Erfahrungsbericht – Lavaredo Ultra Trail: Faszination Trailrunning – vom Zauber einer neuen Sportart und dem Glücksgefühl beim Finishen

von | 12. Juli 2016 | Events, News (Sommer), Outdoornews

30 Grad im Schatten, die Sonne brennt unermüdlich ohne eine einzige Wolke am Himmel. 15 Kilometer und knappe 700 Höhenmeter im Aufstieg und 1.000 Höhenmeter bergab liegen noch vor mir. Die Pumpe läuft auf Hochtouren, der Schweiß fließt in Strömen und die Achillessehne macht sich leider auch schon wieder bemerkbar. Eigentlich bin ich doch erst ein paar Kilometer gelaufen und der größte Part liegt noch vor mir. Genau in diesem Moment frage ich mich, warum zum Teufel ich mir diesen Quatsch eigentlich antue. Muss man wirklich auf Berge rennen und sich bei schwül-heißen Temperaturen mit einem Zeitlimit im Nacken durch die Dolomiten quälen? So ein Gebirgssee mit einer kleinen, netten Wanderung und einer anständigen Brotzeit ist doch eigentlich auch etwas Schönes. Oder einfach mit der besten Freundin in der Altstadt sitzen, einen Aperol Spritz trinken und den anderen beim Laufen zusehen? Für diese Gedanken ist es jetzt aber zu spät und aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Ich habe mir etwas vorgenommen und will es jetzt auch durchziehen –  auch wenn mein Kreislauf irgendwie rebelliert und meine Motivation für kurze Zeit in den Keller geht, um sich ein bisschen auszuruhen. Durchhalten lautet die Devise. Das Gehirn wird ausgeschaltet. Ich trabe im langsamen Laufschritt kontinuierlich weiter und versuche, mich nicht zu sehr auf die sengende Hitze zu konzentrieren. Alles über 20 Grad ist für mich beim Sport ein echter Graus, aber es hilft ja nichts.
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Als ich kurze Zeit später wieder auf meine Laufuhr blicke, fängt mein Kopf an zu rattern und zu rechnen. Ich habe noch 1,5 Stunden Zeit für 400 Höhenmeter und gute 4 Kilometer. Dann kommt der Versorgungspunkt an dem alle, die bisher zu langsam waren, eingesammelt werden. Selbst wenn ich ab jetzt nur noch schnell gehe, dann sollte ich das problemlos hinbekommen. Mit der Gewissheit, meinen Angstgegner „Zeitlimit“ besiegen zu können, kehrt auch die Motivation zurück und ich fange an das zu haben, wofür ich eigentlich hier bin: Spaß. Nach 3 Stunden und 9 Minuten, 20 Kilometern und 1.000 Höhenmetern bin ich im Ziel angekommen. Glücklich, stolz und irgendwie beflügelt. Ich habe meinen ersten Trailrunning-Wettbewerb erfolgreich gemeistert – auch wenn ich bis vor wenigen Stunden nicht wirklich daran geglaubt habe. Cortina Skyrace 2016: Check!
Erfahrungsbericht Faszination Trailrunning: Gleich geht' los - Startschuss für das Cortina Skyrace (© airFreshing.com)  Erfahrungsbericht Faszination Trailrunning: Glücklich und stolz im Ziel angekommen - Cortina Skyrace 2016 (© airFreshing.com)

