Ein guter Kletterführer muss in der heutigen Zeit immer höheren Ansprüchen gerecht werden. Viele unter den Kletterern wünschen sich inzwischen mehr als nur ein simples Nachschlagewerk, in dem auf unendlich vielen Seiten alle möglichen Informationen zum jeweiligen Kletter- oder Bouldergebiet zu finden sind und Routenlisten endlos aufeinanderfolgen. Denn schließlich ist es doch die „Routenbibel“, die in hohem Maße und bereits weit im Vorfeld einer geplanten Klettertour zum gelungenen Spaß im jeweiligen Klettergebiet beiträgt. Warum gerade der „Chiemgau Rock Kletterführer„ in den meisten Belangen die Nase vorn hat, haben wir in der nachfolgenden Rezension einmal kurz zusammengefasst.
Der Autor:
Christoph Müller, Jahrgang 1980, wurde bereits seit dem Grundschulalter von seinem Vater, einem Bergführer aus Schleching, ins nahe gelegene Kaisergebirge zum Klettern mitgenommen. Als Mitte der 90er Jahre an der Zellerwand die systematische Erschließung begann, war er dort immer öfter anzutreffen und erlernte unter Hubert Gasteiger, Herbert Wimmer und Fritz Amann eigenverantwortlich zu klettern. Im Alter von 16 Jahren richtete er seine ersten Routen an der Zellerwand ein und ist nun seit fast 20 Jahren einer der fleißigsten Erschließer im Chiemgau. Seitdem wurden von ihm in ganz Mitteleuropa weit über 300 Routen vom 5. bis 8. Franzosengrad erschlossen, der größte Teil davon im Chiemgau und in Tirol. Fast doppelt so viele Routen wurden darüber hinaus von ihm saniert. Kein anderer Kletterer kennt dabei die Klettergebiete des Chiemgau so gut wie er – ein echter Local also.
Neben seinem Vollzeitjob als Entwicklungsingenieur verdient Christoph seine Brötchen in mehreren Bereichen des Klettersports. Als einer von knapp 20 nationalen Routenbauern ist er beim Schrauben von nationalen und internationalen Wettkämpfen aktiv und verdient sich als Fachbuchautor noch den ein oder anderen Bohrhaken hinzu. Seine Freizeit verbringt er beim Klettern, beim Skifahren oder ist mit einer seiner sechs Hilti-Bohrmaschinen zum Erschließen neuer Kletterrouten unterwegs.
Was macht den Unterschied?
Die Rahmenbedingungen: Im Falle des Chiemgau Rock ist der Autor niemand von außerhalb, der in der Gegend mal ab und zu unterwegs ist, sondern ein echter Local. Christoph Müller ist im Chiemgau aufgewachsen und klettert dort seit über 20 Jahren. Im gesamten Chiemgau stammt mindestens jede fünfte Route von ihm, im Achental ist es jede Dritte. Keiner sonst hat in der Gegend so viele Routen erschlossen wie er selbst. So wären einige der besten und beliebtesten Gebiete (Zellerwand, Bergen, Pleitewandl, Steinbruch Ruhpolding) ohne seine zahlreichen Erstbegehungen kaum einen Besuch wert.
Die Motivation: Im Gegensatz zu vielen anderen Verlagen geht es dem Autor nicht um eine maximale Rendite. In den letzten 20 Jahren hat er Bohrhaken im Wert von über 30.000 Euro in die hiesigen Gebiete investiert, selbst wenn alle Exemplare verkauft werden, ist der Gewinn im Vergleich zum Aufwand am Ende sehr bescheiden. Als Entwicklungsingenieur ist er auf das Geld nicht angewiesen sondern Christoph zieht seine Motivation aus anderen Beweggründen. Er hat im Chiemgau sehr viele Routen eingerichtet und freut sich einfach, wenn diese wiederholt werden und die Routen anderen Leuten gefallen: „Wenn ich z.B. zwei Tage lang eine leichte Route einrichte, und am Ende kommen dann Leute auf mich zu und sagen, die sei ‚echt lässig‘, dann hat sich die Arbeit gelohnt. Wenn ich andererseits hunderte von Stunden an einem Gebiet gearbeitet habe, und niemand klettert dort, dann fände ich das hingegen äußerst schade.“
Gründlichkeit der Recherche und Aktualität: Neben sehr wenigen Ausnahmen wie Hubert Gasteiger kennt die Gebiete im Chiemgau wohl kaum jemand so gut wie der Autor selbst. Bei seinen zahlreichen Erstbegehungen ist er sogar oftmals der einzige, der Name und Schwierigkeit der Routen kennt. Doch auch bei fremden Gebieten war Christoph Müller an jedem Felsen mindestens 4 bis 5 Mal unterwegs, um die Gebiete zu recherchieren. In der Regel hat er sich zunächst ein Mal zum jeweiligen Felsen aufgemacht, um von diesem die entsprechenden Toposkizzen anzufertigen und anschließend zu digitalisieren. Mit der digitalisierten Version kehrt er dann erneut zum Felsen zurück und verifiziert die angefertigten Skizzen. Damit geht es dann ein drittes Mal zurück an den Fels, um alles nochmals zu überprüfen – zum einen die Felsstrukturen, aber auch die Routenlängen, die Bewertungen sowie die Standplätze (Welche Route geht zu welchem Stand?). Und um Fotos zu machen, kehrt der Autor zum Teil auch noch ein viertes oder sogar manchmal ein fünftes Mal an das Felsmassiv zurück. Nachdem der Kletterführer dann eigentlich schon fertig war, hat er diesen aber noch längst nicht gleich veröffentlicht. So folgte einen Sommer lang eine erneute, abschließende Verifizierung. Und um ganz sicher zu sein, war Christoph am Ende sogar nochmals vor Ort, um zu sehen, ob mittlerweile nicht bereits weitere Neutouren eröffnet wurden, die in den Unterlagen noch gefehlt haben.
