Oft ist es nur ein Wimpernschlag, eine Sekunde, ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit – und doch ist es genau dieser entscheidende Moment, der das komplette Leben auf den Kopf stellen kann. Veit vom airFreshing-Team erlebte solch eine Situation zum Glück nicht, erzählt aber in seinem persönlichen Erfahrungsbericht über einen relativ glimpflich ausgegangenen Bergunfall im Januar.
Eiskalt erwischt in tief verschneiter Winterlandschaft
Scheiße – beschreibt meinen ersten und einzigen Gedanken wohl am besten, nachdem ich ziemlich unsaft auf dem vereisten Wanderweg gelandet war. Wir befanden uns gerade auf dem Rückweg vom Anton-Schuster-Haus in den Ammergauer Alpen, wobei sich der am Vortag aufgeweichte Schnee über Nacht in eine einzige Rutschbahn verwandelt hatte. Als alter Basketballer mit lädierten Bändern bin ich es durchaus gewohnt, dass ich relativ schnell ins Straucheln gerate. Aber diesmal musste wohl doch etwas Schlimmeres passiert sein, zumindest hatte ich sofort ein ziemlich komisches Bauchgefühl. „So, das war’s. Ich steh heute garantiert nicht mehr auf“ waren denn auch meine ersten Worte, nachdem ich die Schmerzen in die verschneite Landschaft hinausgebrüllt hatte. Und ich sollte Recht behalten. Doch erst einmal musste ich den Berg runterkommen. Aus eigener Kraft? Aussichtslos. Blieb nur der Griff zum Telefon. Gottseidank hatte ich Empfang, trotz E-Plus. Wie war doch gleich die Nummer von der Bergwacht? Ahja, die 115. Niemand erreichbar. Gut, dann halt die 112. Endlich, die Notrufzentrale. Keine halbe Stunde später standen die Jungs von der Bergwacht neben mir und schauten mit mitleidiger Miene auf mich herunter, der mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden kauerte. „Mensch Junge, was machste denn? Unser Mittagessen wartet doch schon auf uns!“ wurde herzlich gescherzt. Doch mir war eher zum Weinen anstatt zum Lachen zumute. Und als nun auch noch das Adrenalin im Körper der durch den Bruch verursachten Übelkeit wich, verabschiedete sich mein Kreislauf vollends ins Tal.
Glatter Durchbruch für die eigene Unachtsamkeit
Mit viel Mühe hoben die beiden Bergwachtler mich schließlich nach 30 Minuten mithilfe einer Vakuum-Matratze in den mit Schneeketten ausgestatteten Allrad-Jeep, mit dem sie bis zur Unfallstelle den Berg rückwärts hinaufgefahren waren. Zum Glück war ich an einer leicht zugänglichen Stelle gestürzt sodass die Bergung ohne größere Probleme vonstatten ging. Im Fall einer Rettung per Hubschrauber wäre die kleine Unachtsamkeit für mich ziemlich teuer geworden, hatte ich doch erst einen Monat zuvor meine Mitgliedschaft beim Deutschen Alpenverein (DAV) und damit auch meine Versicherung für die weltweite Bergrettung gekündigt. Die DAV Sektion Bergland, in die ich neu eintreten wollte, lag mir nun sozusagen direkt zu Füßen. Manchmal nimmt das Schicksal doch schon recht zynische Züge an. Am Wanderparkplatz wartete auch schon der Krankenwagen, der mich ins Unfallklinikum (BGU) nach Murnau fahren sollte – der Spezialklinik für Sport- und Bergunfälle im Alpenraum. Die Diagnose nach kurzer Behandlung: ein glatter Knochenbruch am Sprunggelenk, sofortige Operation empehlenswert. Da an ein Wegrennen kaum zu denken war, fügte ich mich meinem Schicksal. Scheiße – war denn auch der letzte Gedanke bevor ich die Augen schloss und in den OP geschoben wurde. Was ein Tag und gute Nacht.
Vom Bergmensch zum Treppenkraxler und zurück
Guten Morgen liebe Knochenplatte, hello ihr sechs Schrauben. Schon nach einer Stunde wollte ich am liebsten gleich wieder aufstehen und loslaufen. Allein beim Anblick des weiß gepuderten Gipfelgrats des Heimgartens machte sich Wehmut breit und juckte es mir gewaltig in den Füßen. Zum Glück durfte ich bereits nach drei Tagen das Krankenhaus wieder verlassen – auf Krücken und mit einer Art „Wanderschuh für Superhelden“ sowie Thrombosespritzen bewaffnet. In diesem Moment ist man sich noch längst nicht bewusst darüber, was in den kommenden 6 Wochen noch so alles auf einen zukommen wird. Auftreten? Fehlanzeige. Duschen? Nur im Prima-Ballerinamodus. Soll heißen, ein Bein stets raushalten, damit die Wunde nicht nass wird. Allein durch solche Übungen wächst die Wadenmuskulatur des unversehrten Beins, während das verletzte mit jedem Tag an Umfang verliert. Aber da muss man durch. Geduld ist für fast jeden Sportler die wohl größte Herausforderung, zumindest weiß ich für meinen Teil davon zu berichten. Und um dem Ganzen noch etwas Positives abzugewinnen, die durch das Krückenlaufen aufgebaute Rückenmuskulatur dürfte beim nächsten Termin in der Boulderhalle doch so manchen Griff zum Kinderspiel machen.
Was allerdings viel schwerer wiegt, ist die Unselbständigkeit, mit der jeder Betroffene durch solch eine Verletzung gezwungenermaßen konfrontiert wird. Da wird allein das Herübertragen einer Kaffeetasse in den nächsten Raum zum nervenaufreibenden Unterfangen und das Treppensteigen mit Krücken zur schweißtreibenden Kraxelei. Anstatt mit Wanderschuhen und Testberichten schlage ich mich seitdem mit Begriffen wie Lymphddrainage, Verplattung und Weber-B-Fraktur herum. Doch trotz leichtem Lagerkoller geht es mir erstaunlich gut und kann es kaum erwarten, endlich wieder die Berge hinaufzukraxeln. Im Nachhinein betrachtet, bin ich sogar fast schon froh, dass ich mir „nur“ das Sprungelenk gebrochen habe. Denn irgendetwas hat mein Denken verändert und das wieder in den Fokus gestellt, was wir Menschen und vor allem wir Frischluftfanatiker leider allzu oft aus den Augen verlieren: Das Bewusstsein dafür, wie wertvoll doch die eigene Gesundheit ist. In diesem Sinne, passt auf eure Haxn auf und denkt immer dran: Safety first!