Eventbericht – Großglockner Ultra Trail 2017: Rekordzeiten am laufenden Band und sportlicher (Über)Ehrgeiz beim GGUT

von | 31. Juli 2017 | Eventberichte, Events

Trailrunning – was früher noch als Wald-, Wiesen- und Geländelauf belächelt wurde, hat sich inzwischen zu einem wahren Massensport entwickelt. Das beweist auch das Phänomen des Großglockner Ultra Trail (GGUT), der sich innerhalb von nur drei Jahren zu einer festen Größe in diesem Bereich gemausert hat. Waren es im ersten Jahr noch knapp 500 Teilnehmer, rannten nur zwölf Monate später bereits mehr als 800 Läufer um den höchsten Berg von Österreich.

In diesem Jahr waren es dann sogar fast 1.200 ambitionierte Hobbysportler und versierte Profis aus 36 Nationen, die sich entweder auf der Ultradistanz als Einzelkämpfer oder in der Staffel ganze 110km weit schleppten bzw. sich beim Glockner Trail mit 50km oder beim Weissee Gletscherwelt Trail mit 30km die Füße wund laufen mussten.

Eventbericht - Großglockner Ultra Trail 2017: Rekordzeiten am laufenden Band und sportlicher (Über)Ehrgeiz beim GGUT

Doch was ist eigentlich so besonders an diesem Trail-Event, der von Dynafit als Hauptsponsor erstmals 2015 ins Leben gerufen wurde und der vom Start weg als DIE Instanz im Ultratrail-Bereich gilt? Was bewegt Menschen dazu, sich über solche Distanzen und über zum Teil 6.500 Höhenmeter hinweg bei Hitze, Gewitter und sogar nachts durch die Berge zu quälen?

Veit vom aF-Team hat die Herausforderung der anspruchsvollen 50km Strecke selbst angenommen, um dem Mythos auf den Zahn zu fühlen und um sich damit den lang gehegten Traum vom Marathon zu erfüllen. Was am Ende bleibt, ist eine geniale Erfahrung und das Wissen, dass die eigenen sportliche Ziele nicht über den Ethos einer Läuferschaft gestellt werden sollten.

50km und 2.000 Höhenmeter quer durch Österreichs Bergwelt

Morgens um 4 Uhr klingelt in Kaprun der Wecker und reißt Harry von „auffi muas i“ und mich lieblos aus dem Tiefschlaf einer ohnehin viel zu kurzen Nacht. Es fällt schwer zu glauben, dass man an einem Wochenende nichts Besseres zu tun hat, als sich zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett zu quälen und wenig später auf eine 50 km lange Tortour zu begeben – und das auch noch freiwillig.

Während andere das Pech haben, mit dem Shuttle bereits um 4:30 Uhr nach Kals am Großglockner aufbrechen zu müssen, können wir unser recht schmal ausfallendes Frühstück in aller Ruhe herunterwürgen. „Jetzt bloß nicht zu viel futtern, sonst gibt es später nur Magenprobleme“ geht es einem dabei durch den Kopf. Denn ein Zuviel an Kaffee oder Müsli kann sich später unter Umständen noch stundenlang bemerkbar machen.

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Dann geht es eine knappe Stunde mit dem Auto einmal um das Großglockner Massiv herum bis ins kleine Bergsteigerdörfchen Kals, wo sich der Startpunkt des Glockner Trails befindet und den auch die Ultraläufer im Verlauf ihrer 110km langen Strecke passieren müssen. Ungeduldig scharren hier rund 500 Teilnehmer bereits mit den Füßen und warten sehnsüchtig auf den Startschuss für ein stundenlanges Martyrium.

Im Gegensatz zu manch anderem lässt das regnerische Wetter meine Vorfreude eher gering ausfallen. Ganz zu schweigen von meiner angeschlagenen Verfassung. Und der Mangel an Schlaf macht es nicht besser. Plötzlich geht ein Ruck durch die Massen und eine Gasse wird gebildet. Wie beim Einlauf der Gladiatoren wird den beiden Top-Läufern Klaus Gösweiner und Gerald „Sancho“ Fister Platz gemacht. Jubel bricht aus. Gänsehaut-Feeling pur und ungläubige Blicke wechseln sich gegenseitig ab.