Was bietet der Kletterführer?
Für die Zugangsskizzen wurden jeweils die aktuellesten Karten des Landesvermessungsamtes digitalisiert, wobei alle Zugangsskizzen maßstabsgetreu erfasst wurden. Da aber zu dieser Zeit sehr viele neue Forststrassen gebaut wurden und sehr viele Steige nicht eingezeichnet waren, wurden neue Forststrassen mit Höhenmesser und Kompass nachträglich eingemessen und alle Steige im Umkreis eines Klettergebietes abgegangen, um evtl. vorhandene, kürzere Zustieg zu kartographieren. Ausrichtung und Höhenlage der einzelnen Gebiete wurden ebenfalls mit Kompass und Höhenmesser ermittelt, die nicht geschätzt sind. Die Parkplätze wurden zudem alle mit dem Navi ermittelt und mit GPS-Koordinaten versehen.
Die Zusatzinformationen: Im Gegensatz zur Konkurrenz enthält das Buch sehr viele zusätzliche Details und Infos. So bietet es neben einer Liste mit Gasthäusern, in denen die Erschließer in der Gegend selbst gerne hingehen, auch eine Liste mit den schwersten Routen. Darüber hinaus gibt der Autor einen kurzen Überblick zur Historie des Kletterns, stellt in einem übergreifenden Artikel die Geologie vor und portraitiert die wichtigsten Erschließer der Region. Und um all das abzurunden, ist auch ein Gedicht enthalten und wurden auf einer Seite die coolsten Klettersprüche gesammelt – alles Features, die man bei der Konkurrenz vergeblich sucht.
Die Mehrsprachigkeit: Im Chiemgau Rock Kletterführer sind alle notwendigen Informationen und Fakten sowohl in Deutsch als auch in Englisch erfasst.
Unser Gesamtfazit:
Ohne zu übertreiben, ist der Chiemgau Rock Kletterführer einer der besten (wenn nicht sogar der beste) Kletterführer, der uns in den letzten Jahren in die Hände gekommen ist. Mit diesem Standardwerk lassen sich die Klettertage in relativ kurzer Zeit und gezielt nach den persönlichen Bedürfnissen (wie z. B. Lage, Schwierigkeitsgrad, Felsbeschaffenheit, Jahreszeit, etc.) perfekt planen. Im Vergleich zur Konkurenz hat der Chiemgau Rock Kletterführer aber nicht nur aufgrund der oben genannten Unterschiede die Nase vorn, sondern wird bei der Lektüre auch sofort ersichtlich, dass es sich beim Autor um einen wirklich leidenschaftlichen Kletterer mit Liebe zum Detail handelt, der die enthaltenen Klettergebiete wie seine Westentasche kennt. Alle enthaltenen Angaben sind äußerst genau und aktuell. So konnten wir bei jeder unserer geplanten Klettertouren keine Abweichung oder Unstimmigkeiten feststellen – eben ein Kletterführer vom Felsliebhaber für Felsliebhaber. Denn ohne die Pasion von Christoph Müller gäbe es viele Routen oder erschlossene Klettergebiete im Chiemgau wohl kaum – und erst recht nicht diesen hervorragenden Kletterführer!
Die Details:
Autor: Christoph Müller
Erstausgabe: April 2014
Herausgeber: Chiemgau Rock Verlag
Übersetzung: Christoph Müller
Karten & Topos: Christoph Müller
Ihnalt: 450 Seiten mit 26 Sportklettergebieten und insgesamt ca. 1.400 Routen
Preis: 29,50 Euro