Aktuell stehen die 8.000er aufgrund der Tragödie am Mount Everest mit insgesamt 13 tot geborgenen und noch immer drei vermissten nepalesischen Bergsteigern ungewollt im Fokus. Aber auch die Winterexpedition von Simone Moro und David Göttler am Nanga Parbat sorgten für jede Menge Wirbel rund um die größten Berge der Welt. Denn schon immer übten die Berge einen großen Reiz auf die Menschen aus, sei es nun als aktiver Alpinist und Höhenbergsteiger oder als stiller Beobachter vom heimischen Sofa aus. Während die einen direkt ins Himalaya-Gebiet reisen, um selbst einmal einen Blick hinauf zum „Dach der Welt“ werfen zu können, bleibt den Daheimgebliebenen nun zumindest die Möglichkeit, die 14 Achttausender lesend zu entdecken. Wir haben im neuen und reichlich bebilderten Standardwerk: „Herausforderung 8000er – Die höchsten Berge der Welt im 21. Jahrhundert Menschen, Mythen, Meilensteine“ des Tyrolia Verlags geblättert und die alpinen Glanzleistungen der bergsteigenden Pioniere noch einmal nacherlebt.
Massentourismus vs. alpine Glanzleistungen
Durch die aktuellen Ereignisse am Fuße zum „Dach der Welt“ flammte konsequenterweise auch wieder die Diskussion auf, wieviel „Höhen-Tourismus“ die steinernen Kolosse überhaupt ver- bzw. ertragen können – von den ökologischen Folgen einmal ganz zu schweigen. Denn nach wie vor existieren im 21. Jahrhundert zwei Welten nebeneinander: Während die Medien immer öfter von Massenbesteigungen und deren Auswüchsen berichten, findet eine „elitäre Gruppe“ aus Alpinisten noch immer Raum für Pionierleistungen im absoluten Grenzbereich.
Doch diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr, denn mit der erfolgreichen Besteigung aller 14 Achttausender fiel konsequenterweise auch der Startschuss für den „Run auf die Gipfel“ und wollen sich seitdem immer mehr Menschen den eigenen Lebenstraum verwirklichen, zumindest einmal auf einem 8.000er zu stehen – koste es, was es wolle. Über den Sinn und Unsinn solcher kommerziellen Expeditionen wird im 272 Seiten starken Standardwerk allerdings nicht geurteilt, vielmehr werden darin die bergsteigerischen Highlights, Tragödien und Entwicklungen an allen 14 Achttausendern im neuen Jahrtausend gewürdigt – von Hermann Buhls Erstbesteigung des Nanga Parbat bis hin zu Reinhold Messners Gipfelsturm am Mount Everest ohne Hinzunahme künstlichen Sauerstoffs.
14 Achttausender, 272 Seiten und 307 Fotoaufnahmen
Das Standardwerk des Höhenbergsteigens ist die derzeit einzige deutsche Gesamtbetrachtung zum Status quo des Alpinismus an den höchsten Gipfeln der Welt und liefert über die allseits bekannten Fakten hinaus auch überraschende und neue Einblicke in die Geschichte früherer Besteigungen. Weniger die Fakten stehen im Vordergrund als vielmehr das (Nach)Erleben der Pionierleistungen an allen 8.000ern der Welt. Dabei lassen die Autoren durchaus auch kritische Kommentare zu und hinterfragen mehr oder weniger indirekt die teilweise schon „wahnwitzigen“ Ziele der einzelnen Expeditionen. Dadurch erhält der Leser die Möglichkeit, sich einerseits fachkundig in die Historie der Erstbesteigungen bzw. gescheiterten Versuche einzulesen und kann sich andererseits auch indirekt in die Seilschaft gedanklich mit einklinken.
Auch hinsichtlich der Fakten und Daten bietet das Buch eine fundierte Quelle. So finden sich darin denn auch viele neue Fotoaufnahmen internationaler Expeditionen, Wandbilder der einzelnen Achttausender von allen Seiten, an denen sämtliche Routen der 14 höchsten Bergen dokumentiert sind, garniert durch topaktuelle Statistiken, Tabellen sowie Factboxen zu kontroversiellen Themen wie die Ausbreitung des kommerziellen Expeditionsbergsteigens, Doping beim Höhenbergsteigen oder Luftrettungen in großer Höhe. Wobei Herausgeber Jochen Hemmleb – Alpinhistoriker, Buchautor und selbst aktiver Bergsteiger – seine deutsche Übersetzung sogar noch durch die wichtigsten Ereignisse bis Oktober 2013 ergänzt hat. Somit fasst der neue Band die gesamte Geschichte des Höhenbergsteigens nicht nur zusammen, sondern schafft es zugleich, die beeindruckende Anziehungskraft dieser Giganten zu vermitteln.
Unser Fazit
Ein wirklich gelungenes Standardwerk, das nicht durch bloßes Abarbeiten von Fakten langweilt und bereits bekanntes Wissen neu aufarbeitet, sondern zum Teil einen vollkommen neuen Blick auf die Geschichte des Bergsteigens wirft. Historisch fundiert wird die Gesamtgeschichte aller 8.000er übersichtlich dargestellt und die wahren Hintergründe der Erstbesteigungen fesselnd dokumentiert. Aktuell und detailliert hält es alle internationalen Highlights im neuen Jahrtausend fest und stellt anhand der Neurouten und Varianten die verschiedenen Winter- und Erstbesteigungen sowie Versuche vor. Und zu guter Letzt diskutiert das Buch auch noch die bedeutendsten Rätsel und Debatten in der Geschichte der höchsten Berge der Welt – vom Mysterium um Mallory & Irvine bis hin zur fragwürdigen Kommerzialisierung. Ein Muss für jeden Bergsteiger und ein absolutes Schmankerl für jeden Fan der Himalaya-Region.
Autoren: Richard Sale/Eberhard Jurgalski/George Rodway
Herausgeber & Übersetzer dt. Ausgabe: Jochen Hemmleb
Jahr der Veröffentlichung: Innsbruck-Wien 2013
Verlag: Tyrolia Verlag
Originaltitel: On Top of the World. The New Millennium
Deutscher Titel:Herausforderung 8000er – Die höchsten Berge der Welt im 21. Jahrhundert Menschen, Mythen, Meilensteine
Umfang: 272 Seiten gebunden im Schutzumschlag
Bilder: 213 farbige und 94 sw Abbildungen
Preis: 39,95 Euro (UVP)