Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit Kletterprofi Hansjörg Auer

von | 14. Juni 2016 | Interviews und Potraits, Outdoornews

„Weg durch den Fisch“ und „Bruderliebe“ an der Marmolada, „Bayrischer Traum“ an der Schüsselkarspitze, „Fata Morgana“ im Oman oder der Kunyang Chhish Eas in Pakistan – der Österreicher Hansjörg Auer zählt mit seinen spektakulären Free-Solo Begehungen und Erstbesteigungen zu den erfolgreichsten Kletterern weltweit. Seine letzte Expedition führte den 1984 geborenen Ausnahmeathleten im April dieses Jahres nach Nepal, wo er zusammen mit David Lama und Alex Blümel versuchte, die 7555m hohe Annapurna III über den Südost-Pfeiler zu bezwingen.

Mit dem Gipfelsturm wollte es leider nicht klappen. Natürlich hatte der sympathische 32-jährige beim „5 to 9“ Wanderevent seines Hauptsponsors The North Face am Samerberg trotzdem jede Menge spannende Geschichten zu erzählen. Als Special-Guest der Veranstaltung berichtete er den rund 60 Teilnehmern am gemütlichen Lagerfeuer von seinen Bergabenteuer, den psychischen Herausforderungen beim Free-Solo Klettern und dem Umgang mit dem Scheitern von lang ersehnten Vorhaben. Als es am nächsten Tag frühmorgens wieder Richtung Tal ging, haben wir uns „Hensn“ – wie der studierte Mathematik- und Sportlehrer von seinen Freunden genannt wird – zur Seite genommen, um ihm im Rahmen unserer neuen Serie „Einmal Luft holen bitte…“ auf den Zahn zu fühlen. Kurze Fragen, knapp und präzise beantwortet – eben genau so lange, wie man mit einem Atemzug kommt. Ein Format, das sowohl uns als auch dem gebürtigen Österreicher um 6 Uhr morgens durchaus entgegen kam. Im Interview erfahrt Ihr u.a. auf welches Accessoire Hansjörg Auer am Berg nicht verzichten möchte, mit wem er am liebsten am Seil hängt und mit welchem Sport er so rein gar nichts anfangen kann.

Entweder oder…nachgefragt bei Hansjörg Auer

…Winter oder Sommer?
Beides gleich gerne.

…Asien oder Amerika?
Asien
…früh aufstehen oder lange ausschlafen?
Kommt ganz darauf an, was ich vorhabe. Wenn ich in die Berge gehe, dann steh ich früh auf. Wenn ich nichts vorhabe, dann schlafe ich auch gerne mal aus. Aber um 9 Uhr ist so oder so definitiv Schluss.
…Kaffee oder Tee?
Kaffee
…Zelt oder Biwaksack?
Biwak und Sternenhimmel. Aber kommt natürlich auf das Wetter an.

Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit Kletterprofi Hansjörg Auer

Hansjörg Auer beim 5 to 9 Wanderevent von The North Face (© Sandra Steh)

…Daune oder Synthetik?
Daune
 …Trinkflasche oder Trinksystem?
Trinkflasche
…Butterbrot oder Müsli?
Butterbrot
…Solobesteigung oder Seilschaft?
Ich mag beides – alleine unterwegs sein und in der Seilschaft. Aber die Intensität der Erfahrung ist eben eine andere. In der Seilschaft teilt man alles. Wenn man solo unterwegs ist, dann kann man erst danach von seinen Erlebnissen berichten und muss ansonsten mit sich selbst auskommen.
…Heimat oder Ferne?
Die Ferne hat natürlich was. Aber ich bin schon sehr heimatverbunden. Sagen wir es so: Ich weiß, wo ich hingehöre.

Interview -

The North Face Athlet Hansjörg Auer beim Eisklettern im Ötztal (© Damiano Levati)

 …Risiko oder Sicherheit?
Risiko. Ganz klar.
…Beweis oder Vertrauen?
Ich bin grundsätzlich für Vertrauen. Wenn aber Ungereimtheiten auftauchen, dann muss man einen Beweis erbringen.

