JACK WOLFSKIN zählt zu einer der bekanntesten Outdoormarken der Welt und steht mit ihrem Tatzenlogo seit gut 35 Jahren für funktionale Ausrüstung für Jedermann. Neben Bekleidung produziert das in Frankfurt-Nied gegründete Unternehmen auch Rucksäcke, Zelte und Schuhe. Mit Hauptsitz in Idstein im Taunus blickt der Outdoorausrüster auf eine sehr bewegende, ereignisreiche manchmal abenteuerliche aber nie langweilige Firmengeschichte zurück. Im Rahmen unserer Serie: „Made in Germany“ lassen wir daher Gerold Ringsdorf, einen der dienstältesten Mitarbeiter und einstigen Chefentwickler, über die Anfangszeiten der von vielen Frischluftfreunden gleichermaßen geliebten wie auch kritisch betrachteten Outdoormarke berichten.
Im ersten Teil seiner ganz persönlichen Rückschau spricht er dabei über sein erstes Treffen mit dem Gründer von JACK WOLFSKIN und erklärt, wieso einst ein verirrter Taiwanese den eigentlich Grundstein legte. Warum er nach fast 30 Jahren im Unternehmen inzwischen lieber Produkte präsentiert, anstatt sie selbst zu entwickeln, erfahrt ihr im zweiten Teil.
Gerold Ringsdorf – vom ersten Auszubildenden zum Leiter der Produktentwicklung bei Jack Wolfskin
Eigentlich wollte ich Ulrich Dausien, dem einstigen Gründer von JACK WOLFSKIN, damals nur meine Fahrradtaschen vorstellen. Das waren nach meinen damaligen Vorstellungen die robustesten Radtaschen der Welt, die ich aus superstabilem Baumwollgewebe mit Lederboden und wasserdichtem Mülltüteneinsatz auf der Fußnähmaschine meiner Großmutter genäht hatte. Aber leider bin ich damit nie an ihn rangekommen. Dabei war ich Anfang der 80er Jahre immer wieder aufs Rad gestiegen und die rund 50km von Eltville im Rheingau nach Frankfurt gefahren, um sie ihm zu zeigen.
Aber jedes Mal war der kleine „SINE Laden“ geschlossen. Dazu muss man wissen, dass sich das „Geschäft“ damals noch in einem besetzten Haus befand und ein Zimmer davon quasi als Outdoorladen genutzt wurde. Und irgendwann saß dann doch einmal ein unscheinbarer Typ davor, mit langen Haaren und Wollpullover. Der hatte ebenfalls Fahrradtaschen mit dabei, die aus LKW-Planen gefertigt waren. Und ich dachte noch, wie genial ist das denn bitte. Und ein Jahr später waren genau diese Taschen dann tatsächlich im SINE Katalog zu finden. Dass war kein geringerer als Hartmut Ortlieb, heute weltweit bekannt für seine wasserdichten ORTLIEB-Fahrradtaschen.
Den SINE (Anm. d. Red.: Spitzname von Ulrich Dausien) selbst habe ich dann erst später in Berlin kennengelernt, wo ich 1984 inzwischen bei Freunden im kleinen, familiär alternativen NORDLICHT Kanuladen als Verkäufer und Reiseführer angeheuert hatte. Damals lebte ich über ein Jahr hinter dem Laden in einem Tipi, was dem Ulrich scheinbar ziemlich beeindruckt hatte. Er war zu jener Zeit noch als Oneman-Show unterwegs und fuhr mit seinem Auto quer durch die Republik, um seine Produkte an die verschiedensten Händler zu verkaufen.
So auch in jenem Laden in Berlin, in dem wir neben Kanus und Kajaks auch Outdoor-Klamotten, Rucksäcke und allerlei Reisezubehör im Programm hatten. Und weil er schon einmal da war, hat er bei uns in der Wohngemeinschaft übernachtet, hing nach getaner Arbeit in unserer Hängematte rum und klimperte auf seiner Gitarre. Da habe ich ihm dann von meinen erfolglosen Versuchen berichtet, ihn damals in seinem Laden in Bockenheim anzutreffen.
Wie sich Jack Wolfskin von der studentischen Schnapsidee zur weltweit bekannten Outdoormarke entwickelte.
Als quasi Wiedergutmachung bot er mir an, dass ich mich jederzeit bei ihm melden könne, wenn ich doch einmal wieder in den Rheingau zurückkehren wolle und Arbeit bräuchte. Zwei Jahre später habe ich das dann auch getan, bin zurückgekehrt und habe 1986 zuerst im Frankfurter SINE Laden mit gearbeitet und dann bei der „HOBBYT Ausrüstung für Draußen“ eine Lehre zum Groß- und Handelskaufmann begonnen. Neben dem SINE Outdoor-Laden hatte Dausien mit HOBBYT mittlerweile seine erste Marke und auch einen Outdoor Großhandel ins Leben gerufen, der seine eigenen, aber auch importierte Outdoor-Marken vertrieb.
