„Wenn einer eine Reise tut…dann kann er was erzählen“, so lautet ein bekanntes Sprichwort. Auch wir haben nun jede Menge zu erzählen, denn schließlich waren wir auf einer großen Reise unterwegs – mit vielen zurückgelegten Kilo- und Höhenmetern quer durchs Berchtesgadener Land und dem Südtiroler Rosengarten in den Dolomiten.
Tag 1 – Warmlaufen rund um die Uhr:
Unsere erste Station führte uns gleich rund um die Uhr durch das Berchtesgadener Land und die Region um Chiemgau. Als Teilnehmer beim „24 Stunden von Bayern“ Wanderevent wollten wir uns zum Einstieg auf insgesamt 70km durch die bayerische Voralpenlandschaft warmlaufen und am eigenen Leib erfahren, was es heißt, Grenzen zu überschreiten.
Aus purer Vernunft haben wir nach über 50km abgebrochen, um das noch folgende 5-tägige Hütten-Trekking nicht zu gefährden. Fit waren wir nun allemal.
Tag 2 – Auch wer sich verfährt, kommt irgendwo an:
Die Glieder schmerzten auch ohne, dass wir den kompletten Gewaltmarsch absolviert hatten. Folgerichtig legten wir einen Ruhetag ein und schonten die geschundenen Knochen während der Autofahrt von Inzell nach Südtirol. Über die Brenner-Autobahn gondelten wir gemütlich bis nach Bozen, von wo aus wir uns – die Ausfahrt Bozen-Nord verpasst – in unzähligen Serpentinen nach Welschnofen hinaufschraubten. Dort bezogen wir im Haus Priska unser Zimmer.
Diese unscheinbare Pension bietet als eine der wenigen die Möglichkeit, auch nur für eine Nacht zu bleiben. Ein längerer Aufenthalt lohnt sich aber dennoch, denn die Besitzer sind unglaublich gastfreundlich und wirklich sehr zuvorkommend. So durften wir unser Gepäck sogar im Zimmer zurücklassen (ohne Zuzahlung), in das wir ja ohnehin nach einer Woche wieder zurückkehren wollten. Als Belohnung für die Strapazen des letzten Tages gab es abends Pizza sowie ein regionales Bier – und schlussendlich ein weiches Federbett für die letzte Nacht bevor es losgehen sollte.
Tag 3 – Touristenmeile auf rund 2.700 Höhenmetern:
Am Morgen erwartete uns ein wunderbares Frühstück und noch viel besseres Wetter. Bereits in der Früh kündigte sich die über den Tag aufkommende Hitze an und schickte warme Sonnenstrahlen als Vorbote ins Tal. Die Rucksäcke geschultert, ging es im knackigen Aufstieg auf dem Weg 6 in Richtung der hoch aufragenden Gipfel des Rosengartens. Auf halber Strecke erreichten wir die auf einheitlicher Höhe verlaufende Elisabeth-Promenade.
Hier bietet sich ein herrlicher Blick auf die stattliche Gebirgskette des Latemar. Nachdem wir die Moseralm (1.580 m) passiert hatten, ging es auf Weg 9 durch Kiefernwälder und Wiesen weiter bergauf. Nochmals kreuzten wir die Hauptstraße und erreichten den Hirzlsteig. Dieser führte uns über rund 900 Höhenmeter bis knapp unterhalb der Rotwand, wo er auf ca. 2.300 m Höhe in die Wege 539 und 549 mündet. Von hier aus schlängeln sich diverse, relativ breit angelegte Panoramawege um das Bergmassiv des Rosengartens herum. Sie sind besonders beliebt unter Touristen und dementsprechend stark frequentiert.
In Scharen strömen sie von der Bergbahn der Paolina Hütte kommend hinüber zur Kölner Hütte, um von dort aus wieder nach unten zu gondeln. Eines ihrer Hauptziele ist dabei das große Christomanos Monument am Karerpass, einem 2,70 m großen Bronzeadler, der zu Ehren des Südtiroler Politikers Theodor Christomanos errichtet wurde. Auch wir ließen es uns nicht nehmen, dort ein paar Bilder zu schießen und legten anschließend die letzten Meter zur Rotwandhütte (2.316 m) zurück. Nach insgesamt 6 Stunden reiner Gehzeit erreichten wir endlich unser erstes Nachtlager, wo wir bei einer Karaffe Wein den Tag langsam ausklingen ließen.
