Er gilt als der „Outlaw“ der Laufszene. Als Rebell, der gerne einmal gegen den Strom schwimmt, Dinge anders anpackt, auf vieles pfeift was eigentlich als gesetzt gilt – und dabei dennoch extrem erfolgreich ist. Ein bisschen wie Robbie Williams seinerzeit bei Take That in der perfekt inszenieren Welt der Boybands, Joaquin Phoenix im oberflächlichen Hollywood oder – um etwas näher am Thema zu bleiben – „Dirtbag“ und Kletterprofi Alex Honnold. Die Rede ist von Florian Neuschwander. 35 Jahre alt, 1,67 m groß, 58 kg leicht, passionierter Läufer und Schnurrbart-Träger. Ein lockerer Typ, vielleicht ein wenig verrückt, aber umso sympathischer und trotz seines Erfolgs komplett auf dem Boden geblieben.
Seit seinem 15. Lebensjahr schnürt Flo(w) seine Laufschuhe – oder besser gesagt Treter, mit denen man laufen kann. Denn seinen ersten Wettkampf bestritt er seinerzeit sogar mit Tennisschuhen. Seitdem hat sich natürlich einiges getan und mittlerweile sorgen Sponsoren wie Brooks und GORE Running dafür, dass Flo immer bestens (aus)gerüstet durch die Welt „ballern“ kann. Eines ist aber gleich geblieben: Der gebürtige Saarländer ist anders als die meisten Läufer, die neben ihm an der Startlinie stehen. Unkonventionell ist wohl eines der Adjektive, das im Zusammenhang mit dem 35-Jährigen am häufigsten fällt. Flo Neuschwander läuft quasi alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist und lässt sich nicht auf eine Kategorie festlegen. Egal ob Straßenlauf oder Trail – hauptsache lange lautet seine Devise. Auf Ernährungstipps, Verbote und fixe Trainingspläne gibt Flo dabei ebenso viel wie auf das Messen der Pulsfrequenz: Nämlich nichts. Spätestens seit seinem Sieg beim deutschen Wings for Life World Run 2015 in Darmstadt ist Flo Neuschwander nicht nur den Laufkennern ein Begriff, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt wie ein bunter Hund. Er ist zum Star einer sonst oftmals verbissenen Szene aufgestiegen – auch wenn viele seiner Konkurrenten ihn immer noch etwas argwöhnisch betrachten. Aber das kümmert den 35-Jährigen zum Glück herzlich wenig.
Bei der diesjährigen Auflage des Wings for Life World Runs am 7. Mai wird Flo erneut mit von der Partie sein und für diejenigen an den Start gehen, die es selbst leider nicht können. Wir haben den sympathischen Ausnahmeathleten beim morgendlichen „Presserun“ im Vorfeld des bekannten Charity-Laufs für die Forschung zur Heilung von Querschnittslähmungen getroffen und ihm im Rahmen unserer Interview-Reihe: „Einmal Luft holen bitte…“ auf den Zahn gefühlt. Außer Atmen war er dabei aber keineswegs – ganz im Gegensatz zu uns.
Entweder oder…nachgefragt bei Flo Neuschwander
…Waffeln oder Proteinshakes?
Waffeln (bekommt leuchtende Augen)
…Waldboden oder Asphalt?
Waldboden
…Luftige Laufhose oder enge Tights?
Auf jeden Fall luftige Laufhose!
…Schweißband oder Cap?
Schweißband
…Vordehnen oder Nachdehnen?
Gar nicht dehnen
…Bergauf oder Bergab?
Definitiv bergauf
…mit Musik laufen oder ohne?
Kommt auf die Situation an. Manchmal mit und manchmal ohne.
…alleine oder in der Gruppe?
Hm… auch schwierig. Aber eher Gruppe.
…Early bird oder Langschläfer?
Langschläfer (antwortet wie aus der Pistole geschossen)
…Hitze oder Kälte?
Kälte
…Elektro oder Punk?
Punk
…Bad Boy oder Schwiegermutters Liebling?
Bad Boy. Auf jeden Fall (schmunzelt)
…Barttrimmer oder Schere?
Schere
…Risiko oder Sicherheit
Risiko
Kurz und knapp…Flow steht Rede und Antwort
Deine Motivation?
Immer wieder etwas Neues ausprobieren. Kein Einheitsbrei.
Dein Must-have bei langen Läufen?
