Sie gelten als der Inbegriff des Alpinismus und sind für viele Bergsportler genauso eng verbunden mit luftigen Abenteuern in felsigem Terrain wie die Brotzeit am Gipfel. Die Rede ist von den äußerst markanten und steigeisenfesten Lederstiefeln aus dem Hause La Sportiva, die nicht selten an den Füßen von erfahrenen Bergführern zu finden sind. Insbesondere deren sonnengelbe Farbe und die grün-rot-gelbe Sohle gelten in alpinen Kreisen als Markenzeichen für anspruchsvolle Bergtouren in Fels und Eis. Doch nicht nur Extrembergsteiger, Berufsalpinisten und ambitionierte Bergsportler verlassen sich bei ihren anspruchsvollen Vorhaben auf die zwiegenähten und gezwickten Treter.
Auch Klettersportler wie Adam Ondra, Skitourengeher und Trailrunner setzen auf das Qualitätsversprechen der Südtiroler Traditionsschusterei, deren technisch anspruchsvollen Produkte größtenteils in Europa und noch komplett von Hand gefertigt werden. Auch wir tragen unsere schwer geliebten, aber dafür umso robusteren „LaSpos“ durch die Berge oder kleben mit ihnen an schwierigen Boulderproblemen und in anspruchsvollen Kletterrouten so mancher Felswand. Und gerade weil wir so überzeugt sind von der hohen Qualität des Schuhwerks, haben wir uns über die Einladung im Mai 2017 ins italienische Ziano di Fiemme ganz besonders gefreut, wo wir einen Blick in die heiligen Hallen von La Sportiva werfen durften. Was uns dabei am meisten überraschte, war die Tatsache wie klein der italienische Familienbetrieb trotz großem Renommee in Wirklichkeit ist und wie bodenständig man hier mit dem Hype um die eigenen Produkte doch umgeht.
Bergstiefel und Kletterschuhe mit Geschichte
Alles begann im Jahr 1928 inmitten der Dolomiten, als La Sportiva vom italienischen Schuster Narciso Delladio in Trient gegründet wurde. Dass aus der kleinen Schusterei einmal eines der weltweit bekanntesten Hersteller für Berg- und Outdoorschuhe werden sollte, hatte damals wohl noch niemand auf dem Zettel. So wurden anfangs lediglich Holzknospen und Lederschuhe für Waldarbeiter und Landwirte gefertigt, die im Fleims- und Fassatal ihren beruflichen Pflichten nachgingen. Schnell sprach sich die hohe Qualität der Schuhwerke weit über die Grenzen hinaus herum und gipfelte noch im selben Jahr der Gründung in der ersten Teilnahme der Bergsportmarke an der Mustermesse in Mailand, wo erstmals ein spezielles Schnürsystem vorgestellt wurde.
Das hierfür angemeldete Patent wurde in der Folge nicht nur von den bekanntesten Schuhfabriken verwendet, sondern ebnete auch den späteren Erfolg der vor allem unter Alpinisten beliebten „Weltmarke“. Erst 1996 folgte schließlich der Umzug an den heutigen Standort im Val di Fiemme, wo seitdem ein Großteil der Kletterschuhe und Bergstiefel noch immer von Hand gefertigt wird. Mit dem Einstieg in den Skitouren-Bereich im Jahr 2006 und der Ergänzung des Sortiments im Jahr 2010 durch eine eigene Apparel-Kollektion festigten die Südtiroler ihren über die Jahre gewachsenen Anspruch, sowohl Tradition als auch Qualität, Innovation und Leidenschaft bestmöglich miteinander zu verbinden. Natürlich „Made in Italy“.
Zwei Jahre und 60 Prototypen später zum Erfolgsprodukt
Rund 50% der von La Sportiva produzierten Schuhe werden noch immer direkt vor Ort am Stammsitz in Südtirol gefertigt. Wobei es sich in erster Linie um Bergstiefel und Kletterschuhe handelt, da sich eine Auslagerung der Produktion nach Fernost oder an einen der anderen 70 weltweiten Standorte weder rechnen noch dem eigenen hohen qualitativem Anspruch gerecht werden würde. Was nicht heißen soll, dass die bspw. die in China gefertigten Laufschuhe und Bekleidungsstücke von minderwertiger Qualität wären. Vielmehr ist es dem Umstand zuzuschreiben, dass für die Fertigung der alpinen Treter technisch hochanspruchsvolle Arbeitsschritte nötig sind, durchschnittlich bis zu 35 Mitarbeiter zuständig sind und unter deren kritischen Blicken sprichwörtlich durch vielerlei Hände laufen müssen.
Das in den unterschiedlichen Produktionslinien verarbeitete Leder stammt bevorzugt von Kühen, die in Deutschland, Argentinien oder Brasilien gehalten werden. Umso jünger das Tier dabei ist, umso geschmeidiger und flexibler fällt auch das zu verarbeitende Material aus. Weshalb bspw. Kletterschuhe eher aus Jungtierleder und die robusten Bergstiefel aus zäherem Leder älterer Rinder gefertigt werden. Um aber überhaupt eine Vorstellung davon zu bekommen, wie lange es dauert, bis ein neuer Schuh auf den Markt kommt, zeigt sich beim Besuch im streng bewachten R&D-Department. Hier wird bis zu zwei Jahre lang an der Entwicklung eines neuen Kletterschuh-Modells gefeilt. Bis der finale Schlappen dann allerdings im Regal der Sporthändler landet, werden bis zu 60 Prototypen entworfen und mindestens 20 Varianten davon tatsächlich an bzw. in der Felswand getestet.
