Wie oft kommt es vor, dass man einen Rucksack gekauft hat und dann nach mehreren Touren feststellt, was an Details und Funktionalitäten alles fehlt oder sich als besonders praktisch entpuppt. Am liebsten würde man dann die jeweiligen Vorteile sammeln und allesamt in einem einzigen Rucksackmodell zuammenbringen. Natürlich sieht die Realität meistens anders aus und man hortet für die unterschiedlichen Aktivitäten brav verschiedenste Backpacks im Schrank. Bis eben jener irgendwann voll ist und man sich vor jeder Tour entscheiden muss, welches Modell denn nun diesmal den Berg hinaufgeschleppt werden soll.
So oder so ähnlich muss es wohl auch dem Produktentwickler bei Tatonka ergangen sein, der sich mit dem Mountain Pack 35 LT nun quasi einen eigenen Rucksack kreieren durfte. Ein speziell konstruierter Backpack von und für Alpinisten, der ein Minimum an Gewicht bei maximaler Funktionalität bieten soll. Wenn also ein passionierter Bergsportler einen Rucksack entwickelt, dann kann ja eigentlich nur etwas Gutes dabei herauskommen. Wir durften einen „Prototypen“ noch vor dem offiziellen Verkausstart im Januar 2016 testen und waren am Ende dann leider doch etwas geteilter Meinung.
Tatonka Mountain Pack 35 LT- alpiner Tourenrucksack:
Der Mountain Pack 35 LT ist ein vielfältiger Alpinrucksack, dessen Außenmaterial aus leichtem T-Square Rip Light und robustem Cordura® Bodenmaterial besteht. Das Gewicht kann je nach Bedarf von 1,5 kg auf lediglich 500 g reduziert werden, indem bspw. einzelne Ausstattungsdetails wie der höhenverstellbare und wasserdicht getapte Deckel oder der Hüftgurt in nur wenigen Handgriffen entfernt werden können. Für den nötigen Tragekomfort ist der Mountain Pack mit dem materialreduzierten Plain-Comfort-Tragesystem ausgestattet, dessen Rückenpartie mit einem glatten Nylonmaterial bezogen und dadurch stark wasserabweisend ist. Für den nötigen Tragekomfort sollen die leicht aufgepolsterten und luftdurchlässigen Schultergurte sowie der entfernbare Hüftgurt sorgen. Hier versteckt sich auch ein integriertes Sitzkissen in Signalfarbe, das bei einer Pause am Gipfel vor Kälte, Schmutz und Nässe schützen soll.
Das Hauptfach bietet mit einem Volumen von gut 35 Litern ausreichend Platz für Tagesausflüge, wobei der integrierte und wasserdichte Innensack sowie der unter dem Deckel platzierte Schneefang mit zwei Schnürzügen die verstaute Ausrüstung vor Schmutz und Nässe schützen sollen. Zusätzliches Equipment wie Eispickel oder Schneeschuhe können zudem problemlos mittels Gurtbandhalterung und der Long Foot Toggle-Schnellfixierung an der Front des Rucksacks fixiert werden. Auch an den Materialschlaufen an Hüftgurt und Deckel findet ein Teil der Ausrüstung seinen Platz. Handschlaufen an Vorder- und Rückenteil dienen zudem als Abseilvorrichtung zum Einhängen von Karabinern. Darüber hinaus dienen seitlich platzierte Kompressionsriemen zum Fixieren von Seil oder Snowboard. Bleibt noch das große flexible Netzfach, wo Helm und Co. schnell griffbereit sind. Kartenmaterial und wichtige Dokumente können in dem wasserfesten und transparenten Fach sicher verstaut werden, das sich unterhalb des Deckels befindet. Und bei einem plötzlichen Regenguss wird die unterhalb des Hauptfachs platzierte Regenhülle einfach über den Backpack gestülpt. Das Raincover kann auch als SOS-Signal genutzt oder bei Bedarf auch daheim gelassen werden, wodurch sich das Platzangebot um ein praktisches Zusatzfach erweitert.
Das aF-Testurteil: Gut gemacht, aber nicht ganz zu Ende gedacht
Eines vorweg: Man merkt, dass sich der Produktentwickler wirklich Gedanken hinsichtlich der Funktionalität und des Haupteinsatzgebietes des Backpacks gemacht hat. Kein Wunder, ist dieser doch selbst passionierter Alpinist und hat schon so manche Expedition hinter sich gebracht. Das Ergebnis ist ein Rucksack, der in vielen Punkten wirklich sinnvolle Details mitbringt, aber uns letzlich irgendwie nicht zu 100% überzeugen wollte.
