Sie liebt und lebt die Extreme. 2010 stand die Südtirolerin Tamara Lunger mit gerade einmal 24 Jahren als jüngste Frau auf dem Gipfel des Lhotse. Vier Jahre später, im Juli 2014, folgte mit dem K2 der wohl gefährlichste aller Achttausender. Bevor es für Tamara im Anschluss an die Expedition für 16 Tage auf das Oktoberfest zum Kellnern ging, gewann die Ausnahmeathletin zusammen mit ihrer Laufpartnerin Annemarie Gross „mal noch eben schnell“ den Transalpine-Run. Acht Tage, 275 Kilometer und 13.000 Höhenmeter – eine echte Schinderei, bei der die sympathische Extrembergsteigerin mehr als nur einmal an ihre körperlichen Grenzen gehen musste. Getreu dem Motto „Von den Besten lernen“ haben wir uns mit Tamara über die Faszination Trailrunning unterhalten und uns von ihr einige Tipps für Einsteiger besorgt. Im Interview verrät die The North Face Athletin ihre Must-Haves für Läufe abseits befestigter Wege und was bei ihr zur Stärkung auf den Teller kommt.
Tamara Lunger – über ihre Leidenschaft fürs Trailrunning
Trailrunning ist derzeit in aller Munde und in den letzten Jahren hat sich ein ziemlicher Hype darum entwickelt. Was ist für dich persönlich das Besondere an diesem Sport?
Freiheit, meinen Weg zu bestimmen: Natur, Erlebnis und Abenteuer. Ich starte meistens mit einer wagen Idee. Aber das Interessante passiert dann während dem Lauf. Wo will ich hin, rechts, links, Tal, Berg – ich lauf einfach drauf los.
Auf einen Berg zu laufen – und nicht nur zu gehen – ist jetzt an sich nichts Neues. Kannst du dir erklären, woher plötzlich diese Faszination für das Trailrunning kommt? Ein etwas abenteuerlicher klingender Name und gutes Marketing alleine werden es ja wohl kaum sein – oder vielleicht doch?
Nachdem viele Menschen manchmal ein eintöniges und „langweiliges“ Leben haben, glaube ich, dass sie einfach wieder etwas zurück zur Natur wollen und dann auch an ihre Limits gehen wollen, indem sie sich körperlich herausfordern.
Seit wann läufst du schon auf Berge und wie bist du überhaupt dazu gekommen?
Es war immer etwas, das mir gefallen hat. Aber ich hatte nie die Knie dazu… nach 13 Jahren Schmerzen und Therapien zur genüge, ging es etwas besser und ich wollte die Transalp laufen. Zuvor hab ich noch einen 60 km Lauf gemacht, ohne Training gleich nach einer Expedition. Es war super, trotz Schmerzen. Ich kann leiden bis zum bitteren Ende. Das ist meine Stärke und ich weiß, was ich meinem Körper zutrauen kann, was aber auch jahrelange Erfahrung erfordert.
Faszination Trailrunning – das sollten Einsteiger beachten
Wie heißt es doch so schön: Aller Anfang ist schwer. Welche Tipps kannst du Einsteigern mit auf den Weg geben? Wie fängt man am besten an zu trainieren?
1. Man muss es wollen. 2. Einfach raus und gehen, laufen, spielen und sich austoben, Natur genießen. So lernt man sich kennen und weiß immer mehr was der eigene Körper kann. Eine gute Basis ist natürlich von Vorteil (Berggehen, Mountainbiken, Spazierengehen…)
Welche Ausrüstung ist deiner Meinung nach unverzichtbar, um mit dem Trailrunning zu beginnen? Was sind Must-Haves und was fällt vielleicht eher in die Kategorie „Nice to have“?
Must have: Gute Schuhe, die nicht schmerzen und Freude an der Bewegung. Sobald es ein MUSS wird, ist man schon nicht mehr frei. Es sollte eher ein hartes Warten darauf sein. Außerdem Wasser und ein Notfallhäppchen für den Unterzucker. 😉
Ein „Nice to have“ finde ich die schicken Klamotten und den Handyhalter am Oberarm. Für mich muss es sich gut anfühlen und es steht bei mir einfach das Naturerlebnis im Vordergrund. Ich will ja raus und nicht durch die Musik wieder irgendwo rein.
…und auf was kann man gerade am Anfang auch ganz gut verzichten?
Auf das richtig harte Intervalltraining.
Worauf sollten Einsteiger beim Kauf von Schuhen, Jacke und Co. besonders achten?
