Interview – Huberbuam: Zwischen Himmel und Hölle am Mt. Asgard in Nordkanada

von | 10. Juli 2014 | Allgemein, Interviews und Potraits, News (Winter), Outdoornews

Die bayerischen Urgesteine Alexander und Thomas Huber – besser bekannt als Die Huberbuam – fühlen sich in den Bergen am wohlsten und klettern weltweit die schwersten Routen. So auch die „Bavarian Direct“ auf Baffin Island, die 1996 erstbegegangen aber noch nie im Freikletterstil komplett bezwungen wurde. Eine Herausforderung wie gemacht für die ambitionierten Profisportler aus Berchtesgaden. 2012 war es dann soweit und die beiden Brüder brachen zur fünftgrößten Insel dieser Welt auf, die sogar noch größer als Deutschland ist. Gerade einmal 11.000 Menschen (Inuit – Ureinwohner) leben dort. Der Mt. Asgard (2015m) bietet eine von mehreren Steilwänden (Big Walls), die im Auyuittuq-Nationalpark auf engstem Raum beieinander stehen. Doch Expeditionen sind in der Einöde Nordkanadas äußerst selten und anders als in anderen Gebieten dieser Erde stößt man hier eher auf Desinteresse statt auf große Euphorie.

Die Huberbuam im unermüdlichen Kampf mit den Naturgewalten

Auf den ersten Blick scheint diese Wand absolut unkletterbar – kleine Griffe und mental äußerst anspruchsvoll. „Die Grenze von machbar und nicht mehr möglich ist am Mt. Asgard sehr sehr dünn“ schwärmt Thomas Huber förmlich. In ihrem freien Aufstieg orientieren sich die Profi-Kletterer daher so nahe wie möglich an der Orignalroute von 1996und integrieren Variationen lediglich dort, wo es der Freikletterstil erfordert. Aufgrund der unstabilen Wetterlage, die ihnen mitunter Schnee bescherte, konnten sie die Route jedoch nicht wie geplant in einem Stück klettern.

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Nach zahlreichen Versuchen und mehreren Tagen, gelingt ihnen schließlich der Durchstieg an der 700 Meter hohen, senkrechten Wand bis zum Gipfel und stehen nach 31 zermürbenden Tagen schließlich am 9. August 2012 auf der südlichen Spitze des mystischen Bergmonolithen: Das schöne an solch einer Expedition ist ja eigentlich die Ungewissheit über deren Ausgang. Denn würden wir von Anfang an wissen, dass alles klappt, wäre es doch schon wieder langweilig“ ist sich Alexander Huber sicher.
Unser Fazit: Seit Mai 2014 ist das verfilmte Abenteuer als DVD und Blueray im Handel erhältlich. Maritim Pictures veröffentlichte die hautnah abgedrehte Doku von Red Bull Media House: „DIE HUBERBUAM – CLOSE CALL WITH MOUNT ASGARD“. Wir haben ihn gesehen und gehörig mitgefiebert. Zwar weißt der Film an manchen Stellen ein paar Längen auf und ist mit einer aufwendigen Kinoproduktion wie David Lamas „Cerro Torre – Nicht den Hauch einer Chance“ nicht zu vergleichen. Dafür aber gewährt er einen sensiblen Einblick in die Seelen der Kletterbrüder und deren ungebrochene Leidenschaft für alpinistische Heausforderungen.

Interview mit den Huberbuam:

Thomas und Alexander Huber gehören zu den besten Alpin- und Extremkletterern der Welt und sind spätestens seit ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm „Am Limit“ auch jedem Normalbürger in Deutschland ein Begriff. Nicht nur ihr erfolgreicher Speedrekord-Versuch an der Nose am El Capitan im Yosemite Valley in den USA zeigte eindrucksvoll, wie ruhe- und rastlos die beiden Brüder sind. Mit ein Grund, warum man sie äußerst selten daheim im Berchtesgadener Land antrifft, aber dennoch durften wir ihnen zu ihrer Expedition am Mt. Asgard ein paar Fragen stellen.

Hallo Thomas, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurer erfolgreichen Durchsteigung der Big Wall des Mt. Asgard. Hast du den surrealen Moment des Gipfelsturms von 2012 inzwischen verarbeitet?
So einen Moment kann und muss man nicht verarbeiten weil sind bleibende Eindrücke. Es ist ein Reichtum für unser Seele!

Wann hattet ihr Mt. Asgard eigentlich entdeckt bzw. das erste Mal diese unglaubliche Steilwand in Augenschein genommen?
Freunde von uns haben die Route am Mt. Asgard Route vor über 20 Jahren erstbegangen und sprachen damals von bester Felsqualität und die Möglichkeit, einmal am Ende der Welt freizuklettern. Unser Focus lag aber bisher mehr in den USA oder im Karakorum, sodass wir das Abenteuer am Mt. Asgard aus den Augen verloren. Es war ein belgisches Team, dass irgendwo am Mount Asgard freiklettern wollte und landete schließlich am perfekten Granitpfeiler der „Bayrischen Direttissima“ . Ihr Abenteuer war perfekt: Sie kletterten bis auf einen Meter alles frei und drehten einen coolen, inspirierenden Film. Und uns war sofort klar, diesen Meter holen wir uns, machen die Geschichte fertig und retten die bayrische Ehre!