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Schließlich sind die Beiden bereits um 23 Uhr am Vortag gestartet und hab rund 60km in den Beinen. Erste Zweifel machen sich breit. Dann setzt sich das Läuferfeld in Bewegung und es gibt kein Zurück mehr. Nun gut, dann „gehen“ wir es mal an.

Selbst aufgestellte Regeln werden beim Großglockner Ultra Trail schnell ungültig

„Am Anfang ganz langsam loslegen, bloß nicht zu schnell starten“ wiederhole ich die Worte von Harry wie ein Mantra, der im Gegensatz zu mir schon längere Strecken gelaufen ist. Dementsprechend entspannt trabe ich gemeinsam mit ihm und einem weitren Laufspezl in Richtung Kalser Tauernhaus los. Bereits nach nur knapp 8km sanftem Anstieg stelle ich fest, dass es an diesem Tag besser läuft als gedacht.

Wunderbar, schließlich kämpfte ich vor dem GGUT noch tagelang mit erhöhter Temperatur und einer hartnäckigem Erkältung. Vielleicht war es doch die Aufregung?! Immer wieder lasse ich mich zurückfallen und muss mich an die selbst aufgestellte Regel erinnern, ein Rennen niemals zu schnell anzugehen. Irgendwann habe ich dann Harry aus den Augen verloren. Fokussiert auf den eigenen Laufrythmus und die mich umgebenden Läufer.

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Ursprünglich hatten wir vereinbart, gemeinsam zu laufen, um uns auf der Strecke gegenseitig zu unterstützen. Warum ich dieses Versprechen in jenem Moment kurzerhand aufgegeben habe, kann man vermutlich nur durch falschen Ehrgeiz erklären. Einem Ehrgeiz, der nach dem Zieleinlauf noch für einen faden Beigeschmack sorgen sollte. Vielleicht war es aber auch die Landschaft, die mich dazu antrieb, das Tempo weiter zu erhöhen.

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Über technisch anspruchsvolles Terrain geht es quer durch die Kalser Tauern, an malerischen Bergseen und grünen Hängen vorbei bis hinauf zur ersten echten Verpflegungsstation – das Berghotel Rudolfshütte. Nicht einmal die Hälfte der Strecke liegt an diesem Punkt hinter mir. „Jetzt bloß nichts falsches essen! Denk an das Salz auf der Melone, um die Muskeln mit Mineralien zu versorgen und ruh dich bloß nicht zu lange aus“ sind Gedanken, die mir durch den Kopf schießen und mich dazu antreiben, meinen Weg fortzusetzen. Draußen weht ein kalter Wind und es wird zunehmend ungemütlicher.

Hoch hinaus und dann freier Fall dank eigener Wehwehchen

Nach einer kurzen Rast von 20 Minuten und einigen interessanten Gesprächen mit dem ein oder anderen Teilnehmer geht es weiter. Platten aus schwerem Fels und Geröll legen sich mir in den Weg. Zwingen sogar einige Läufer gnadenlos auf alle Viere und sorgen für so manch ausgestoßenen Fluch. Zumindest für visuelle Abwechslung ist in der Monotonie des Laufens jetzt gesorgt. Der aufgeweichte und zum Teil extrem matschige Boden tut sein übriges.

Es folgt der zweite harte Anstieg hinauf zum Kapruner Törl, dem mit knapp über 2.600 Metern höchsten Punkt auf der Gesamtstrecke. Gezielt hänge ich mich auf dem Weg nach oben an die Fersen vorauslaufender Teilnehmer, um mich selbst aus der Verantwortung zu nehmen und mental Kraft zu sparen. Mit dem ein oder anderen plaudere ich dabei ein wenig, woher man kommt und wieso man sich das antut. Viele davon absolvieren wie auch ich die Marathon-Distanz zum ersten Mal und wollen es einfach nur bis ins Ziel schaffen.