Es muss einfach passen. Für mich fühlen sich Schuhe mit guter Dämpfung super an. Aber da ist jeder anders. Sofern man muskulöse Oberschenkel hat wie ich, sollte man bei längeren Einheiten keine zu kurzen Hosen mit Naht tragen, die die Haut an der Innenseite der Oberschenkel ziemlich reizen. Man sollte sich nicht schön, sondern FREI fühlen. Nicht zu heiß, nicht zu warm, aber das weiß jeder selbst. Was ich gar nicht gut finde, sind weite Hosen oder gar Jeans. Da wäre mir schnell zu warm.
Für die Gelenke und Muskeln ist Trailrunning ziemlich fordernd. Wie kann man Verletzungen am besten vorbeugen?
Mit ein wenig Lauf-ABC (Laufübungen für die richtige Lauftechnik). Unterstützend ein wenig Koordination und auch Stabilisationsübungen schaden nie. Perfekt finde ich gerade das Angebot von The North Face in London, Paris und München. Dort werden kostenlose Trainingsstunden für jeden angeboten, der sich für ein Abenteuer am Berg vorbereiten möchte.
Auf Berge zu laufen ist sehr anstrengend. Keine Frage. Manche Sportler schwören unterwegs auf Gels, andere essen Powerriegel und wieder andere lassen das mit dem Essen lieber ganz bleiben. Wie ist das bei dir?
Ich steh auf Wasser und wenn ich was esse, dann sollte es was Gscheit´s sein. Obst, Gemüse, Nüsse oder auch Mal ein Riegel. Im Rennen dann auch gerne ein Gel, wenn man ganz auf dem Zahnfleisch ist.
Du hast 2014 zusammen mit Annemarie Gross den Transalpine-Run gewonnen, der als einer der anspruchsvollsten Bergläufe in Europa gilt. Die Königsdisziplin hast du also sozusagen schon bewältigt. Gibt es für dich noch ein Ziel, das du im Bereich Trailrunning bzw. Ultra Trail noch erreichen möchtest oder konzentrierst du dich künftig voll aus Höhenbergsteigen?
Mir würde ein Trailrun in Nepal gefallen, in etwas mehr Höhe. Zudem wünsche ich mir die Gesundheit, meine Kondition noch mehr auszubauen und auch mal einen hohen Berg in Schnelligkeit zu versuchen. Ob es dort fürs Laufen noch reicht bezweifle ich allerdings, da man doch einen schweren Rucksack hat. Aber schauen wir mal.
Nutzt du das Trailrunning als Training zur Vorbereitung für deine Expeditionen oder ist es doch eher losgekoppelt von anderen alpinen Zielen?
Beim Bergsteigen ist es wie beim Laufen. Das ist meine Leidenschaft und dort fühle ich mich absolut frei. Alles was ich in der Natur machen darf, sehe ich als Geschenk und hilft mir in jeder Disziplin. Früher wollte ich immer nur schnell sein und Höhenmeter machen. Das hat sich jetzt etwas gelegt, weil ich durch meine Schmerzen auch andere Werte erfahren habe. Ein Lauf im Wald endet bei mir jetzt selten ohne Meditation dazwischen. Es schenkt mir Freude und Leben, Zufriedenheit, Vollkommenheit und Freude. Vorbereitung nicht nur für Expeditionen sondern fürs tägliche Leben 🙂
Du bist bei der Transalp an deine körperlichen Grenzen gestoßen, inwieweit kann man Schmerzen und muskulären Probleme allein mit dem Kopf besiegen. Sollte oder kann man sich auf eine solche „Tortour“ überhaupt vorbereiten?
Ich kann wirklich an mein Grenzen gehen, was sicherlich ein großer Vorteil und ein Plus ist. Ich vertraue meinem Körper und weiß, dass er (meistens) alles schafft, was ich mir wünsche. Ich muss sagen, für die Transalp damals 2014 hab ich mich wenig vorbereitet. Ich war ja am K2 und dann hatte ich nur 20 Tage Zeit, um mich vorzubereiten oder zu erholen – das kann man jetzt nehmen wie man will 😉 Jedenfalls wollte ich es einfach volle Kanne. Ich wollte mir beweisen, was ich alles kann. Dass ich danach im Krankenhaus gelandet bin, war mir eine Lehre. Kellnerin am Oktoberfest mit täglichem Alkoholkonsum, wenig Schlaf und „Pugglerei“ musste ich ja auch noch überstehen. Aber zugleich war ich sehr stolz auf meinen Kampfgeist!