Logistisch ist es in dieser Einöde schon eine Meisterleistung, eine Expedition zu realiseren. Wie plant man solch eine Unternehmung überhaupt und wieviele Kilos an Gepäck, Essen und Ausrüstung musstet ihr letztendlich selbst bis zum Basecamp schleppen? 
Wir hatten schon im Winter ca. 200 kg Material von einem Inuit mithilfe eines Motorschlittens zum Turnergletscher transportieren lassen. Drei Monate später erreichten wir schließlich unser Material Depot, nachdem wir einen 50km langen Anmarsch mit schwer bepackten Rucksäcken hinter uns gebracht hatten. Wäre kein Kamerateam dabei gewesen, hätten wir die Strecke sicher mehrmals absolvieren müssen, um die gesamte Ausrüstung ins Basislager zu schleppen. Aber durch den ganzen Mehraufwand und dem technischen Equipment unserer Filmcrew kam sogar ein Helikopter zum Einsatz.

Welche Eventualitäten musstet ihr in solch einer Abgeschiedenheit mit einkalkulieren? Und was ist eigentlich, wenn doch einmal etwas passiert?
Der größte Unsicherheitsfaktor auf Baffin Island sind in erster Linie die Eisbären. Hätte ein hungriger Bär die Witterung unseres Basislagers aufgenommen, dann wär`s mit Sicherheit direkt vorbei gewesen. Ansonsten ist es wie immer, wenn man ein Abenteuer in der Abgeschiedenheit durchzieht: Ideaerweise passiert nichts. Und wenn, dann sind alle gefordert, alles zu einem guten Ende zu bringen.

Ziel ist es, die Big Wall ohne technische Hilfsmittel und möglichst sturzfrei zu durchklettern – wie darf man sich das vorstellen bzw. was ist der Unterschied gegenüber der Erstbegehung von 1996?
Dank unserer Vorgänger verfügten wir schon über sehr viel Vorwissen. Weshalb wir die Linie schon kannten und über die Gefahren im unteren Teil bereits Bescheid wussten. Unser Fokus lag also erst einmal darin, alles zu klettern, was das belgische Team geschafft hatte. Und wollten dann obendrauf noch die von ihnen nicht gekletterte Seillänge durchziehen.

Was war am Ende gefährlicher – das Klettern an sich oder der vermutlich durch die klimatischen Bedingungen verursachte Steinschlag?
Der gefährlichste Teil der Expedition beschränkte sich auf zwei Stunden, in denen wir das erste Mal durch das Couloir auf die Terrasse kletterten. In diesem Moment war nichts kalkulierbar. Hier mussten wir uns voll und ganz auf unser Bauchgefühl verlassen, einfach schnell vorankommen und auf jeden Fall einen Weg suchen bzw. finden, der wirklich sicherer ist. Wir fixierten daraufhin den kompakten Pfeiler direkt auf die Terrasse und hatten dadurch letztendlich einen sicheren Zustieg zur Wand. Diese war extrem, schwierig und manchmal durch die wirklich weiten Hakenabstände etwas furchteinflößend – aber zu jeder Zeit sicher.

Wieviele Tage „übt“ man durchschnittlich an so einer Big Wall und sucht die ideale Linie, bevor man zum eigentlichen Direktdurchstieg ansetzt?
Es dauerte so etwa 5 Tage, da hatten wir schon einen guten Plan. Am Ende entschieden wir uns aufgrund der anspruchsvollen und harten Kletterei zu einem „Team Free Ascent“. Soll heißen: Jede Seillänge wird von einem Teammitglied Rotpunkt geklettert. Der Nachsteiger steigt anschließend an den Steigklemmen auf. Im schwierigen Wandteil sind wir dann abwechselnd die Seillängen geklettert und im oberen, leichteren Bereich blockweise vorgestiegen. So hat jeder an seiner Seillänge gearbeitet und wenn man dann so weit war, konnte es endlich losgehen. Das war sehr effizient und musste auch so sein, da die kletterbaren Tage schon wetterbedingt sehr begrenzt waren.

Ganze 31 Tage habt ihr auf Baffin Island zugebracht, ab wann haben sich selbst sehr vertraute Brüder eigentlich nichts mehr zu sagen?
Da gabt es immer wieder Momente im Basislager, in denen die Nerven wirklich blank lagen. Vor allem dann, als ich mehrmals an „dieser einen“ Seillänge scheiterte. Oder als das Wetter am Ende nicht mehr mitspielen wollte. Aber immer wenn wir wieder am Berg waren, haben wir gemeinsam gekämpft und es dank unserer „Bruderkraft“ am Ende auch geschafft, den Gipfel des Mount Asgard zu erreichen – ein perfekter fast schon surrealer Moment.