Am 7. Juni 1970 fiel um 7 Uhr morgens erstmals der Startschuss für den 50. Ebbser Koasamarsch. Damals wie heute wanderten die Teilnehmer bei sonnigem Wetter gemeinsam ins Kaisergebirge. 50 Jahre später hat die Veranstaltung an ihrem ursprünglichen Charme noch immer nichts verloren und zieht nach wie vor unzählige Outdoorsportler ins Kufsteiner Land. Lediglich die Trailrunning Disziplin kam über die Jahre mit dazu. Doch beliebt ist der Outdoor-Event nicht nur wegen seiner landschaftlichen Reize und der verschiedenen Routen für Einsteiger und ambitionierte Hobby- oder Profisportler.
Auch die gute Stimmung vor Ort und die herzliche Organisation tragen dazu bei, dass der Event alles andere als in die Jahre gekommen ist. Grund genug, das 50. Jubiläum mit einer Spezialausgabe gebührend zu feiern. Veit vom aF-Team war dabei und hat auf der 52 Kilometer langen „Jubiläumsstrecke“ sein goldenes Wunder erlebt. Warum er das Ziel nur dank eines unterwegs aufgelesenen Laufbuddies erreichte, erfahrt ihr in seinem Eventbericht.
In der Ruhe liegt die Kraft – und die Müdigkeit vor dem Start
Ob sich die Wandersportler vor 50 Jahren auch so aus den Federn gequält haben? Vermutlich nicht, denn damals herrschten ganz bestimmt nicht solche tropischen Temperaturen und rauben einem den Schlaf. Es ist 4:30 Uhr und ich fühle mich wie ein 50-Jähriger Bergarbeiter, der zur Frühschicht muss. Müde reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und schwanke etwas benommen bei den ersten Schritten. Wenn es so weitergeht, kann ich die 52 Kilometer Distanz mit ihren gut 3.250 Höhenmetern direkt abhaken. Ob es wirklich so eine gute Idee war, sich für die Jubiläumsstrecke beim Ebbser Koasamarsch anzumelden?
Aber so ein Jubiläum findet nun einmal nicht alle Tage statt, weshalb ich dann doch nach einer eiskalten Dusche, einer Tasse Kaffee und ein paar Haferflocken in Richtung Kaisergebirge im Auto sitze. Dort angekommen fällt sofort auf, dass alles extrem entspannt zugeht. Keiner hetzt aufgeregt durch die Gassen, um sich kurzfristig noch anzumelden oder letzte Vorkehrungen für den eigenen Start zu treffen. Fast schon gespenstig ruhig. So verwundert es nicht, dass auch das Race-Briefing vor dem Start in aller Stille abgehalten wird. Das lauteste Geräusch an diesem Morgen ist der laute und schnell verhallende Knall der Startpistole um 7 Uhr in der Früh, der vermutlich so manchen Ebbser endgültig aus den Federn gerissen hat.
Sieben Strecken auf einen Streich – Trailrunning und Wandern Ebbser Koasamarsch
Neben vier Wanderstrecken mit Distanzen zwischen 5 und 33 km gibt es wie bereits in den letzten Jahren auch den Koasa Classic Run mit einer Distanz von 33 Kilometern und 1.730 Höhenmetern sowie den Koasa Halbmarathon mit 21,1 Kilometern und 1.000 Höhenmetern. Ich starte selbst beim heuer einmalig stattfindenden KOASA-Jubiläums-Ultralauf, der mich einmal quer durch das Kaisergebirge und das Kufsteinerland führen wird. Zugegeben, etwas blauäugig war ich dann doch mit meiner Zusage für eine Teilnahme. Denn erst kurz vor dem Start wurde mir bewusst, was für eine anspruchsvolle Topo überhaupt vor mir liegt. Stellt sich nun die eine Frage: Ist das nun gut oder schlecht!?
Mit einem doch recht mulmigen Gefühl trabe ich im gemütlichen Tempo los und der sich schnell absetzenden Führungsgruppe um Benni Bublak und Michael Geisler hinterher. Es ist schwülwarm und der Asphalt hinauf zur ersten Labestation hat sich über Nacht kaum abgekühlt. Entsprechend schnell gerate ich ins Schwitzen und pumpe bereits nach wenigen Höhenmetern wie ein Maikäfer.
Über einen „kleinen Schlenker“ quer durchs kaiserliche Alpenvorland oberhalb von Ebbs geht’s rund 8 Kilometer konstant an Höhe zulegend in Richtung Berge. Immer im Gleichschritt mit der späteren Siegerin Marie-Luise Mühlhuber, an deren Fersen ich mich mit gebührendem Respekt hefte. Doch bereits beim ersten Downhill war sie schon davon geflogen und ich sollte sie erst im Ziel wiedersehen.
