Wer durch die dreisprachige Alpenrepublik reist, wird am Ende garantiert sprachlos zurückkehren. Denn kaum einer wird in der Lage sein, die gesammelten Eindrücke und all das Erlebte adäquat in Worte fassen zu können. Dafür gibt es sicher vielerlei Gründe, die zu nennen es eine halbe Ewigkeit bräuchte. Und genauso fühlt es sich auch an, wenn man erst einmal dort war und die Gastfreundschaft der Schweizer in vollen Zügen genießen durfte. Auch wir waren gerade einmal vier Tage im Kanton Wallis unterwegs und hatten bei unserer Rückkehr eher das Gefühl, als wären wir viel länger dort gewesen. Dabei haben wir uns lediglich zwei der schönsten Ski-Gebiete der Schweiz genauer angesehen – nicht auszudenken wie es wohl erst für Denjenigen sein muss, der eine ganze Rundreise hinter sich bringt. Doch gemäß dem Sprichwort: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“ wollen wir uns die Zeit nehmen und von Polizeiautos mit Elektro-Antrieb sowie über schier endlose Himmelstreppen berichten, die so manchen Freerider dem Paradies des Pulverschnees ein ganzes Stück näher bringen.
Mit dem Bürgerpass durch die freie Ferienrepublik Saas-Fee
Mit den Worten „Werden Sie Bürger der freien Ferienrepublik Saas-Fee“ lädt das kleine Bergidyll die Touristen aus aller Welt zu sich ein und verspricht 80% Sonnentage, 100% Schneesicherheit und außergewöhnliche Ferien bis zu 4545 Meter über dem Alltag. Wer nicht gerade biwakieren möchte, wird wohl doch eher in einem der zahlreichen Hotels von Saas-Fee übernachten, auf gut 1.800m über dem Meeresspiegel und mit Ausblick auf die Gipfel von insgesamt dreizehn Viertausendern. Wem selbst das noch zu hoch ist, der kann auch im „Tal“ – rund 200 Höhenmeter tiefer – in den Gemeinden Saas-Balen, Saas-Grund oder Saas-Almagell seine „Unabhängigkeit von gewöhnlichen Ferienregionen erklären“.
Aber ein waschechter Bürger wohnt und flaniert noch immer am liebsten im Eldorado für Eiskletterer: Saas-Fee. Dank der historischen Holzbauten aus längst vergangenen Zeiten – lange vor jeglichem Kommerz und Tourismus – konnte sich das autofreie Bergdorf seinen Charme bewahren und ist alles andere als eine auf dem Reißbrett entworfene „Ski-Metropole“. Selbst die Polizei rollt elektrisch durchs Dorf und Ruhe Suchende können ihre Seele baumeln lassen, sofern sie ihren Urlaub nicht gerade in der Hauptsaison gebucht haben.
13 Viertausender, die höchste U-Bahn der Welt und die Polizei steht unter Strom
Gerade einmal an die 1.700 Bewohner bevölkern das von gewaltigen Gipfeln umringte Dörfchen, das in den Hochphasen über 12.000 Gästen Platz bietet und zumindest temporär den Status einer Stadt annimmt. Dann kann es durchaus auch einmal eng werden in den kleinen Gassen. Wer schlau ist, der reserviert sich deshalb vorsichtshalber bereits von der Gondel aus einen Platz z.B. im „Vieux Chalet„, um überhaupt noch in den Genuss von Fondue und Raclette zu kommen. Denn die vielen Wintersport-Fans sind hungrig. Kein Wunder, schließlich kommen sie das ganze Jahr über auf den Geschmack und erst recht auf Ihre Kosten, denn der Gletscher des Allalin und das gesamte Saas-Tal ermöglichen auf über 145 Pistenkilometern ungebremstes Schneevergnügen bis weit in die Sommermonate hinein.
Aber auch unterhalb von Eis und Schnee gibt es jede Menge zu entdecken – sei es der beeindruckende Eispavillon direkt unter dem Gletscher, die höchstgelegene U-Bahn der Welt oder die ausgewaschene Schlucht (Gorge Alpine Klettersteig), die so manches Abenteuer verspricht und Saas-Fee mit Saas-Grund verbindet. Besonders beliebt ist das Kleinod aber vor allem unter professionellen Freestylern, Jibbern und Funpark-Ridern, die hier ganzjährig trainieren können und zum Feiern im sagenumwobenen Hotel Popcorn absteigen.
Auch die Eiskletter-Elite trifft sich alljährlich aufs Neue beim Ice On Tour Weltcup und macht die Schnellsten und Effizientesten unter sich aus. Und wem der Winter zu kalt ist, der kommt im Sommer und versucht sich am Dom (4.545m) – dem höchsten Gipfel des Landes, dessen Bergfuß komplett auf Schweizer Territorium steht. Doch egal zu welcher Jahreszeit man Saas-Fee auch besucht, das beschauliche Feriendorf ist und bleibt ein optimaler Startpunkt für alle, die „Ferien von gewöhnlichen Ferien“ machen wollen.
