OR Advanced Bivy – das Fazit:
Wenn man den Dreh beim Aufbau raus hat, ist das Nachtlager ultraschnell errichtet und bietet bei jeder Wetterlage genügend Schutz. Selbst mit dem bauschigsten Daunenschlafsack und der dicksten Isomatte hat man noch genügend Platz und kann sich sogar problemlos darin umdrehen. Das klappbare Kopfteil ist zwar gewöhnungsbedürftig, wer aber sogar im Schlaf damit zurecht kommt, hat ein recht sinnvolles Feature zur Regelung der Luftzufuhr. Einziges Manko ist wohl sein Gewicht, das selbst leichte Einmannzelte übertrumpft. Und auch das hausgemachte Problem eines Biwaksacks sollte berücksichtigt werden, denn für einen Rucksack ist schlichtweg kein Platz mehr. In puncto Atmungsaktivität konnte er sich gut behaupten, lediglich der Schlafsack selbst war von außen etwas klamm, die Innenseiten des Biwaksacks hingegen gar nicht. Vor allem die hervorragende Isolationsleistung ist nicht zu verachten, so war uns trotz nächtlicher Kälte jederzeit kuschelig warm. Was die Regenfestigkeit betrifft, konnten wir leider (noch) keinen echten Härtetest vornehmen. Die komplett abgetapten Nähte und das hochqualitative Material versprechen jedoch besten Wetterschutz. Alles in allem bleibt zu sagen: Es ist und bleibt „nur“ eine Notunterkunft, aber dafür eine wirklich komfortable.
OR Advanced Bivy – die Details:
Besonderheit: Fußteil mit Reißverschluss-Öffnung, Fixier-Riemen, 5 Heringsschlaufen, kleine innenliegende Tasche aus Mesh-Gewebe, Insektenschutz
Material: 3-lagiges GORE-TEX® Respiration Positive Gewebe, Unterboden aus verstärktem Hydroseal-Coated Nylon
Farben: Mojo Blue
Größe: 221 x 50 cm
Packmaß: 39 x 10 x 10 cm
Gewicht: ca. 1060 g (ohne Pole: ca. 960 g)
Preis: 299,- Euro (UVP)
OR Alpine Bivy – die Fakten:
Der Alpine Bivy ist der kleinere und vor allem leichtere Bruder des Advanced Bivy und unterscheidet sich nur marginal in puncto Schlafkomfort und Konstruktion. Auch bei ihm kann das Kopfteil je nach Wetterlage angepasst werden. Durch entsprechendes Hin- und Herkippen des Gestängebogens kann das Bivy entweder komplett geöffnet oder über den äußeren Reißverschluss vollständig geschlossen werden. Das verarbeitete GORE-TEX® Material fällt gefühlt etwas dünnwandiger aus, was sich sofort im Gewicht bemerkbar macht. Auch das Kopfende ist nicht so kräftig verstärkt, wie das beim Advanced Bivy der Fall ist.
Beim Alpine Bivy kommt lediglich ein einzelner Gestängebogen zum Einsatz, der dennoch für genügend Platz im Kopfbereich sorgt. Wie beim Advanced Bivy besteht der Boden ebenfalls aus verstärktem Material, ist an den Rändern hochgezogen und weitestgehend durchstichfest. Auch das patentierte Verschluss-System aus Velcro findet sich wieder und soll das Verrutschen der Isomatte verhindern.
OR Alpine Bivy – das Fazit:
Mit dem Alpine Bivy ist das Nachtlager definitiv noch ein paar Sekunden schneller errichtet und trägt sich weitaus leichter den Berg hinauf. Wie sein großer Bruder bietet auch der Alpine Bivy genügend Platz für voluminöse Schlafsäcke und dicke Isomatten. Das klappbare Kopfteil ist zwar mindestens genauso gewöhnungsbedürftig, aber etwas leichter zu bedienen als die dreistufige Variante des Advanced. Nachteil ist wie immer das Problem aller Biwaksäcke: Rucksäcke müssen leider draußen bleiben. In puncto Atmungsaktivität steht der Alpine dem Advanced Bivy in nichts nach. Was die Regenfestigkeit betrifft, muss auch hier der Härtetest noch nachgeholt werden. Die komplett abgetapten Nähte und das hochqualitative Material versprechen jedoch auch beim Alpine Bivy optimalen Wetterschutz. Alles in allem bleibt zu sagen: Eine Top-Notunterkunft und leicht noch dazu.
OR Alpine Bivy – die Details:
Besonderheit: Fußteil mit Reißverschluss-Öffnung, Fixier-Riemen, 5 Heringsschlaufen, kleine innenliegende Tasche aus Mesh-Gewebe, Insektenschutz
Material: 3-lagiges GORE-TEX® Respiration Positive Gewebe, Unterboden aus verstärktem Hydroseal-Coated Nylon
Farben: Mojo Blue
Größe: 214 x 50 cm
Packmaß: 39 x 10 x 10 cm
Gewicht: 907 g (ohne Pole: 870 g)
Preis: 269,95 Euro (UVP)
Outdoor Research Bivys – das Gesamtfazit:
Beide Biwaksäcke sind von der Ausstattung her weitestgehend identisch und lassen in puncto Wetterschutz keine Wünsche offen. Das Material ist bei beiden Modellen hervorragend verarbeitet und verspricht bei entsprechender Behandlung eine durchaus lange Lebensdauer. Wer auf Komfort verzichten kann und sich mit einer Notunterkunft zufrieden gibt, besitzt mit beiden Biwaksäcken eine perfekte Behausung. Mit Blick auf das Gewicht lohnt es sich dennoch, auch einmal aktuelle Ultraleichtzelte wie bspw. das Vaude Hogan Ultralight Argon zum Vergleich herzunehmen. Denn bei wirklich fiesem Wetter möchte man am nächsten Morgen nicht unbedingt in nasse Klamotten steigen, weil der Rucksack draußen bleiben musste. Für Übernachtungen im Winter und bei sonnigem Wetter können wir die beiden Bivys aber durchaus empfehlen.