Die erste Herausforderung ist der knackige Anstieg über den schmalen Musikantensteig hinauf zur Vorderkaiserfelden Hütte. Bereits hier stoßen wir auf zahlreiche Wandersleute, die sich ebenfalls nach oben kämpfen und den schnelleren Trailrunnern mehr oder weniger bereitwillig Platz machen. Nach knapp 800 Höhenmetern sagt mir mein Kreislauf, dass die von mir ursprünglich prognostizierten 8 Stunden bis zum Ziel kaum zu schaffen sein dürften. Und ich sollte definitiv Recht behalten.
Der Weg ist das … kann mich mal kreuzweise!!!
Der Wille ist zwar (noch) ungebrochen, aber der Körper sagt bereits jetzt, dass er bei solch klimatischen Bedingungen kaum zu Höchstleistungen aufgelegt sein wird. Glücklicherweise folgen dem strammen Anstieg wunderbar flowige und weitestgehend auf einer Höhe verlaufende Trails – immer mit Blick auf die felsige Nordseite des Wilden Kaisers. Leider müssen dabei immer wieder ein paar wandernde Teilnehmer überholt werden, die mit zunehmend genervter Miene den Weg frei machen.
Nach ein paar Schuttreißen und einem zweiten größeren Anstieg liegt der Zahme Kaiser hinter mir und schon bald ist das erste große Etappenziel erreicht. 21 Kilometer und rund 1.800 Höhenmeter sagt mir meine Uhr auf dem Stripsenjochhaus. Noch nicht einmal die Hälfte der Strecke und der Körper macht allmählich schlapp. Steil geht’s von hier nur noch bergab bis zum Hinterbärenbad – allerdings mit teils verblockten Trails, weshalb an „Laufenlassen“ kaum zu denken ist.
Im Talkessel angekommen, schreien die Oberschenkel förmlich vor Laktatüberschuss und der Kopf nach einer dringend benötigten Erfrischung. Während die kürzeren Distanzen ab hier wieder in Richtung Ebbs rechts abdrehen, geht es für die Jubiläumsläufer linker Hand erneut den Berg hinauf in Richtung Bettlersteig. Da dieser aktuell wegen der Winterschäden jedoch gesperrt ist, muss ein kleiner Umweg in Kauf genommen werden. Der Aufstieg in der schwülwarmen Hitze des Taleinschnitts sorgt für erste Zweifel und die körperliche Erschöpfung macht sich in Form von Übelkeit bemerkbar.
Knapp 35 Kilometer und gut 5 Stunden lese ich von meiner Uhr ab, als ich die Labestation der Kaindlalm erreicht habe. Ungläubig schaue ich die dortigen Helfer an, als sie mir jedoch offenbaren, dass gerade einmal 32 Kilometer hinter mir liegen. Ok, damit ist klar, heute wird es definitiv reine Kopfsache. Immerhin kühlt sich die Luft in der Höhe etwas ab, leichte Schauer setzen ein und der Himmel trübt sich in bedrohliches Schwarz. Donnergrollen rumpelt in der Ferne, der Wind frischt zunehmend auf und Gewitter kündigt sich an.
Is cool määäään – immer schön kühlen Kopf bewahren!
Weiter geht’s. Quer durchs Kufsteiner Land, über Stock und Stein, immer entlang zauberhafter Trails. Auf halbem Weg lese ich Moritz auf, der aufgrund eines Muskelkrampfs schmerzverzerrt am Wegesrand stehen bleibt. Nachdem ich ihn mit einer Ladung Magnesium versorgt habe, beschließen wir, die restliche Strecke gemeinsam weiterzulaufen. So kämpfen wir uns von dort an mit zunehmender Erschöpfung weiter. Regelmäßig stecken wir die Köpfe in kleine Wasserquellen und genießen die kurze, aber intensive Erfrischung. Längst ist es egal, wann wir ankommen.
Hauptsache wir kommen überhaupt an. Nach und nach tauchen hinter uns weitere Teilnehmer auf, denen wir bereitwillig und irgendwie doch auch desillusioniert Platz machen. Aber irgendwie soll es heute nicht sein. Dennoch schaffen wir es dann doch, uns gegenseitig immer wieder zu motivieren. 12 Kilometer vor dem Ziel überwiegen jedoch die Zweifel und wir sind Beide kurz davor, einfach alles hinzuschmeißen und aufzugeben. Hätten wir uns jetzt einander nicht gut zugeredet, wäre spätestens bei den beiden letzten Anstiegen zur Duxer Alm und zum Kufsteiner Panoramaweg Schluss gewesen. Eher stolpernd geht es zurück ins Inntal. Wo wir überraschend entspannt die finalen 6 Kilometer auf flacher Ebene nach Ebbs zurücklegen.
So sieht also der berühmt-berüchtigte „FLOW“ aus. Die schwüle Hitze drückt erbarmungslos und unsere Gedanken kreisen nur noch um ein eiskaltes alkoholfreies Bier. Ein Blick auf die Uhr spornt uns noch einmal zu einem letzten Kraftakt an. Vielleicht schaffen wir ja wenigstens noch die 10:30er Marke. Das wären rund 2 1/2 Stunden mehr als ursprünglich anvisiert, aber egal. Nach tatsächlichen 55 Kilometern auf der Uhr erreichen wir schließlich das Ziel.