Tag 4 – Die vielen Gesichter des Rosengartens:
Frühstück in den Bergen ist und bleibt einfach etwas ganz besonderes. Vor allem, wenn bei jedem Schluck Kaffee das Bergpanorama des Monzoni über dem Rand der eigenen Tasse auftaucht. Visuell und kulinarisch gestärkt ging es im Anschluss leichtfüßig entlang des Wegs 541 und bogen dann auf den Weg 551 hinauf zum Einstieg des Rotwand-Klettersteigs ab. Gigantisch türmen sich unterwegs die Dolomiten auf und lassen erahnen, wovon sich Karl May für seine zahlreichen Romane einst hat inspirieren lassen.
So wähnt man sich zwischenzeitlich tatsächlich fast in den Rocky Mountains und sucht heimlich nach versteckten Indianern. Dem nicht genug, offenbart der Rosengarten fast hinter jeder Wegbiegung ein anderes Gesicht. So wandelt man gefühlt von der irischen Küste hinüber in die karge Landschaft der hohen Tatra und steht plötzlich wieder mitten in den grünen Wiesen von Neuseeland.
Abgelenkt durch diese Vielfalt erreichten wir nach nur knapp zwei Stunden und ohne große Schwierigkeiten den Gipfel der Rotwand (2.806 m). Nach kurzem Abstieg – ohne Zuhilfenahme des Klettersteigsets – ging es über den Vaiolon-Pass (2.565 m) zurück auf die Touristenautobahn (Weg 549). Die erste Überschreitung des Rosengarten-Massivs war geschafft. Nächstes Ziel: die Kölner Hütte. Hier warteten schon Kaffee und Kuchen auf uns. Von dort aus bot sich ein wunderbarer Blick auf die Ausläufer der Dolomiten.
Nach der kurzen Verschnaufpause ging es mit leichter Kletterei auf Weg 550 hinauf zum Passo delle Coronelle (2.630 m). Alternativ bietet sich auch die Tour über den Santnerpass (2.734 m) an, der jedoch häufig bis Ende Juni noch gesperrt ist. Selbst wenn der Klettersteig geöffnet sein sollte, gilt hier äußerste Vorsicht beim Queren der Schneefelder.
Nun lag auch die zweite Überschreitung hinter uns. Entsprechend gemütlich ging es danach zurück auf den Weg 541 bergab, bis zur von mächtigen Schrofen umzäunten Vajolet Hütte (2.242 m). Ursprünglich sollte dort unser Tag enden, doch wir zogen es vor, über den Weg 584 direkt bis zur Grasleitenpasshütte (2.599 m) weiter aufzusteigen. Eine weise Entscheidung wie sich herausstellen sollte.
Denn im Gegensatz zur 120 Mann fassenden Bettenburg konnten wir uns hier oben ganz gemütlich in ein für lediglich 17 Personen ausgelegtes Refugio einquartieren. Und um alles noch perfekt zu machen: Die Blessuren am lodernden Kaminfeuer zu versorgen, hat definitiv auch etwas. Besser kann man den Tag wohl kaum Revue passieren lassen.
Tag 5 – Gipfelsturm mal gemütlich, ist ja schließlich Ruhetag:
Bereits um 8 Uhr morgens weckte uns der erste Sonnenstrahl in der kleinen Kammer unseres Achtpersonenlagers. Da es ausschließlich uns allein zur Verfügung stand, konnten wir uns getrost noch einmal umdrehen. Denn schließlich war ein Ruhetag geplant. Nach über 70 km Wegstrecke in den letzten zwei Tagen und etlichen Höhenmetern … mehr als verdient. So warfen wir uns auf die Holzbänke der Hütte und schmökerten in unseren Büchern. Das sympathische Hüttenpersonal fegte gekonnt um uns herum und hilt uns mit durchgeknallter Heiterkeit bei Laune.
Doch bereits nach 4 Stunden waren uns die Bänke zu hart und das Herumsitzen zu langweilig geworden. Daher machten wir uns dann doch schneller als geplant wieder auf den Weg. Das Ziel: der Kesselkogel (3.002 m), dem höchsten Gipfel des Rosengartens. Zwei Wege führen zu ihm hinauf. Einer davon direkt von der Grasleitenpasshütte aus.
Die zweite Variante über den Weg 585 erfordert einen etwa einstündigen Fußmarsch um den Kesselkogel herum, bis der eigentliche Einstieg erreicht wird. Wir entschieden uns für die vermeintlich gemütlichere Option, da der Klettersteig über die Westflanke doch recht steil ausfällt und im Juni noch immer viele gefährliche Schneefelder aufweist.
Doch auch der einfachere Aufstieg entpuppte sich als nicht ganz ungefährlich. So passierten wir mindestens fünf Schneefelder, die das Sicherungsseil unter sich begraben hatten und teilweise sogar vereist waren. Dementsprechend vorsichtig und langsam arbeiteten wir uns Meter für Meter nach oben und erreichten nach gut zwei Stunden erschöpft den Gipfel. Von dort aus bot sich uns ein gigantischer Rundblick über den gesamten Rosengarten. Insgesamt brauchten wir rund fünf Stunden bis zum Gipfel und wieder zurück zur Hütte, sodass der eigentlich geplante Ruhetag am Ende doch noch zur körperlichen Herausforderung wurde.