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Mein persönliches Ziel, eine halbwegs ordentliche Zeit abzuliefern. Aber warum eigentlich? Um es mir, den Bergsportmarken, die mich für diese Herausforderung mit Laufschuhen, Klamotten und Trailweste ausgestattet haben, oder wem sonst zu beweisen? Schnell sind diese Gedanken wieder beiseite geschoben, als der Sattel erreicht ist und der genialste Teil der Strecke vor mir liegt. Endlich geht es downhill über mehrere Stufen in Richtung Kaprun talauswärts. Juchzend werfe ich mich in die technischen Passagen und lasse die Beine fliegen bzw. über den matschigen Untergrund rutschen.

Vor mir breiten sich weite Bergwelten aus, immer wieder unterbrochen vom türkisen Blau der Kapruner Stauseen und deren gigantischen Staumauern, die künstliche Horizonte erzeugen. Doch trotz dieser traumhaften Kulisse machen sich die ersten Wehwehchen bemerkbar und Zweifel breit – es zieht im Gesäß und die Oberschenkel melden sich auch immer öfter. Was wenn ich es doch übertrieben habe? Was wenn ich doch zu früh, zu schnell angezogen und mich schlichtweg überschätzt habe?

Eine Gangart härter – irgendwann zählt beim Berglauf nur noch im Tal ankommen.

Und dann kam Lasse. Ein Däne, der gegen den Rat seiner Ärzte an den Start gegangen und mit einer Entzündung im Schienbein auf die Strecke gegangen war. Gegenseitig bestärken wir uns durch unterstützende Worte und feuern uns ein Stück weit gegenseitig an. In diesem Moment wird mir zunehmend klar, dass ich einen großen sportlichen Fehler begangen habe. Man lässt den eigenen Laufpartner nicht einfach zurück, weil es bei einem irgendwie besser läuft.

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Zumindest nicht, wenn man vorab nicht entsprechende Vereinbarungen getroffen hat. Man bleibt beieinander und versucht sich gegenseitig bestmöglich zu pushen. Und wenn der andere einen selbst darin bekräftigt, das eigene Tempo zu laufen und abzuziehen dann geschieht es einvernehmlich. Was habe iuch getan? Ich hatte mich einfach nur abgesetzt. Ohne wenigstens das Go von Harry zu bekommen. Nicht aus blankem Ehrgeiz, aber zumindest ohne ein Wort zu verlieren.

Und nun? Anhalten und warten? Umkehren? Blödsinn, mach weiter und klär das nachher im Ziel. Schließlich hast du die Entscheidung getroffen. Nun musst du es auch durchziehen und mit den Konsequenzen leben. Wenigstens muss ich mir bergab keine Gedanken mehr um das ziehende Gefühl in der Hüfte machen, das vor allem immer auf geraden Strecken für ein schmerzverzerrtes Gesicht sorgt. ISG und mangelnde Routine sei dank. „Trinken, du musst mehr trinken, damit die Muskeln nicht zumachen.“ Gerade weil es mit jedem Höhenmeter weniger, umso heißer wird.

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Endlich im Tal angekommen, sind die Oberschenkel zum Bersten angeknallt und schreien förmlich vor Laktatüberschuss. Jetzt hilft nur noch Gehen und Laufen im Wechsel. Irgendwann will man dann nur noch ankommen und das alles hinter sich bringen. Vorbei geht es am Kesselfallhaus auf die laaaaaaange und zum Teil asphaltierte Zielgerade, auf der man rechts und links saftig grüne Wiesen passiert und die verstörten Blicke arabischer Touristen erntet. Bald ist es geschafft. Durchhalten.

Da vorne ist bereits Licht im Tunnel. Unweigerlich beginne mit mir selbst zu reden, um die eigene Aufmerksamkeitsschwelle hochzuhalten. Und dann stehe ich plötzlich im Ziel. Zuschauer klatschen, bekannte Gesichter gratulieren mir und ich bekomme eine Medaille um den Hals gelegt. Wie? War es das jetzt? Hab ich es wirklich geschafft? Kann mich mal jemand kurz wach rütteln! Ein alkoholfreies Weißbier und eine Massage vom Team Lukas später realisiere ich langsam, was hinter mir liegt.

