Kolumne – Das ist ja der Gipfel #2: Skischaukel am Riedberger Horn – Profitgier vs. Naturschutz

von | 20. September 2016 | Allgemein

Während wir uns im ersten Teil unserer Kolumne „Das ist ja der Gipfel“ ausgiebig über das digitale Phänomen von „Pokemon Go“ ausgelassen haben, geht uns der Gesprächsstoff nach wie vor nicht aus. Tagtäglich stolpern wir über Dinge, die uns maßlos aufregen und bei denen wir mit unserer Meinung nicht allein dastehen. Während der „moderne Geocaching-Trend“ inzwischen wieder abzuebben scheint, hält sich ein anderes Thema seit gut einem Jahr äußerst hartnäckig in den Medien – das Riedberger Horn.

Was auf den ersten Blick nicht besonders aufregend und eher nach einem prähistorischen Kopfaufsatz eines Rindviehs klingt, steht für einen mittelschweren Umweltskandal erster Güte, der im Alpenraum aktuell seinesgleichen sucht. Grund genug, sich diesem Thema zu widmen und analog zu diversen Naturschutzverbänden und Alpenvereinen mal so richtig Dampf abzulassen.

Ausnahme als Regel – wie eine Sckischaukel am Riedberger Horn vom Naturschutzgebiet zum Massentourismus führt

Eigentlich sollten die Pläne am Riedberger Horn seit Juli 2016 vom Tisch sein, nachdem sich das bayerische Umweltministerium deutlich gegen das Vorhaben der Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein ausgesprochen hatte. Der Grund ist eine über das Riedberger Horn geplante Skischaukel, die über den 1.787 Meter hohen Wanderberg führen und die beiden Ortschaft miteinander verbinden soll – aus wirtschaftlichen Gründen und um dem zunehmenden Wettbewerbsdruck angrenzender Skigebiete etwas entgegensetzen zu können.

Problem aber ist, dass eben jene Trasse exakt durch ein Naturschutzgebiet führt, das laut dem seit den 70’er Jahren vereinbarten Alpenplan von Gesetzes wegen als geschützt gilt. Doch nur kurz nach der Entscheidung des Umweltministeriums gab Heimat- und Finanzminister Markus Söder bekannt, dass das Bauprojekt nun doch noch einmal geprüft werde und längst nicht endgültig entschieden sei. Vielmehr wolle man die Entscheidung von der Meinung der Bürger und Bürgerinnen abhängig machen. Das eigentliche Fiasko daran aber ist, dass der im Alpenplan vereinbarte Bebauungsstop in ausgewiesenen Kernzonen geschützter Landschaftsstriche auf Basis des „Volksentscheids“ aufgehoben werden könnte – aus rein wirtschaftlichen Interessen.

Kolumne – Das ist ja der Gipfel #2: Skischaukel am Riedberger Horn - Profitgier vs. Naturschutz

© Deutscher Alpenverein

Seitdem machen Politiker und Touristiker in der Region ordentlich Stimmung für die geplante Skischaukel, weil sie laut den eigenen Aussagen für ein deutliches Plus in den doch so malträtierten Kassen sorgen soll. Nicht nur der Deutsche Alpenverein – und mit ihm ein breites Bündnis an Naturschutzverbänden – hält dagegen und traute den eigenen Ohren nicht, als der CSU Politiker ein Außerkraftsetzen des Alpenplans in Aussicht stellte, sofern die Bürger sich für solch ein Bauprojekt tatsächlich aussprechen würden. Ein „kleiner Bürgerentscheid“ sollte denn auch klären, wie es mit der geplanten Skischaukel nun weitergehen solle – Naturschutzgebiet hin oder her.

Tourismusplan vs. Alpenplan – ein Lehrstück für den Unterschied zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umweltschutz

Die Region rund um das Riedberger Horn gilt unter Naturliebhabern und Frischluftfans gleichermaßen als beliebtes Erholungsgebiet, da hier im Gegensatz zu den Tourismushochburgen wie zum Beispiel Kitzbühel und Ischgl kein massiver Massentourismus betrieben wird. Für die beiden Gemeinden gilt die neue Liftverbindung dennoch als notwendiges Übel, um auch in Zukunft für Wintersportler und Skitouristen weiterhin attraktiv zu bleiben.

Denn vor allem die benachbarten Skigebiete in Österreich laufen den Skigebieten Balderschwang und Grasgehren zunehmend den Rang ab. Insgesamt sollen durch die Baumaßnahmen über vier Kilometer neue Skipisten entstehen und die gut 1,5 Kilometer lange Skischaukel bereits vorhandene, aber nicht mehr zeitgemäße Skilifte entlasten. Der Alpenplan hingegen teilt den bayerischen Alpenraum in insgesamt drei Zonen (A, B und C) ein. Während infrastrukturelle Erschließungen in den Zonen A und B unter bestimmten Voraussetzungen durchaus ermöglicht werden können, gilt die Zone C grundsätzlich als „Tabuzone“. Auf diesem Wege soll die einzigartige Bergwelt der Alpen nachhaltig geschützt werden.

Während vor dem Inkrafttreten des Alpenplans viele Bergbahnen angedacht waren, wurden oder besser durften diese nach dem 1. September 1972 doch nicht mehr realisiert werden, weil sich viele Bauvorhaben davon in besagter Zone C befanden. Egal ob nun Watzmann, Hochgern, Innzeller Kienberg oder Alpspitzschulter – viele Gipfel und Naturlandschaften blieben infolgedessen weitestgehend unberührt und von massentouristisch orientierten Bebauungsmaßnahmen weitestgehend verschont.