Aber werfen wir zuerst einmal einen Blick auf die positiven Fakten: Vor allem was das Packvolumen und das Eigengewicht des Mountain Pack angeht, kann der Backpack durchaus punkten. Entfernt man das Deckelfach und den Hüftgurt, wirft das gute Stück in der Tat einige Gramm weniger auf die Waagschale. Auch in puncto Tragekomfort erfüllte der Alpinrucksack weitestgehend unsere Erwartungen. Die Träger sind weich gepolstert und die Rückenplatte liegt eng am Körper an ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Das Rückensystem ist zudem mit einer biegsamen Mittelstange aus Alu ausgestattet, wodurch ein millimetergenaues Anpassen an den individuellen Rücken ermöglicht wird. Praktisch sind auch zahlreiche Details wie bspw. die im Deckel integrierte wasserdichte Kartentasche, der einzippbare wasserfeste Beutel im Innenfach und das flexible Mesh-Netz auf der Front des Rucksacks zum schnellen Verstauen öfter benötigter Ausrüstung. Dadurch eignet sich das Multitalent für diverse alpine Einsatzgebiete – sei es nun zum Klettern, Bergsteigen oder einfach mal nur zum Wandern.
Doch nun zu den eher negativen Eigenschaften des Backpacks: Als unangenehm aufgefallen ist vor allem die wasserabweisende Rückenplatte, die dementsprechend auch die Feuchtigkeit bei schweißtreibenden Aufstiegen nicht nach außen hin ableitet, sondern direkt in Richtung Hinterteil lenkt. Wer also stark schwitzt wie im Fall unserer Testperson, könnte nach einem anstrengenden Aufstieg mehr als nur im eigenen Saft stehen. Bei uns ging es rund 1.300 Höhenmeter nach oben und dort angekommen, war nicht nur der Rücken schweißgebadet, sondern auch das komplette Gesäß samt Unterhose. Besonders unangenehm bei kühlen Witterungsbedingungen, wenn man am Gipfel angekommen zu frieren beginnt. Als problematisch entpuppte sich auch das Deckelfach, das nur bei voll bepacktem Rucksack wirklich optimal sitzt. Da das recht dünne Außenmaterial keine Stücktzfunktion übernimmt, rutscht der Deckel aufgrund der am Rückenteil zu weit oben platzierten Clips und des Eigengewichts immer nach vorn und legt das Hauptfach frei. Hier hat Tatonka nach eigenen Angaben aber mit einem zusätzlichen und mittig platzierten Druckknopf nachgebessert. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Regenhülle, die für unseren Geschmack ziemlich unglücklich platziert wurde. Denn sie engt den unteren Bereich des Hauptfachs unnötig ein, wodurch ein großes Stück des Platzangebots verloren geht. Und um es komplett zu machen, wäre zum Anpassen des Hüftgurts für unseren Geschmack ein anderes Zugsystem sinnvoller gewesen. Denn die klassische Zugrichtung nach außen hin kann in alpinen Routen durchaus Probleme bereiten.
Die Vor- und Nachteile im Überblick:
Im Hinblick auf die kritisierten Punkte fällt unser Gesamturteil zum Prototypen des Mountain Pack 35 LT etwas gemischt aus. Einerseits kann der Rucksack durch viele sinnvolle Features überzeugen, die aber durch andere Details konterkariert werden. Will der alpine Spezialist in Zukunft also überzeugen, sollten die jeweiligen Kritikpunkte noch einmal überarbeitet werden. Laut unserem Kenntnisstand hat Tatonka das ein oder andere Detail noch bearbeitet. Auch beim Test von ichliebeberge.ch konnte der Mountain Pack nicht zu 100% überzeugen.
+ praktisches Netz auf der Front
+ abnehmbarer Hüftgurt
+ integriertes Kartenfach
+ viele sinnvolle Features
– Rückenplatte bietet keine gute Klimaregulierung
– recht unpraktisches Deckelfach
– Regenhülle unglücklich platziert
– Material sehr dünn und wenig robust
Die Details:
Besonderheiten: integriertes Kartenfach, Regenhülle, abnehmbarer Hüftgurt
Einsatzbereich: Klettern; Alpinklettern; Hochtouren; Eisklettern
Tragesystem: Plain Comfort System
Material: T-Square Rip Light, Cordura® 700D am Boden
Maße: 64 x 28 x 19,5 cm
Gewicht: 1,5 kg / 500 g (ohne Hüftgurt und Deckelfach)
Volumen: 35 Liter
Preis: 199,95 Euro (UVP)