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Und dann kommt Harry ins Ziel. Der Moment, in dem mir mehr als nur bewusst wird, worauf es im Sport und erst recht beim Trailrunning wirklich ankommt: Teamgeist. Erst recht im Hinblick darauf, dass es ihm unterwegs zeitweise wirklich schlecht ging. Da wirkt das Teamplay der beiden Doppelsieger Klaus Gösweiner und Gerald „Sancho“ Fister wie blanker Hohn. Hatten sich doch Beide von Magen- und Muskelkrämpfen geplagt gegenseitig bis ins Ziel begleitet.

So bleibt am Ende eines wirklich genialen Trailevents der fade Beigeschmack, den eigenen Laufkumpanen irgendwie hängengelassen und den sportlichen Ethos der „Kameradschaft“ verletzt zu haben, den ich beim Bergsteigen immer so groß hochhalte. Zumindest bleibt mir die Hoffnung, dass ich diesen (menschlichen) Fehler vielleicht beim Großglockner Ultratrail 2018 wieder gut machen kann – am liebsten als Team beim GGUT 110k in der Staffel. Harry’s eigenen Bericht zum GGUT aus seiner Sicht findet ihr hier. Passend zum Thema „Leidenschaft und für wen man denn nun eigentlich läuft“ – für sich oder die Öffentlichkeit – gibt’s bei uptothetop.de von Trailrunner Steve Auch.

Rekorde am laufenden Band – die Ergebnisse des GGUT 2017:

Insgesamt 1.143 Teilnehmer aus 36 Nationen gingen beim anspruchsvollsten Trail-Event Österreichs an den Start und sorgten am Ende für gleich sieben neue Streckenrekorde. So liefen die beiden Profiathleten Klaus Gösweiner (AUT) und Gerald Fister (AUT) beim Großglockner ULTRA-TRAIL mit einer Zeit von 15:03.45,8 und damit fast 10 Minuten schneller als 2016 über die Ziellinie. Somit gab es auf der 110km Distanz bereits zum dritten Mal zwei gemeinsame Sieger. Dritter wurde Matthias Dippacher (GER). Bei den Damen siegte die internationale Spitzen-Läuferin Juliette Blanchet (FRA) mit 17:27.49,5 und verbesserte ihre eigene Vorjahreszeit um mehr als eine halbe Stunde. Auf den weiteren Plätzen folgten ihr Lada Stalzerova (CZE) und Daniela Karigl (AUT).

Eventbericht - Großglockner Ultra Trail 2017: Rekordzeiten am laufenden Band und sportlicher (Über)Ehrgeiz beim GGUT

Eine absolute Sensationszeit legten auch die beiden Profi-Athleten Pau Capell (ESP) und Gediminas Grinius (LIT) hin, die mit 12:33.14,7 ganze 1 1/2 Std. schneller waren als im Vorjahr und die Staffel überlegen für sich entscheiden konnten. Beim Großglockner Trail  konnte Vorjahressieger Markus Stock (AUT) seine Vorjahreszeit mit 4:47.49,3 minimal verbessern und gewann vor seinem Landsmann Michael Kabichler und dem drittplatierte Hannes Namberger (GER). Bei den Damen gelang ebenfalls der Vorjahressiegerin die Titelverteiigung, allerdings mit einem neuen Streckenrekord: Gerade einmal 5:37.36,3 brauchte Sandra Koblmüller, um noch vor Anna Strakova (CZE) und Katrin Angerer (GER) das Ziel zu erreichen.

Beim Weissee Gletscherwelt Trail gaben sich Matthias Baur (GER) und Georg Egger (AUT) bis zum Schluss nicht die Blöße. Nach einem Sturz des Österreichers nur 5 km vor dem Ziel übernahm sein stärkster Kontrahent und finishte mit einer neuen Bestzeit von 2:56:18,7 gefolgt von Egger und Alexander Knoblechner (AUT). Ebenfalls einen neuen Streckenrekord gab es bei den Damen. So konnte die Dynafit-Athletin Johanna Erhart (AUT) mit 3:17.15,4 ihren eigenen Streckenrekord von 2016 um sensationelle 17 Minuten verbessern und verwies Laetitia Pibis (AUT) und Christina Baur (AUT) auf die Plätze.