Eine Skischaukel als fatales politisches Signal für den Alpenraum

Die geplanten Erschließungen am Riedberger Horn würden sich in erheblichem Umfang auf die Zone C des seit 1972 gültigen Alpenplans erstrecken – also auf Gebiete, die laut Vereinbarung eigentlich nicht erschlossen werden dürfen. Sollten diese Pläne dennoch genehmigt werden, wäre ein Eingriff mit unabsehbaren Folgen für Flora, Fauna und die Tierwelt die Folge.

Kolumne – Das ist ja der Gipfel #2: Der Alpenplan und die Baupläne für die Skischaukel (© Deutscher Alpenverein)

© Deutscher Alpenverein

Ganz zu schweigen vom Präzedenzfall, auf den sich in Zukunft vermutlich noch so manch anderer Alpenort berufen dürfte, um eigene und wirtschaftlich notwendige Pläne realisieren zu können. Eine bedenkliche Entwicklung, die so gar nicht dazu passen mag, dass die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit dem Freistaat Bayern momentan den Vorsitz der Alpenkonvention innehat und sich Themen wie der grünen Wirtschaft, dem Erhalt der Biodiversität und dem nachhaltigen Tourismus widmet.

Eine Farce, denn allein durch die Freigabe des Riedberger Horns als Bauland wird nicht nur ein höchst sensibler Naturraum zum Abschuss frei gegeben, sondern obendrein auch noch geltendes Recht verletzt. Eigentlich kann die ablehnende Stellungnahme des Umweltministeriums, welche im Zuge des am Anfang des Jahres durchgeführten Zielabweichungsverfahrens geäußert wurde, nur das Aus für das Bauprojekt bedeuten.

Denn für eine Genehmigung bzw. eine Ausnahmeregelung im Alpenplan bräuchte es die einvernehmliche Zustimmung durch alle beteiligten Ministerien für Wirtschaft, für Landwirtschaft und für Umwelt. Schießt nur eines davon quer, ist der Spatenstich bei einem Bauprojekt wie am Riedberger Horn gar nicht erst möglich.

Und es geht immer noch schlimmer – die Ergebnisse der Bürgerbefragung zum Riedberger Horn

Laut einer Pressemitteilung des Deutschen Alpenvereins begrüßen die Natur- und Umweltschutzverbände, dass sich bei der am 18. September 2016 durchgeführten Bürgerbefragung immerhin 32 Prozent der Wählerinnen und Wähler von Obermaiselstein gegen die Skigebietsverbindung am Riedberger Horn ausgesprochen haben, während es in Balderschwang nur noch 15 Prozent waren. Der wesentlich ernüchterndere Fakt ist aber zugleich, dass sich auch eine Mehrheit von 68 Prozent bzw. 85 Prozent für das umstrittene Bauvorhaben ausgesprochen hat.

Damit stünde einer Aufweichung des Alpenplans bzw. einer Ausnahmeregelung am Riedberger Horn im Grunde genommen nichts mehr im Wege. Mit weit reichenden Folgen, denn auf Basis dieses Präzedenzfalls dürften in der nahen Zukunft noch zahlreiche weitere Bauanträge zur Debatte gestellt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass laut DAV eine aktuell erstellte Umfrage ergeben hat, dass sich rund drei Viertel der Bergsportler am Riedberger Horn gegen die aktuellen Erschließungspläne aussprechen.

Kolumne – Das ist ja der Gipfel #2: Unter Skitourengehern und Wintersportlern gleichermaßen beliebt (© Deutscher Alpenverein)

© Deutscher Alpenverein

Nach dem Bürgervotum ist es nun also an der Staatsregierung, wie es mit der Skischaukel weitergehen soll. Es bleibt allerdings zu befürchten, dass wie schon bei den Beschneiungsanlagen im Sudelfeld ein weiteres Wahnsinnsprojekt angeschoben wird, das im Grunde genommen kein Mensch wirklich braucht. Denn als besonders schneesicheres Gebiet gilt die Skiregion nun auch nicht gerade, liegt deren höchster Punkt doch weit unter der magischen 2.000er Grenze.

Ebenso stellt sich die Frage, was wohl als nächstes passieren mag. Denn sind die Lifte erst einmal errichtet und bleibt der Schnee in Zukunft wie zu erwarten ist aus, dürften die Landesväter wohl kaum noch Widerspruch erheben, wenn im nächsten Schritt die MTB-Trails quer durch das Naturschutzgebiet gezogen werden. Sollte der Alpenplan also tatsächlich geopfert werden, wäre solch eine Entwicklung wohl nur die logische Konsequenz. Aber scheinbar reicht es heutzutage, wenn nur heftig genug mit den Euroscheinen gewedelt wird, um das zukunftsgerichtete und nachhaltige Denken mancher außer Kraft zu setzen.

Mit dem Ergebnis, dass irgendwann wieder alle die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil die Baukosten ausufern und schlussendlich wieder die Ortsansässigen selbst zur Kasse gebeten werden. Man darf also gespannt sein, ob wenigstens Herr Söder sich eines Besseren besinnt und vielleicht selbst demnächst einmal zum Wandern in der idyllischen Region vorbeischaut, um sich ein eigenes Bild von der Sinn- oder Unsinnhaftigkeit des Bauvorhabens zu machen.