Neue Herausforderungen und ein Ziel fest vor Augen

Die eigentliche Idee für den Lauf in Italien entstand eher spontan und aus einer Laune heraus. Ich jogge  regelmäßig und gerne. In den Bergen bin ich wiederum in fast jeder freien Minute – egal ob beim Wandern, Skitouren gehen oder mit dem MTB. Warum also nicht die Leidenschaft für die Höhenmeter mit dem Laufen kombinieren. Vielleicht wird aus der Verbindung von zwei Dingen, die ich gerne mag, ja meine neue Lieblingssportart?
Zugegeben, anfangs stand ich dem Trailrunning doch etwas skeptisch gegenüber. Bei den meisten Läufern, denen ich bis dato in den Bergen begegnet war, sah das Ganze nicht wirklich nach Spaß aus. Wie man beim Rennen und Auspowern die Schönheit der Natur überhaupt noch wahrnehmen soll, war mir ohnehin ein Rätsel. Dennoch: Der Reiz war irgendwie da und ich war sowieso auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Als uns der Outdoorspezialist The North Face fragte, ob wir nicht Teil der neuen Community „Never Stop Munich“ werden möchten, führte eins zum anderen: Im Rahmen der wöchentlich stattfindenden „Mountain Athletics Trainingssessions“ können sich Frischluftfreunde kostenfrei und unter Anleitung eines professionellen Trainers auf ihr ganz persönliches #Trainfor Projekt vorbereiten. Eine echte Steilvorlage für mich, denn mit einem klaren Ziel vor Augen fällt es mir generell leichter, mich zu motivieren und zu fokussieren.
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Gesagt getan. Das eigentliche „Projekt“, für das es sich fit zu machen galt, war dank der Initiatoren dann wiederum recht schnell gefunden. Während ich anfangs noch niedrig stapelte und lediglich einen 10 Kilometer Berglauf anpeilte, stand dann plötzlich das Cortina Skyrace auf der Agenda. Das Auftaktrennen zum legendären Lavaredo Ultra Trail, bei dem The North Face als Hauptsponsor fungiert, wird seit 2014 veranstaltet. Austragungsort ist Cortina d’Ampezzo, eine beschauliche und vor allem bei Kletterern beliebte Gemeinde im Herzen der wunderschönen Dolomiten nahe der Drei Zinnen. Atemberaubende Landschaft und eine abwechslungsreiche Streckenführung kombiniert mit der Aussicht auf Pizza, Pasta und Prosecco nach getaner Arbeit – was will man mehr?! Die Motivation war hoch. Doch dann kam irgendwie alles etwas anders als ich es eigentlich geplant hatte.

Der Wettergott ist ein A****

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Neben den wöchentlichen „Mountain Atheltics Sessions“ mit Lauf-ABC, Stabilisierungs-Übungen und kleinen Gemeinheiten wie Burpees und Co. sah mein selbstauferlegter Trainingsplan vor, mindestens drei Mal pro Woche, 10 Kilometer laufen zu gehen. An den Wochenenden wollte ich wiederum meine normalen Ausflüge in die Berge unternehmen. Bergsteigen. Skitourengehen. Nur vielleicht mit ein bisschen mehr Speed als sonst. Drei Monate vor dem Rennen hatte ich mir vorgenommen, mit den ersten wirklichen Bergläufen zu beginnen. Soweit die Theorie.
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Der Wettergott war da allerdings irgendwie anderer Meinung. Anstatt in kurzen Hosen im Frühling über saftig grüne Almenwiesen zu laufen, stand bis weit in den Mai hüfthohes Spuren durch nassen Altschnee auf dem Programm. Meine eigentliche Freude am Laufen sank zudem mit jedem Sturzbachregen, der mich bei meinen Runden durch den Münchner Westpark erwischte, in Richtung Nullpunkt. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Rennen war meine Bilanz mehr als mager. Zwar hatte ich brav meine normalen Laufeinheiten absolviert, aber bis auf drei kurze, langsame Trails mit eingeschobenen Gehpausen hinauf zur Neureuth am Tegernsee sowie auf die Gipfel von Jochberg und Hörnle nahe meines Heimatorts Murnau konnte ich ansonsten keine weiteren Trailrunning-Punkte sammeln.
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Zu allem Überfluss kamen noch kleinere gesundheitliche Probleme hinzu. So gingen die neuen Sporteinlagen ausgerechnet auf dem Weg vom orthopädischen Medizintechniker zum Arzt verloren und die Pollenallergie gegen Frühblüher hatte sich mittlerweile auf den Weg in Richtung Lunge gemacht. Etwas desillusioniert blickte ich dementsprechend den 20 Kilometern von Cortina entgegen, die es schon bald zu meistern galt. Eine Zielzeit hatte ich mir daher gar nicht erst definiert. Durchhalten lautete meine  Devise und in weniger als den vorgegebenen 3 1/2 Stunden ankommen.

