Wir befinden uns im Jahre 2014 nach Christus. Der gesamte Alpenraum ist von modernen Skiressorts besetzt. Wirklich der ganze? Nein! In einem abgelegenen Skigebiet am Haldigrat in der Zentralschweiz, versteckt zwischen hohen Bergen stemmt sich wacker ein einzelner Sessellift den Besatzern. Gut bewacht von Kurt Mathis, der die gondelnde Bastion vor gut zehn Jahren noch vor dem Abriss rettete.
Wer nach oben will, muss Geduld mitbringen.
Wer am Haldigrat bei Engelberg bis ganz nach oben will, der muss erst den „Hörer abnehmen und warten“, so steht es jedenfalls handschriftlich an der Talstation. Ein Anruf genügt, und zwar mit dem guten alten Telefon. Doch wer den fast 50 Jahre alten Sessellift nutzen will, sucht vergeblich nach Personal. Denn dessen Betreiber verfolgt das Geschehen nicht wie sonst üblich vom Tal, sondern von der Bergstation (1.937 Meter) aus – per Videokamera. Daher heißt es vor jeder Fahrt erst einmal anrufen, bevor die Fahrgäste einsteigen dürfen und nach oben befördert werden. Gezahlt wird nach dem Aussteigen, frei nach dem Motto: „Erst die Ware, dann das Geld“.
Insider informieren sich vorab selbst per Webcam, ob Kurt überhaupt da ist. Denn bei schlechtem Wetter kann es durchaus einmal vorkommen, dass der resistente Schweizer lieber in der warmen Stube bleibt. Ist er jedoch vor Ort, dann wird an der Bergstation in Blickrichtung zum 400 Meter höher gelegenen Brisen eine Tafel mit der Aufschrift „Heute in Betrieb“ aufgestellt – gut sichtbar für die Argusaugen der Internetgemeinde und in der Regel nur am Wochenende. Und sollte der Lift doch einmal außer Betrieb bleiben, finden Tourengänger und Freerider genügend Alternativen in der Umgebung. Der ganz persönliche Tipp lautet daher auch: Von Wolfenschiessen im Engelberger Tal fährt eine Seilbahn auf den Brändlen, von wo aus die Route über den Haldigrat zum Gipfel des Brisen führt, mit Blick auf die umliegende Bergwelt und den Titlis-Gletscher. „Dann hinunter zu meiner Bergstation und über den Grat zurück zum Brändlen. Das dauert rund eineinhalb Stunden“, meint Kurt Mathis.
Steile Karriere vom gelernten Gipser zum Kinostar
„Immer mehr, immer schneller“ – diesem allgegenwärtigen Trend trotzen einige der zahlreichen Freeride- und Skitouren-Gebiete bei Engelberg. Allen voran der Sessellift von Kurt Mathis, den der gelernte Gipser vor 13 Jahren gerettet hat, um ihn „in die nächste Generation durchzubringen“, wie er selbst sagt. Mit seiner Frau Antoinette, die das Bergrestaurant führt, verleiht er dem Gebiet so seinen ganz besonderen Geheimtipp-Charakter. Entsprechend einzigartig gestaltet sich auch der Weg dorthin: Nur ab der Bergstation Niederrickenbach ist der Lift über einen geräumten Winterwanderweg und in rund 30 Minuten erreichbar. Die nicht markierten und unkontrollierten Abfahrten sind dabei nur auf eigenes Risiko befahrbar. Um das große Geld geht es den Beiden so oder so nicht. Wie auch, nachdem bei der ursprünglichen Beförderungskapazität von 550 Personen pro Stunde einfach eine Null gestrichen wurde, geht es seit dem Liftkauf generell etwas ruhiger zu in der Region.
„Ich betreibe die Bahn alleine und 55 ist mein Jahrgang, da geht nun mal alles ein wenig langsamer“, erklärt Kurt. Demnach können alle sechs Minuten insgesamt nur vier Personen befördert werden. Halb- oder Ganztageskarten gibt es nicht. „Zwanzig. Nächstes Mal bitte mitbringen. Jede weitere Fahrt kostet nochmal Fünf“, erklärt Kurt sein Bezahlsystem immer wieder aufs Neue – selbst Stammgästen. Soll heißen: Die ersten beiden Fahrten kosten 20,- CHF, für jede weitere Tour müssen nochmals fünf weitere Schweizer Franken berappt werden. Ein Konzept, das inzwischen weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt geworden ist, nachdem der Doku-Film „Kurt und der Sessellift“ von von Thaïs Odermatt (Schweiz) beim Tegernseer Bergfilm-Festival im Jahr 2013 den ersten Platz in der Kategorie »Lebensraum Berg« belegte. Ob Kurt seitdem neben dem Knopfdrücken inzwischen auch Autogramme geben muss, ist allerdings nicht überliefert.
Fakten zur Urlaubsregion Engelberg-Titlis (Schweiz)
Während am Haldigrat vor allem Freerider unterwegs sind, treffen sich im Nachbartal Bannalp vor allem die Skitourengeher. Ausgangspunkt ist die durch eine Seilbahn von Oberrickenbach erschlossene Chrüzhütte. Von dort gehen verschiedene Strecken mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad ab: Einsteiger wählen bspw. die Route zum Kaiserstuhl, Fortgeschrittene die zum Laucherenstock (2.639 Meter) und Könner den Weg hinauf zum 2.814 Meter hohen Ruchstock. Und wer es noch eine Nummer größer mag, der findet im anspruchsvollen Gelände rund um den 3.239 Meter hohen Titlis und dessen Gletscher ein neues Zuhause – wie schon so mancher, international bekannte Freeride-Profi.
- größter Ferien- und Erholungsort der Zentralschweiz, Klosterdorf, Gründung 1120, gelegen im Kanton Obwalden, 1.050 bis 3.020 Meter
- Gletscher-Skigebiet und international bekannte Wintersport-Destination
- 82 km markierte Skiabfahrten und mehr als 100 km Freeride-Gebiet
- 12 km lange Abfahrt vom Titlis nach Engelberg – eine der längsten im Alpenraum
- Ausrichter des „FIS Weltcup Skispringen“ auf der größten Naturschanze der Welt
- Titlis Rotair – erste drehbare Luftseilbahn der Welt
- Höchstgelegene Hängeseilbrücke Europas
- Im Sommer bietet die Region alternativ auch beste Voraussetzungen für Freizeitaktivitäten wie Bergwandern, Klettern, Mountainbiken, Paragliden oder Gletschertrekking
Quelle: Engelberg-Titlis Tourismus AG