Die Marke JACK WOLFSKIN war damals eine davon, noch kaum bekannt und steckte noch in den Kinderschuhen. Aber wenn man es so will, war ich der erste Auszubildende von JACK WOLFSKIN, einer von gerade einmal neun Leuten im Team und sehr stolz, als ich das damals noch schwarzweiße Tatzenlogo-Banner beim Einzug in den Nieder Firmensitz hissen durfte. Warum? Weil der erste Standort von HOBBYT in der Kleyerstrasse in Frankfurt schon viel zu klein geworden war. In den folgenden zehn Jahren folgten – vom Wachstum getrieben – noch einige weitere Umzüge, bis wir schließlich an unserem heutigen „Basecamp“ in Idstein die Zelte aufstellten.
Mein erster wirklicher Berührungspunkt mit dem Outdoor-Business war jedoch meine Rolle als Leiter einer Pfadfindergruppe. Damals haben wir noch in Baumwoll- bzw. Leinenzelten übernachtet, bis ich eines Tages gegen Ende der 70er Jahre einen Flyer in die Hände gedrückt bekam. Darauf bot jemandaus der Uni Frankfurt diverse Rucksäcke und Zelte aus Nylon zum Verkauf an. Deshalb bin ich da natürlich neugierig mit dem Fahrrad aus dem Rheingau hin gepilgert. Tja, und da stand nun der SINE, den ich damals natürlich noch nicht persönlich kannte und nicht ahnte, dass er einmal den Grundstein von JACK WOLFSKIN und zu meiner beruflichen Entwicklung legen würde. Als Student war er damals eher durch einen kuriosen Zufall an die ersten Outdoorprodukte gelangt.
Es muss im Jahr 1977 gewesen sein als ein Taiwanesischer Händler, der eigentlich auf eine Sportmesse wollte, fälschlicherweise auf der IWA in Nürnberg, der internationalen Jagd- und Waffen-Ausstellung, landete. Dort wurde Ulrich, der auf dieser Messe für seinen Onkel als Aushilfe tätig war, dann eben auf jenen Taiwanesen aufmerksam. Der stand nämlich etwas deplatziert auf der Messe herum und versuchte seine Produkte zu verkaufen.
Vom Poncho, über die Regenjacke, bis hin zum Außengestell-Rucksack war alles dabei. Natürlich wollte keiner die Sachen haben, denn sie raschelten, waren grell bunt und somit für die getarnte Jagdausrüstung vollkommen ungeeignet. Und geschäftstüchtig wie der Ulrich Dausien damals schon war, hat er dann mit geliehenem und aus Flohmarktverkäufen verdientem Grundkapital dem verirrten Händler aus Asien die komplette Ware abgekauft.
Ulrich Dausien – Herr besetzter Häuser, Herr der Ringe und dann kam Jack London.
Zurück in Frankfurt hat er dann neben seinem Studium das ganze Zeug aus dem Auto heraus verkauft bzw. die einzelnen Produkte am schwarzen Brett in der Uni und später in einem Copy Shop feilgeboten. Binnen kürzester Zeit hat er auf diese Weise gut 50.000 Mark verdient und schlussendlich sein Studium an den Nagel gehängt. Um dann im Jahr 1981 nicht mehr nur die Produkte im von ihm eröffneten „SINE Laden“ zu verkaufen, dem ersten Outdoor-Laden in Frankfurt, sondern eine Eigenmarke ins Leben zu rufen und mehr oder weniger die Basis für JACK WOLFSKIN zu schaffen.
Um das ganze professionell und im großen Stil zu betreiben, wurde schließlich die Firma „HOBBYT“ als Großhandelsmarke gegründet. Dem nicht genug führte Ulrich dann im Zuge seiner weltweiten Reisen auch aus anderen Ländern diverse Produkte und Marken in Deutschland ein – wie z.B. die MOSS Zelte (später von MSR aufgekauft) oder die leichtgewichtige Fertignahrung von RAVEN FOOD aus England. Schlussendlich wurde aus dem kleinen SINE Laden langsam aber sicher eine riesige Großhandelsmarke, bei der von der Denty-Box bis zum Zelt wirklich (fast) alles angeboten wurde.
Irgendwann reichte der bloße Vertrieb von importierter Ware aber auch nicht mehr aus und man fing damit an, die einzelnen Produkte immer weiter zu verbessern und auch eigene Ideen bei der Produktion mit einfließen zu lassen. Denn irgendwie fehlten noch immer jene Produkte, bei denen man von Anfang an so richtig Herzblut hineinstecken und mit denen man sich zu 100% identifizieren konnte. Mit ein Grund, wieso später JACK WOLFSKIN als eigenständige Marke innerhalb des HOBBYT/SINE-Konsortiums gegründet wurde. Der Name wurde schließlich am Lagerfeuer kreiert, in Anlehnung an die Romanhelden von Jack London. Die ersten Produkte kamen dann gegen 1982 auf den Markt.