Wenn einen das Trailrunning-Fieber doch packt

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Mit einem etwas mulmigen Gefühl mache ich mich am Tag des Laufs frühmorgens um 6 Uhr auf in Richtung Italien. Eigentlich wollte ich schon am Vortag anreisen, aber mit meinem normalen Job ging sich das zeitlich einfach nicht aus. Dann eben um 5 Uhr raus aus den Federn, die mentale Stütze in Form meiner lieben Freundin Julia eingepackt, Kaffee und Frühstück besorgt und rein ins Auto. Ein letztes Mal werfe ich dabei einen Blick auf die Wetter-App. Noch vor wenigen Tagen hatte sie 17 Grad und leichten Regen vorhergesagt. Doch das sieht mittlerweile komplett anders aus und es werden 30 Grad und wolkenloser Himmel erwartet. Für mich als Schattenläufer und Winterkind der blanke Horror. Lieber laufe ich zwei Stunden in strömendem Regen als 5 Kilometer bei Temperaturen jenseits der 20 Grad-Marke. Aber sich über das Wetter zu beschweren ist nun einmal genauso sinn- und zwecklos wie sich darüber aufzuregen, warum die Bahn zu spät ist oder das Rad schon wieder einen Platten hat. Man muss es einfach so hinnehmen wie es kommt. Und für einen Rückzug aus meinem Projekt ist es ohnehin schon zu spät. Mein Ehrgeiz ist geweckt und spätestens mit der Einfahrt nach Cortina d’Ampezzo wird mir klar, dass ich definitiv alles geben werde.
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Kurz vor dem Startschuss denke ich nochmals an die Worte meiner Lieblingsathletin Tamara Lunger, die uns in einem Interview wenige Tage zuvor ein paar Tipps für Trailrunning-Einsteiger gegeben hat: „1. Man muss es wollen. 2. Einfach rausgehen, laufen, spielen und sich austoben und die Natur genießen“. Punkt 1 kann ich direkt abhaken. Der Wille ist da. Punkt 2 fällt mir während der ersten Kilometer nicht gerade leicht. Zu sehr ist mein Kopf fokussiert auf die Temperaturen und das blöde Zeitlimit. Doch in dem Moment, in dem mir bewusst wird, dass ich es schaffen kann, tritt genau das ein, von dem Tamara gesprochen hat. Ich genieße es zu laufen. Die flowigen Trails werden zu meiner Spielwiese. Meine Augen und mein Gemüt sind wieder offen für die Schönheit der majestätischen Berge, die Blumen am Wegesrand und die herzlichen Italiener, welche die Läufer entlang der Strecke unermüdlich anfeuern. Gerade die letzten Meter vor dem Zieleinlauf entlang der Hauptstraße von Cortina machen mir wie schon auf der gesamten Strecke zuvor bewusst, dass es wahrscheinlich keinen schöneren Lauf geben könnte, um sich vom Trailrunning-Fieber anstecken zu lassen. Ein Eindruck, der sich tags darauf umso mehr bestätigt, als über 1.500 Verrückte um 23 Uhr auf die 119 Kilometer lange Distanz des eigentlichen Lavaredo Ultra Trails starten und ganz Cortina auf den Beinen ist, um sie lauthals anzufeuern.
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Der Weg ist das Ziel – so blöd es auch klingen mag

Das persönliche Fazit meines ersten Trailruns: Ein Ziel zu erreichen, das man sich gesetzt hat, beflügelt ungemein. Auch wenn mir die 20 Kilometer, die ich als wirklich große Herausforderung gesehen habe, beim Start der langen Distanzen im ersten Moment beinahe lächerlich vorgekommen sind – mit etwas Abstand sehe ich das wieder ein Stück weit anders. Denn es geht nicht darum, sich zu vergleichen oder immer mehr zu leisten. Es ist vollkommen egal, ob man 10 Kilometer in der Ebene durchhalten möchte, sich vornimmt einen 6.000er zu bezwingen oder einfach nur einer neuen Sportart eine echte Chance geben will.
Erfahrungsbericht Faszination Trailrunning: Beim Start der 119 km des The North Face Lavaredo Ultra Trails ist ganz Cortina auf den Beinen (© The North Face Lavaredo Ultra Trail 2016)
Das Wichtigste ist und bleibt, dass man Spaß hat bei dem was man tut. Dabei wird es immer wieder Phasen geben, in denen es vielleicht nicht so gut läuft und man sich durch irgendetwas entmutigen lässt. Aber gerade auf eben jene Momente blickt man mit einem umso größeren Lächeln zurück, wenn man ein Erfolgserlebnis im Rücken hat. Und eines steht schon fest: Im nächsten Jahr werde ich mich auf jeden Fall am Cortina Trail mit seinen 47 Kilometern versuchen. Dann allerdings, ohne das vorgegebene Zeitlimit ständig im Kopf zu haben. Dafür umso mehr die wunderbare Natur zu genießen und es einfach laufen zu lassen – und bergauf vielleicht ein bisschen zu fluchen.
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Gerne möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bei The North Face für die Unterstützung bedanken. Insbesondere bei Marie Meixner, die selbst passionierte Trailrunnerin ist und mich erst auf die Idee zum Rennen gebracht hat.  Ein großes Dankeschön auch an meine liebe Freundin und Begleitung Julia, die für gute Laune sorgte, einen kleinen Fanclub für meinen Zieleinlauf organisierte  und sich bei meiner persönlichen Siegesfeier einmal mehr als bester Aperol Spritz-Partner der Welt erwies.