Der versunkene Turm im Südtiroler Reschensee gilt als Wahrzeichen des Vinschgau mit jährlich tausenden Besuchern aus aller Welt. Im Winter jagen dort Snowkiter übers Eis, im Sommer nutzen Surfer und Segler das Gewässer für ihre Aktivitäten vor Ortlerkulisse. Doch wo heute das markante Postkartenmotiv aus dem Wasser ragt, befand sich einst ein ganzes Dorf. Doch wie kam es eigentlich dazu?
Wahrzeichen und Mahnmal – der Kirchturm vom Rechensee
Nach Südtirols Annexion durch Italien 1920 geisterte das Stauprojekt am Reschenpass jahrelang als Schreckgespenst der neuen faschistischen Regierung durch den Obervinschgau: Der ursprüngliche Plan zur Errichtung zweier Elektrizitätswerke in der Region sah eine Anhebung des Wasserspiegels von Reschen- und Graunersee (auch Mittersee genannt) um „nur“ fünf Meter vor – Teile des Dorfs Graun wären also erhalten geblieben. Während des zweiten Weltkriegs lag das Vorhaben ganz auf Eis. 1947 aber beschloss Rom, die Arbeiten doch aufzunehmen und die beiden benachbarten Gewässer mithilfe des Großkonzerns Montecatini um 22 Meter zu stauen – der Wirtschaftskraft des Landes zuliebe.
Die Bevölkerung musste tatenlos zusehen: Beim endgültigen Vollstau im Sommer 1950 wurden über 500 Hektar Grund und 163 Häuser überflutet, die Bewohner mussten in ein höher gelegenes Barackenlager umziehen. Fast 150 betroffene Familien aus Graun und Reschen verloren ihre Existenz und erhielten nur geringe Entschädigungszahlungen. Kaum jemand blieb, 70 Prozent sind aus- oder abgewandert. Mittlerweile hat die Gemeinde Graun wieder über 2.400 Einwohner, der versunkene Kirchturm aus dem 14. Jahrhundert zählt zu Südtirols wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
Veranstaltungen und Ausstellungen rund um das Wahrzeichen
Noch heute steht der Alt-Grauner Kirchturm im Reschensee unter Denkmalschutz, ist das Wahrzeichen der Gemeinde und Kulisse für Sportveranstaltungen aller Art: Am 16. Juli 2016 zum Beispiel treffen sich Aktive zum 15,3 Kilometer langen Reschenseelauf, Südtirols größter Laufveranstaltung. Dank seiner optimalen Windverhältnisse nutzen in den Sommermonaten auch Kiter und Surfer den Reschensee. Ganz neu seit 2015 sind Kajak-Ausflüge mit Guide Christian rund um den versunkenen Turm.
Wer sich näher informieren möchte, besucht die Dauerausstellung mit umfangreicher Fotodokumentation im Gemeindemuseum Graun. Von Juli bis September gibt’s jeweils mittwochs um 16 Uhr einen geführten Rundgang (Treffpunkt: Pfarrkirche Graun). Von Mitte Juli bis Oktober startet darüber hinaus täglich um 15 Uhr die MS Hubertus zur Rundfahrt, für Gruppen auch auf Reservierung (Mobil-Tel. +39 338 4967810). Dabei erzählt Kapitän Winkler alle Details über das versunkene Dorf und den Turm im See. Erwachsene zahlen 8 Euro, Kinder gehen für 4 Euro mit an Bord.
Vinschgau und Reschensee – die Fakten:
Der Vinschgau im Westen Südtirols liegt zwischen der Etschquelle am Reschenpass und Meran. Die Region wartet mit faszinierenden Gegensätzen auf – von den Hochebenen rund um den Reschensee über Südtirols höchsten Berg, den Ortler mit 3.905 Metern, bis hinunter zu Apfelgärten in sonnigen Tieflagen. Die Vielfalt macht den Vinschgau zum Reiseziel für Wanderer und ambitionierte Bergsteiger, Genussradler und Mountainbiker, für Natur- und Kulturbegeisterte. Zu den markantesten Sehenswürdigkeiten zählen Kloster Marienberg, das Messner-Schloss Juval, der Nationalpark Stilfserjoch sowie historische Ortskerne und Burgen. Jahrhundertealte Bräuche und Traditionen zeugen von einer lebendigen Kultur.
Länge: 6 Kilometer
Breite: 1 Kilometer (an der breitesten Stelle)
Größe: 10 Quadratkilometer
Jahresspeichervolumen: 120 Mio. Kubikmeter im Staubecken
Energiegewinnung: 250 Mio. kWh Strom jährlich im Elektrizitätswerk Schluderns
Versorgte Haushalte: 71.430/Jahr
Quelle: Vinschgau Marketing – Konsortial G.m.b.H.