Kurz und knapp…der Profikletterer steht Rede und Antwort

Der größte Gipfelerfolg?
Hm…das ist sehr schwer zu sagen. Es gab viele Highlights. Aber natürlich bleiben einem Free-Solo Begehungen oder Erstbesteigungen wie die des Kunyang Chhish besonders im Gedächtnis.

Interview – Alpinhelden: Einmal Luft holen bitte…mit Kletterprofi Hansjörg Auer

Profikletter Hansjörg Auer bei der Erstbesteigung des Kunyang Chhish East (© Archiv Hansjörg Auer)

Der schönste Tag?
Mit dir natürlich (lacht). Na Spaß. Ein ganz besonderer Moment war sicherlich, als ich nach einer langen Verletzung das erste Mal wieder 100 Meter laufen konnte.
Anmerkung der Redaktion: Hansjörg Auer stürzte 2008 auf der gefährlichen Route „Bachar-Yerian“ in den kalifornischen Tuolumne Meadows rund 20 Meter ab und brach sich das Sprungbein. Vier Monate verbrachte er im Anschluss auf Krücken.
Die schwierigste Entscheidung?
Bis jetzt keine. Ich bin generell ganz gut darin, Entscheidungen zu treffen. Wenn sie gefallen sind, dann ist es so und dann hinterfrage ich das auch nicht mehr. Man muss die Konsequenzen tragen können und nicht im Nachhinein hadern. Das können viele Leute nicht.

Der beste Seilpartner?
Je nachdem wo es hingehen soll. Früher war ich viel und gern mit Thomas Scheiber unterwegs. Den kennen die meisten jetzt nicht so. Ansonsten Much Mayr fürs Klettern und in höheren Lagen Simon Anthamatten.
Die beste Bergbrotzeit?
Vorm Einstieg in eine schwierige Route.
Dein Lieblings-Kleidungsstück
Das Thermoball Jacket von The North Face.

Interview - Profikletter Hansjörg Auer (© Elias Holzknecht)

Profikletter Hansjörg Auer im Einsatz (© Elias Holzknecht)

Das Must-Have am Berg?
Ein Stofftaschentuch. Das ist sehr vielseitig einsetzbar. Also zum Beispiel als Kopftuch oder auch zum Abbinden bei Verletzungen.
Das faszinierendste Land?
Israel – aber auch in negativer Weise. Wir waren dort vor einiger Zeit beim Klettern mit ein paar Leuten. Die Trennung eines Landes und von Menschen durch eine Mauer – also zwischen Israel und dem Westjordanland – ist für mich nicht zu begreifen.
Die Lieblingssportart – neben dem Klettern?
Skitouren gehen, Freeriden, Joggen – also Berglauf – und Paragliding. Hauptsache nicht Schwimmen. Das ist mein absoluter Anti-Sport. Dazu gibt es auch eine nette Geschichte. Ich hab ja Lehramt für Sport und Mathematik studiert. Währen des Studiums mussten wir dafür auch ein Rettungsschwimmer-Abzeichen machen. Das gehörte dazu, weil man mit den Kindern vielleicht auch mal ins Schwimmbad geht. Ich konnte das aber gar nicht. Weil ich sonst überall sehr gut war, haben die ein paar Augen zugedrückt. Ich musste einige andere Kurse doppelt machen und hab das Studium auch fertig gemacht. Bei der Abschlussfeier als ich an der Reihe war, hat der Professor dann vor allen gesagt, dass der Hansjörg, wenn er mit einer Schulklasse ins Schwimmbad geht, aber unbedingt eine Rettungsboje dabei haben muss.
Die wichtigste Vertrauensperson?
Mein Bruder Matthias. Wir haben immer viel miteinander gemacht und reden über alles. Zu Geschwistern hat man einfach nochmal ein anderes Verhältnis als zu anderen Leuten. Generell bin ich jemand, der viel erzählt, wenn ich Vertrauen habe.
Das Wichtigste im Leben?
Mathias Rebitsch hat einmal gesagt „Es ist leichter ein guter Bergsteiger zu werden, als ein alter“. Ich glaube, damit hat er schon Recht. Das Wichtigste ist, dass nichts passiert. Gesund bleiben. Das zählt.