Die Dusche am Abend war da der reinste Balsam für Körper und Seele. Um alles noch zu komplettieren, gab es zum Abschluss wieder schmackhaften Rotwein und ein deftiges Gulasch. Für die nötige Unterhaltung sorgte diesmal ein Pärchen aus München, das uns das Schafkopfen beibrachte. Mit einem Lächeln auf den Lippen verabschiedeten wir diesen durchaus ereignisreichen „Ruhetag“ in die Nacht.
Tag 6 – Donnerwetter passend zum Donnerstag:
Allmählich machten sich die Knochen doch bemerkbar. Mit schweren Gliedern stemmten wir uns aus den Betten und ließen das alpine Kleinod hinter uns. Auf ein Frühstück verzichteten wir diesmal, da wir lieber in der Tierser Alpl Hütte (2.440 m) für eine „g’scheide Brotzeit“ einkehren wollten.
Doch dafür musste erst ein tiefes Karr durchschritten und der heftige Anstieg von Weg 554 hinauf zum Molignon-Pass gemeistert werden. Nach knapp zwei Stunden reiner Gehzeit erreichten wir die idyllisch gelegene Alm am Fuße des Molignon. In der Nähe befindet sich auch der Einstieg zum Laurenzi-Klettersteig der ursprünglich vom Erbauer der Hütte zum Gedenken an seine recht früh verstorbene Frau errichtet wurde.
Wer funkelnde Edelsteine finden möchte, sollte am besten in der umliegenden Rosszahn-Gruppe auf die Suche gehen. Das versicherte uns zumindest einer der Angestellten und schwärmte mit leuchtenden Augen von seinen eigenen Schätzen. Weiter ging es anschließend über den sich wunderschön windenden, erdig rot-leuchtenden Weg 4 in Richtung Schlernhaus. Die steinerne Hütte liegt – Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt – auf dem mit grünen Wiesen überzogenen Schlernmassiv.
Schon vom Weiten ist sie sichtbar, wenn man ihr auf gleichbleibender Höhe langsam entgegen wandert. Auf dieser Hochebene lässt sich erahnen, welch gigantische Landschaften einen in Grön- oder Neuseeland erwarten. Am Schlernhaus (2.450 m) angekommen, ließen wir uns im saftigen Gras nieder und tauchten in ein Meer aus Blumen ein. Tief beeindruckt sogen wir das Panorama des Rosengartens in uns auf. Ganze drei Stunden lagen wir so in der Sonne und taten nichts anderes, als die Schönheit der Natur auf uns wirken zu lassen.
Als der Wind zu frisch wurde, schulterten wir ein letztes Mal für diesen Tag unsere Rucksäcke und stapften auf den nur 500 m entfernten Gipfel des Petz (2.563 m). Wer es bis dort geschafft hat, sollte sich die höchst gelegene „Steilküste“ Europas keinesfalls entgehen lassen. So bricht die Hochebene des Schlern an der Santner Kanzel abrupt ab und stürzt geschätzt 500 Meter ins Nichts.
Leider können Fotoaufnahmen kaum wiedergeben, welch ein Gefühl solch eine gähnende Tiefe im Magen auslösen kann. Zurück im Schlernhaus wurde uns und den restlichen 17 Gästen (kaum zu glauben bei einem Platzangebot für mind. 120 Personen!) das Abendessen serviert.
Leider blieb uns dabei das sagenhafte Spektakel des in der Abendsonne rot glühenden Rosengartens wegen dicker Regenwolken verwehrt. Sie waren es auch, die uns dann mitten in der Nacht hochschrecken ließen, denn ein tosendes Gewitter mit gewaltigen Blitzen, grollendem Donner und unendlichen Wassermassen rüttelte heftigst an den Grundmauern der Schutzhütte. Erschöpft vom Tag schliefen wir selbst selbst über den Lärm der trommelnden Hagelkörner sofort wieder ein.
Tag 7 – Bärenfallen und zum Fraß vorgeworfene Delikatessen:
Was sich unseren Augen am Morgen danach bot, war einfach gigantisch. Solch einen ungetrübten, blauen Himmel sieht man wirklich nicht alle Tage. Bis weit in die österreichischen Alpen hinein reichte die Aussicht. Die Luft war durch den Regen so rein gewaschen worden, dass sie klarer als ein geschliffener Diamant zu sein schien. Frischer Wind zog über die Hochebene hinweg und ließ Gänsehaut zurück – oder war es doch die beeindruckende Aussicht?!