Vertrieben wurden sie damals noch in den verschiedenen Ablegern bzw. Filialen des SINE Ladens, die über die Jahre von Freunden, gleichgesinnten Aussteigern und ehemaligen Mitarbeitern meist in Uni-Campus Nähe in Mainz, Bonn, Köln oder Wiesbaden eröffnet wurden. Ein für damalige Verhältnisse recht großes System aus Ur-Outdoorläden, welches die Marke JACK WOLFSKIN in den frühen Jahren überhaupt erst groß gemacht hat. Während sich die meisten Läden im Laufe der Zeit umfirmiert und zu verschiedenen Outdoor-Einkaufsgemeinschaften entwickelt haben, trägt den ursprünglichen Namen heute nur noch der unabhängige SINE Laden in Mainz und Dausien rief mit McTrek eine neue Kette als Mischung aus Outdoor- Fachhandel und Outlet ins Leben.
Wenn ein „Experimentierschuppen“ dauerhaft die Zelte aufschlägt
Anfangs haben Ulrich Dausien und seine damalige Freundin Christine sämtliche Produkte noch komplett in Eigenregie entwickelt. Thommy Horn, dem ersten eingestellten Produktentwickler, habe ich dann während meiner Ausbildung über die Schulter schauen und mithelfen dürfen. In jener Zeit haben wir viel herumexperimentiert, was mir unglaublich viel Spaß bereitet hat und die anderen Aufgaben im Unternehmen wie Verkauf, Buchhaltung, etc. in den absoluten Hintergrund rückte. 1988 hatten wir uns dazu entschieden, richtig gute Zelte machen zu wollen – mit den besten Materialien und allem was damals technisch so en vogue war.
Daraus sind dann Klassiker wie das „WORLDS END“ und das „TIME TUNNEL“ hervorgegangen. Ganze Nächte haben wir uns damals um die Ohren geschlagen und dabei das ein oder andere Mal auch heftigst in die Haare bekommen. Mit dem Ergebnis, dass wir am nächsten Tag dann doch wieder alles anders gemacht haben. Doch seitdem hatte mich die Produktentwicklung und speziell das Thema Zelte komplett gepackt. Das war der Moment als ich wusste, das ist genau mein Ding. Mein erstes von mir ganz alleine entwickeltes Zelt war dann später das FLEXIBILITY, quasi das erste Familienzelt von JACK WOLFSKIN. Ein Tunnelzelt mit herausnehmbarer Kabine für die Kids im Vorderbereich.
Als Chefentwickler bei JACK WOLFSKIN ohne klassische Ausbildung einmal um die Welt
Nach meiner Lehre bei „HOBBYT Ausrüstung für Draußen“ bin ich erst einmal für ein halbes Jahr mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau Birgit durch die USA und Kanada gereist. Dort haben wir neben vielen Outdoor-Erlebnissen natürlich auch keinen einzigen Outdoor-Laden ausgelassen. Als ich dann zurück war, rief mich der Ulrich Dausien an und meinte, dass Thommy Horn in die damals boomende IT-Branche gewechselt sei und dass er einen neuen Produktentwickler bräuchte.
Dem nicht genug, hatte er obendrein auch noch seine Firma verkauft. So kam es also, dass ich im April 1991 wieder bei JACK WOLFSKIN eingestiegen bin, die mittlerweile zum US-amerikanischen Johnson Outdoor Imperium gehörten. Und keinen Monat später saß ich schon im Flieger auf dem Weg nach Asien, wo ich die laufende Produktion begutachten musste, die sich damals ja noch größtenteils in Korea und Taiwan befand.
Von da an habe ich mir von der Pieke auf alles erarbeitet was das Know-how für die Entwicklung von Zelten und Rucksäcken betrifft und wie man dieses Wissen schließlich auf die Produktion anwendet. Damals gab es für solch eine Position ja noch keine klassische Ausbildung und man wuchs förmlich in diese Rolle hinein. Dabei hat mich vor allem Manfred Hell, der Ulrich Dausien in der Geschäftsführung ablöste und ab 1993 den weltweiten Erfolg der Marke aufbaute, besonders unterstützt und gefördert. Er hat mir aber auch sehr viel Freiheit gelassen und die auf all meinen Reisen gesammelten Erfahrungen konnte ich dann direkt in die Entwicklung unserer Produkte mit einfließen lassen.
Auf Messen und in den Produktionsstätten habe ich dann auch so nach und nach die für mich großen Namen der Outdoorbranchen getroffen – von Wayne Gregory bis hin zu Bo Hilleberg. Doch auch die Zusammenarbeit mit internationalen Materiallieferanten, Produzenten, Test-Instituten und -Teams war für mich immer etwas ganz Besonderes. Zum Teil entstanden sogar richtige Freundschaften und nach der Arbeit in der Produktion wurde häufig zusammen gewandert oder gefeiert. Dieser Industrieaustausch war und ist für mich das Salz in der Suppe und es ist schön so viele verrückte Gleichgesinnte in der Branche zu wissen.
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