Hmm…ein Fahrradbegleiter. Jemand der mich ein bisschen unterhält. Der vielleicht noch ein paar Musikboxen dabei hat, neben mir her fährt und mir mein Wasser reicht.
Das schönste Trainingscamp?
Das war mehr oder weniger ein Wettkampf. Der Transrockies Run. Da haben wir im Anschluss noch sechs Tage in Zelten gecampt. Das war eigentlich ein ganz cooles Camp. Vor allem, weil ich das Ding ja auch gewonnen hab. Das war schon ganz nett.
(Anmerkung der Redaktion: Der Transrockies Run ist einer der bedeutendsten Ultra-Läufe der Welt mit knapp 200 km in sechs Tagen und rund 6.000 Höhenmetern. Der höchste Punkt des Rennens befindet sich auf 3.800 Metern. Flo konnte den Wetterbewerb 2015 für sich entscheiden)
Der beste Tipp für Laufeinsteiger?
Langsam anfangen, vielleicht mit Freunden zusammen trainieren. Dann fällt es nicht so schwer. Das war’s eigentlich schon.
Dein Mittel gegen Seitenstechen?
Puh. Hab ich keins, weil ich eigentlich nie Seitenstechen habe. Daher kann ich da echt schlecht etwas dazu sagen.
Dein Lieblingsessen?
Ein gutes Steak mit Süßkartoffeln und Salat
Die sinnloseste Sportart?
Schach
Was nervt dich am meisten?
Nervige Menschen
Dein Erfolgsgeheimnis?
Hm…(überlegt eine Weile) Immer am Ball bleiben, auch mal was Neues probieren, was riskieren. Nicht immer das Gleiche machen.
Das Besondere am Wings for Life World Run?
Alle Läufer weltweit starten gleichzeitig. Auf mich bezogen: Dass man seine Gegner so gesehen eben nicht wirklich sieht. Auf der anderen Seite der Welt läuft ja vielleicht jemand gerade weiter als du selbst und man möchte natürlich alles geben.
Dein Ziel für dieses Jahr?
Schwer zu sagen. Im Moment sind meine Muskeln ein bisschen platt. (Anm. der Redaktion: Flo ist zwei Tage zuvor den Paris Marathon gelaufen). Ich hoffe, dass ich mich bis zum 7. Mai gut erhole und dann schaue ich, wie weit ich mitrennen kann. Gewinnen wird schwierig. Das sag ich ganz ehrlich. Wenn Calcaterra die Leistung vom letzten Jahr bringt, dann hab ich keine Chance. Top 3, 4 oder 5 wäre gut. Oder zumindest besser als 2015 in Darmstadt. Das wäre das Ziel. Da bin ich 75 km gerannt. Bei einer Distanz von mehr als 75 km ist man in der Welt schon ganz vorne mit dabei.
…und das größte Hindernis dabei?
Naja, am Ende ist es dann auch eine ziemliche Kopfsache. Bei so einem Lauf hat man viele Gedanken und da muss man schon irgendwie fit im Kopf sein, um das Ding dann auch zu gewinnen. Muskulär natürlich sowieso. Aber wie gesagt, am Ende ist es vor allem Kopfsache bei diesen langen Distanzen.
Das Wichtigste im Leben?
Gesund bleiben und Spaß haben.
In diesem Jahr wird Flo Neuschwander beim Wings for Life Run in Mailand an den Start gehen. Dort treffen die vier weltbesten Langstreckenläufer aufeinander: Der dreimalige 100km-Weltmeister und letztjährige Wings for Life Global Champion Giorgio Calcaterra, Polens Bartosz Olszewski, Chiles Francisco Morales und eben Florian Neuschwander. Wir drücken dem sympathischen Ausdauerathleten alle Daumen für den „Showdown“ in Italien. Wer den Wings for Life World Run am 7. Mai unterstützen möchte, kann sich jetzt noch als Teilnehmer anmelden. Flos Team „Run with the flow“ ist mit knapp 1.400 Teilnehmer das größte seiner Art und freut sich über weiteren Zuwachs. Natürlich ist auch die Gründung eines eigenen Teams möglich. Wer selbst nicht laufen möchte oder kann: Das Organisations-Team in München ist noch auf der Suche nach ehrenamtlichen Helfern und kann Unterstützung gut gebrauchen. Weitere Infos gibt’s unter: www.wingsforlifeworldrun.com