Verbier – wo Tiefschnee und Freerider miteinander verschmelzen
Es sind nur wenige Kilometer Luftlinie, die den deutschsprachigen vom französischsprachigen Teil der Schweiz trennen. Von Saas-Fee kommend, geht es über Visp und Sion quer durch flaches Voralpenland direkt nach Verbier, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich die wohl bekanntesten Bergsteiger-Metropolen der Welt befinden: Martigny und Chamonix. Von dort schneidet das Tal von Le Châble eine tiefe Schneise in die Alpenkette und endet am Fuße des Combin-Massivs als Sackgasse – stets eingerahmt von mit Weinreben bewachsenen Hängen. Von dort aus schraubt sich die kurvenreiche Landstraße bis auf gut 1.500m hinauf zum eigentlichen Ferienort.
Im Vergleich zu Saas-Fee und Zermatt spielt Verbier schon beim ersten Blick in einer ganz anderen Liga – zumindest, was die Größenverhältnisse und den kommerziellen Tourismus betrifft. So viele junge Menschen im Winterbaggy-Style, extrem breite Powderlatten und Snowboards gibt es wohl nur im beliebtesten Freeride-Mekka von Europa. Auch als Einzelreisender wird man hier nicht lange allein bleiben, sofern man des Französischen mächtig ist und die Berührungsängste nicht allzu groß sind. Die geheime Amtssprache ist dennoch Englisch. Wer „IN“ sein will, sollte in der Lounge Bar „Farinet“ den Hautkontakt suchen – wo vermutlich auch der Begriff des „Aprés-Ski“ geprägt wurde, so eng und verschwitzt wie sich hier allabendlich die Menge im Takt der harten Beats wiegt.
Vier Täler, 410 Pistenkilometer und endloser Winterspaß
Wer abends nicht allzu tief ins Glas geschaut hat, steht spätestens um 8Uhr wieder an der Gondel und kann sich quasi direkt vom Dorfplatz von Verbier ins hochalpine Tiefschneevergnügen stürzen. Nur zweimal Umsteigen und man hat den höchsten Punkt des Skigebiets erreicht: Mont Fort (3.330m). Dem nicht genug bringen von hier aus die „Stairways to Heaven“ jeden Freerider dem Himmel noch ein Stück näher. Dank ihr gelangen Powder-Fans zur Rückseite des Gipfels, wo kilometerlange Abfahrten durch tiefsten Tiefschnee locken und auch die Profis der dort jährlich ausgetragenen Freeride World Tour immer wieder aufs Neue ins Schwärmen geraten.
Vier Täler sind es insgesamt, die zu Fuß, mit Skiern oder per Snowboard durchquert werden können. Die „Quatre Vallées“ bilden denn auch das fünftgrößte zusammenhängende Skigebiet der Welt, das mit insgesamt 410 Pistenkilometer im Winter und 950 Wanderkilometern im Sommer alles zu bieten hat, was das Herz eines jeden Outdoor-Sportlers höher schlagen lässt. Wer unbekannte Routen entdecken will, der sollte sich jedoch nur mit einem Ski- oder Bergführer (z.B. „Les Guides de Verbier“) in die Flanken wagen. Denn dieser kennt nicht nur die schönsten und einsamsten Routen, sondern auch die Gefahrenstellen, die alle Nichtsahnenden in Not bringen könnten.
Wer die abenteuerliche Reise über die tief verschneiten Abhänge bestanden hat, sollte auch in Verbier vorab schon einen Tisch im Restaurant reservieren, sonst muss man wie im „La Channe„ das herrlich schmackhafte Raclette etwas unbequem an der Bar zu sich nehmen. Und danach? Geht’s für die meisten sicher direkt ins Bett, denn dieses riesige Skigebiet haut selbst den sportlichsten Freerider aus den Ski- bzw. Softboots.
Saas-Fee oder Verbier? Am besten beides!
Verglichen mit Saas-Fee ist Verbier wohl eher eine Touristenhochburg, die in den winterlichen Hauptreisezeiten mit 30.000 Bewohnern förmlich aus allen Nähten platzt. Aber auch das Freeride-Mekka besitzt seinen ganz eigenen Charme. Allein die französische Sprache lässt das Gefühl von Urlaub fernab von überrannten Skiressorts in Deutschland oder Österreich aufkommen. Wer allerdings auf der Suche nach Ruhe ist, der findet sie maximal draußen in der Natur. Da ist Saas-Fee einfach eine Spur unaufgeregter und geerdeter.
Auf jeden Fall lässt sich in beiden Regionen so schnell garantiert kein Bär blicken, denn der steppt gewaltig in den Aprés-Ski-Bars am Ende der schier endlos scheinenden Talabfahrten nach Verbier bzw. hinunter ins Saas-Tal. Dementsprechend kann auch kein generelles Urteil gefällt werden, welches das bessere Skigebiet ist. Das sollte jeder am besten für sich selbst herausfinden, denn beide Bergdörfchen haben jeweils ihre Reize und Vorzüge – das eine nur eben etwas lauter und das andere etwas kleiner.
Mehr Infos über das Kanton Wallis und die beiden Ferien-Regionen gibt’s hier:
Kanton Wallis – www.wallis.ch
Saas-Fee/Saastal – www.saas-fee.ch
Verbier/St.Bernard – www.verbier.ch