Vierzig Jahre alte Maschinen und deutlich jüngere Mitarbeiter
Gestanzt, genäht und geklebt wird in den heiligen Hallen von La Sportiva an bis zu 40 Jahre alten Maschinen, die je nach Modell am Ende der verschiedenen Produktionslinien rund 1.200 bis 1.800 Paar Schuhe pro Tag ausspucken. Interessanterweise immer auf Nachfrage und nur so viel, wie tatsächlich vom Verbraucher benötigt wird. Zum einen um niemals einen Überhang zu produzieren, der dann im Lager versauert. Und zum anderen, um möglichst flexibel auf diverse Schwankungen am Markt reagieren zu können. Besonders auffällig ist dabei, dass viele der einzelnen Arbeitsschritte noch von Hand und zum Großteil von weiblichen Mitarbeitern durchgeführt werden. Das begründet sich vor allem darin, dass sich manche Prozesse schlichtweg nicht maschinell durchführen lassen und die Region rund um den Hauptstandort kaum wirtschaftliche Alternativen oder Arbeitsplätze bietet. Und während die Männer in weit entfernten Städten studieren oder arbeiten, bleiben viele der in Ziano und Umgebung ansässigen Frauen im Val di Fiemme und heuern bei La Sportiva an. Nicht ohne einen gewissen Stolz. Denn wer hier arbeitet, profitiert nicht nur vom Boom der Outdoorbranche, sondern vor allem von nachhaltigen und sozialverträglichen Arbeitsbedingungen.
Maximal einen Monat verweilen die fertiggestellten Produkte im hauseigenen Lager, das sich kurioserweise tief unter der Erde befindet und direkt unterhalb von Ziano angelegt wurde, um so möglichst viel Platz zu sparen. Neben sämtlichen für die Produktion und Reparatur benötigten Materialien wie riesige Rollen aus Lederstoff, unzählige Vibram Sohlen und Schnürsenkel lagern hier unzählige Schuhkartons in den meterhohen Regalen. Doch trotz der gigantischen Produktionsstätte allein im Val di Fiemme kommt die Traditionsschusterei kaum hinterher, die große Nachfrage nach Berg-, Kletter- und Outdoorschuhen zu befriedigen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die reine Arbeitszeit für die Herstellung eines Kletterschuhs allein bis zu einer Stunde beträgt.
Auf Schritt und Tritt in Richtung nachhaltig
Vielleicht auch mit ein Grund, wieso La Sportiva sehr viel Wert auf die Instandsetzung der eigenen Produkte legt. So wird in der hauseigenen Reparaturschmiede so manch totgeglaubter Treter doch noch gerettet und abgelaufene Sohlen runderneuert. So wird ein lädierter Schuh nicht einfach gegen einen neuen ausgetauscht, sondern in erster Linie repariert. Und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Auch wir haben die Chance genutzt, bei unserem Besuch unsere schweren Treter und ein paar Kletterschuhe neu besohlen zu lassen. Zurückbekommen haben wir gefühlt nigelnagelneue Schuhe wie aus dem Regal vom Händler. Werte wie Kundenservice und ein maximaler Qualitätsanspruch werden hier im Val di Fiemme also noch groß geschrieben und sind Teil einer über die Jahre nie verloren gegangenen Philosophie.
Aber auch sonst wird bei La Sportiva voll und ganz auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz gesetzt. So werden die Musterstanzen fürs Leder größtenteils noch von Hand aufgelegt, um die maximale Fläche des Materials nutzen zu können. Und selbst die bei der Produktion entstehenden Dämpfe werden mithilfe einer hauseigenen Filteranlage direkt am Arbeitsplatz abgesaugt und gereinigt, um sie dann für die Klimatisierung wieder zurück in die Fertigungshallen zu blasen. Ein Paradebeispiel für diese verantwortungsbewusste Philosophie der Südtiroler ist das aktuelle Kletterschuh-Modell Mythos Eco, das laut Aussage der Südtiroler zu 95% aus recycelten Materialien bestehen soll. Hierzu zählt neben den aus alten Fischernetzen hergestellten Schlaufen auch eine Sohle aus wiederverwertetem Gummi. Apropos Sohle, in Zukunft soll bei Kletterschuhen davon nur noch 1/10 fürs Resoling genutzt werden können und deren Gesamtfläche auf ein absolutes Minimum reduziert, um so möglichst viel Material und Gewicht einzusparen.
Hoch hinaus und dennoch bodenständig und sympathisch
Was bleibt ist der Eindruck, dass hoch oberhalb von Bozen ein Familienunternehmen an gewissen Traditionen festhält, die heutzutage nur noch selten zu finden sind. Hierzu zählt auch, dass nicht auf Gedeih und Verderb nach Wachstum gestrebt wird. So ist zwar eine weitere Produktionsstätte in Prag geplant, aber nicht, um in erster Linie noch mehr Schuhe fertigen zu können, sondern um den zeitweise bis zum Anschlag produzierenden Standort in Südtirol besser entlasten zu können. Zumindest braucht man sich im Val di Fiemme um eines keine Sorgen zu machen – die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Bergstiefeln, Kletter- und Outdoorschuhen wird auch in Zukunft ungebrochen hoch sein. Zu recht, wie wir bei jeder Tour mit unseren so sehr geliebten Nepal Evos feststellen können.