Und fallen uns völlig ausgelaugt, aber überglücklich in die Arme und gratulieren uns gegenseitig zum erfolgreich absolvierten Gewaltmarsch. Stolz sind wir weniger über die Zeit, sondern vielmehr darüber, dass wir uns durchgebissen haben – gemeinsam und als spontane Laufbuddies. Spätestens jetzt ist uns klar, wieso das alljährliche Motto lautet: „Zach owa geil!“.
Das aF-Fazit von Veit: Ganz viel Herzblut und wenige Kritikpunkte.
Die Organisatoren des Koasamarsch haben ganze Arbeit geleistet und mit viel Herzblut einen Jubiläumslauf auf die Beine gestellt, der sich landschaftlich wie auch sportlich absolut nicht zu verstecken braucht. Besonders hervorheben möchte ich dabei die stets gutgelaunten Helfer, die immer einen lockeren Spruch auf der Zunge und jeden Teilnehmer gleichermaßen angefeuert haben. Angenehm empfand ich auch die unaufgeregte Art des Events, wobei ich mir entlang der Strecke oder im Ziel dann doch an neuralgischen Punkten etwas mehr Stimmung erwartet hätte. Die Bewohner von Ebbs waren regelrecht unsichtbar.
Kritisch beurteile ich hingegen die Ausgabe von Plastikbechern, was in Zeiten von Nachhaltigkeit und Co. in meinen Augen keine adäquate Lösung mehr ist. Hier sollte unbedingt auf mitzutragende Lösungen gesetzt werden. Mir persönlich gefällt zwar der Gedanke, dass Trailrunner und Wanderer auf einer Strecke unterwegs sind, aber schlussendlich kommt man sich dadurch zwangsläufig irdendwann in die Quere und so mancher Wandersportler dürfte spätestens nach dem 20.ten Läufer etwas genervt sein.
Als problemlatisch ist auch die Zielversorgung zu beurteilen, die leider diesmal recht dürftig ausfiel. Diese ist eigentlich in erster Linie den Trailrunner vorbehalten, allerdings bedienen sich laut Veranstalter auch viele Wanderer an den reich gedeckten Tischen und lassen das ein oder andere Schmankerl sogar im Rucksack als Wegproviant verschwinden. Allerdings lernen auch die Verantwortlichen stetig dazu, weshalb sie zu den oben genannten Punkten durchaus Optimierungen anstreben.
50. Ebbser Koasamarsch – die wichtigsten Zahlen und die Sieger
Zum 50. Mal lockte der Ebbser Koasamarsch am 15. Juni 2019 insgesamt 1.250 Wanderer und Trailrunner aus 24 Nationen ins Kufsteiner Land. Je nach Leistungsniveau tobten sich die 729 Wanderer und 518 Laufsportler auf insgesamt sieben abwechslungsreichen Distanzen aus. Mit einer beeindruckenden Siegerzeit von sagenhaften 6 Stunden und 19 Minuten entschied Moritz Auf der Heide das Rennen für sich, dicht gefolgt vom Wahl-Kufsteiner Benni Bublak.
Den dritten Platz ergatterte sich Marian Staller, der 2017 den KOASA-Classic Run gewinnen konnte. Bei den Damen hatte die Tirolerin Marie-Luise Mühlhuber die Nase vorn. Ihr folgten Esther Fellhofer und die Polin Julia Slowik aufs Podest.
KOASA-Jubiläums-Ultralauf – Herren:
1. Moritz Auf der Heide, GER, LAZ Puma Rhein Sieg, 6:19:25
2. Benjamin Bublak, AUT, Adidas Terrex, 6:24:03
3. Marian Staller, AUT, LC Sport Ossi, 6:46:51
KOASA-Jubiläums-Ultralauf – Damen:
1. Marie-Luise Mühlhuber, AUT, TEAM BRANDSTORE.TIROL, 8:07:35
2. Esther Fellhofer, AUT, SC LT Breitenbach, 8:41:08
3. Julia Slowik, PL, POLski, 9:14:13
KOASA-Classic Run – Herren:
1. Adrian Niski, GER, Adidas Terrex, 3:30:24
2. Felix Pförtner, GER, 3:31:19
3. Manuel Zorn, AUT, Team Serles, 3:36:40
KOASA-Classic Run – Damen:
1. Kordula Mairhofer, AUT, LC Basecamp Wipptal, 4:42:59
2. Aleksandra Golicz, PL, LC Niederwiess Kössen, 4:43:11
3. Jurga Ralyte, LTU, 4:47:16
KOASA-Halbmarathon – Herren:
1. Dominik Matt, AUT, Matt Gruppe, 1:50:09
2. Andreas Dürr, AUT, 1:53:17
3. Matthias Pernicka, GER, Triathlon Karlsfeld / 1 Gazelle, 1:55:41
KOASA-Halbmarathon – Damen:
1. Amelie Gugglberger, GER, PTSV Rosenheim, 1:59:09
2. Stefanie Antony, AUT, 2:06:56
3. Meg Lane, GER, 2:08:46