Auch diesmal verzichteten wir auf ein Frühstück und erhofften uns stattdessen auf der Sesselschwaiger Alm (1.949 m) eine deftige Brotzeit. So gab es vorerst nur Kaffee als Energielieferant. Was dann folgte, war im wahrsten Sinne des Wortes ein Gewaltmarsch. Denn auch ein Abstieg kann ordentlich schlauchen. So hatte es der Schaufele-Steig (Weg 3) mehr als in sich. Mit jedem der rund 1.000 Höhenmeter weniger, stieg nicht nur das Thermometer.
Auch der Magen machte sich durch lautes Knurren bemerkbar. Zu allem Überfluss war die Klamm im Verlauf des Knüppelwegs wegen Bauarbeiten gesperrt und wir mussten uns über einen knackigen Umweg zum Ziel hinaufkämpfen. Doch die Strapazen wurden mehr als belohnt. Denn auf der bewirtschafteten Alm wird noch mit selbst angebauten, frischen Zutaten gekocht. Kaum zu glauben, wie wunderbar Brennnesselknödel mit zerlassener Butter und ein Glas frische Kuhmilch schmecken können – der Himmel auf Erden.
Doch auch solch ein idyllisches Fleckchen muss man irgendwann wieder verlassen, um sein Ziel zu erreichen. Schweren Herzens ging es mit prall gefüllten Bäuchen hinauf zum Tschafatsch Sattel (2.069 m). Auch dort tat sich wieder ein gigantischer Blick hinüber zum Niger-Pass und die Gipfel der Rotwand auf.
Von hier aus sollte es hinunter ins kleine Örtchen St- Zyprian (1.071 m), wo es dann in Richtung Tiers weiter gehen sollte. Dafür galt es über 1.000 Höhenmeter durch die spektakuläre Schlucht der Bärenfalle hinabzusteigen. Für weiche Knie sorgte dabei nicht nur die Steigung, sondern auch die zahlreichen Holzbrücken und ein am Wegesrand versteckter Zähne-fletschender Bär.
Unten angekommen blieb leider kaum Kraft mehr für den dort angelegten Fitnesspfad. Lieber mobilisierten wir unsere noch verbliebenen Kräfte für den schweißtreibenden Marsch entlang des Rio Bri (Weg 2) und für den letzten Anstieg über Weg 5 hinauf zum Pass des Wolfsgrubenjochs (1.508 m).
Noch einmal galt es bei sengender Hitze über 500 Höhenmeter zu meistern, um zurück nach Welschnofen zu gelangen. Oben angekommen, stolperten wir müden Schrittes den breiten Wallfahrtsweg bis ins Zentrum. In unserer Herberge angekommen, fielen wir nach einer herrlichen Dusche müde, aber glücklich in unsere weichen Federbetten. Geschafft – so wie auch unsere Füße und Oberschenkel.
Tag 8 – Der direkteste Weg etwas Neues zu entdecken, ist der Umweg:
Diesmal trommelte uns ein sanfter Sommerregen aus den Träumen. Es galt Abschied zu nehmen von diesem sagenhaften Ort. Und was bietet sich da besseres an, als mit dem Auto die Serpentinen hinauf bis zum Karer See (1.609 m ) zu fahren, wo einst Kaiserin Sissi schon so manchen Sommerurlaub verbrachte.
In seinem türkisblauen Wasser spiegeln sich herrlich die schroffen Felswände des Latemars wieder. Von dort ging es anschließend zurück in Richtung Bozen und – weil es so schön war – nicht auf direktestem Wege nach München. Stattdessen gondelten wir parallel zur Brennerautobahn über die alte Bundesstraße 12, passierten den Brenner in gemütlicher Fahrt und verschafften uns so einen vollkommen anderen Blickwinkel auf bereits zuvor Gesehenes.
Die Entschleunigung nahmen wir dabei gern in Kauf – zumal uns der gesamte Tag für die Rückreise zur Verfügung stand. Dementsprechend fuhren wir auch noch einen kleinen Umweg über das wunderschöne Leutaschtal bei Mittenwald und feuerten vom Auto aus die Teilnehmer des „Zugspitz Ultratrails“ an.
Dann noch ein kurzer Abstecher nach Garmisch Partenkirchen hinein und zum Schluss geradewegs zurück nach München. Somit lagen acht Tage mit über 120 km Wegstrecke und etlichen tausend Höhenmetern hinter uns und hinterließen Eindrücke, die wir garantiert so schnell nicht wieder vergessen werden. Mehr Infos über Südtirol gibt’s unter: www.suedtirol.info