Interview – Sten Smola: Snowboardfilm STEPS – ein Klimaschützer muss kein Fanatiker sein!

von | 02. Dezember 2013 | Interviews und Potraits, Outdoornews

STEPS ist der wohl mit Abstand am nachhaltigsten produzierte Film dieses Winters und geht der provokanten Frage nach: Ist Freeriden, Snowboarden und Skifahren heutzutage überhaupt noch im Einklang mit der Natur möglich? Antworten gab uns der Kopf hinter dem weitsichtigen Filmprojekt in einem Interview: Sten Smola (Schweiz) ist leidenschaftlicher Wintersportler und Mitbegründer der Organisation Ride Greener, einer Organisation die sich u.a. für klimafreundliches Snowboarding und Skiing sowie ein umweltbewusstes Verhalten in den Bergen einsetzt.

Sten Smola von der Umweltorganisation „Ride Greener“ über seinen Snowboardfilm „STEPS“:

1. Gab es einen konkreten Vorfall oder einen Schlüsselmoment, dass du auf die Idee gekommen bist, einen möglichst klimaneutralen Film wie STEPS zu drehen?
Es gab keinen konkreten Moment, vielmehr ist die Idee einen Film wie STEPS zu realisieren über die Jahre gewachsen. Ich habe die Notwendigkeit gespürt, dass es an der Zeit ist einen Film zu machen, der die Leute inspiriert und zum Nachdenken bewegt. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, unsere Gesellschaft befindet sich in einer System- und Umweltkrise. Wenn wir den Klimawandel mit unserer CO2 intensiven Lebensweise weiter so vorantreiben wie in den letzten 60-100 Jahren, wird bereits die nächste Generation einen prekären Lebensraum vorfinden. Ganz abgesehen von den Generationen die danach kommen. Natürlich lässt sich mit einem Film nicht die Welt retten, aber zumindest kann er tausende von Leuten dazu bewegen, etwas zu verändern. Es braucht aber natürlich noch zahlreiche andere Projekte und Initiativen wie STEPS, um wirklich etwas in den Köpfen und letztendlich in der Welt zu bewegen.

2. Ab wann ist für dich ein Snowboardmovie denn „klimafreundlich“?
Ein Snowboardfilm ist immer dann „klimafreundlich“, wenn die CO2-Emissionen der Filmproduktion so tief wie möglich gehalten werden. Konkret bedeutet dies, dass man nur regional filmt und so oft wie möglich mit dem öffentlichen Nahverkehr in die Berge fährt und nicht dem Powder um die ganze Welt hinterher fliegt. Soll heißen, dass möglichst komplett auf Helis und Flugzeuge verzichtet wird, schließlich sind beide extrem CO2 intensiv. Wenn das ganze Filmteam sowie die Protagonisten auch noch selbst ihre Höhenmeter mit der eigenen Manpower zurücklegen und relativ spartanisch im Zelt übernachten, kann der CO2-Ausstoss auf ein Minimum reduziert werden. Zur besseren Veranschaulichung ein Vergleich: STEPS hat insgesamt rund 1.85 Tonnen an CO2-Emissionen produziert, was in etwa einem Fünftel des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes eines Europäers pro Jahr entspricht. Eine global ausgerichtete Produktion eines Wintersportfilms beläuft sich hingegen auf 50 bis 60 Tonnen an CO2-Emissionen – also die dreißigfache Menge. Beeindruckend, oder?

3. Wäre es dann nicht am klimafreundlichsten gewesen, einfach gar keinen weiteren Snowboardfilm zu drehen?
Natürlich wäre es am klimafreundlichsten gewesen, wenn wir alle einfach zu Hause geblieben wären. Mit STEPS zeigen wir aber, dass es einen Weg gibt, eine Menge Spass am Berg zu haben – ohne dabei der Umwelt und dem Klima grossen Schaden zuzufügen. STEPS ist nicht einfach ein weiteres Snowboardmovie. STEPS ist vielmehr eine Symbiose aus Wintersport- und Dokumentarfilm, der die Leute zum nachdenken bewegen will. Ohne dieses Filmprojekt könnten wir unsere Message niemals so weit in die Welt hinaustragen oder die Leute dazu inspirieren, ihr eigenes Handeln zu überdenken.

4. Wen wollt ihr mit STEPS denn konkret ansprechen bzw. was ist die Message, die ihr damit transportieren wollt?
Wir wollen mit STEPS zeigen, dass man bereits mit kleinen Optimierungen in seinem Verhalten etwas bewegen kann. Jeder Einzelne ist wichtig, um die voranschreitende globale Erwärmung noch umkehren zu können, wenn wir auch der nächsten Generation eine intakte Natur überlassen wollen. Die wichtigste Message des Films ist für uns: Bewusster Verzicht bedeutet nicht per se, dadurch auch etwas verpassen zu müssen. Im Gegenteil: Verzichten bedeutet vielfach, das eigene Leben intensiver zu leben und dabei auch Verantwortung zu tragen. Dementsprechend wollen wir mit STEPS soviele Menschen und jeden Alters erreichen. Denn es ist für keinen zu früh und für keinen zu spät, bereits heute etwas zu bewegen.

5. Was erwartet ihr konkret von anderen Filmproduktionen, die – gemäss euch – nicht klimafreundlich produzieren?
Wir haben keine Erwartungen. Vielmehr haben wir die Hoffnung, dass Filmemacher sowie Fahrer in naher Zukunft begreifen werden, dass man sich durch die CO2-intensive Produktionsweise selber ans Bein pinkelt. Es ist doch paradox: Auf der einen Seite möchten alle immer Powder shredden und beste Schneebedingungen vorfinden, und auf der anderen Seite produzieren sie dabei Unmengen an CO2-Emissionen und heizen somit die globale Erwärmung weiter an. In unseren Augen ist das eine viel zu kurzfristige und egoistische Denkweise. STEPS zeigt, dass atemberaubende Bilder auch vor der eigenen Haustüre und mit minimalem CO2-Ausstoss entstehen können. Und das kann jeder, sofern der Wille und die Überzeugung dafür da sind.

6. Wie stehst du zur Marke Red Bull und deren Action-Skifilme wie „Art of Flight“ – Hand aufs Herz, hast du dir den Film damals angesehen?
Ich habe mir „Art of Flight“ nicht angesehen, den Trailer dazu aber schon. Natürlich sind das atemberaubende Bilder und hochwertige Snowboardaction, aber wenn im Trailer bereits mehr Flugzeuge und Helis vorkommen als Snowboarder, dann kann ich mich mit dem Film und seinen Akteuren nicht identifizieren. Erstens, weil es ökologisch keine nachhaltige, und zweitens eine ziemlich elitäre Produktionsweise ist. Wer kann es sich schon leisten, um die Welt zu fliegen. Und dann auch noch mit dem Heli zu den besten Spots geflogen zu werden. Für „schneller, härter, weiter, höher“ sollte man nicht alle seine Werte verkaufen. Das soll nicht heißen, dass ich grundsätzlich gegen den Fortschritt im Sport bin. Wenn dieser aber vornehmlich auf Kosten der Umwelt geht, ist der Preis meiner Meinung nach in jeder Hinsicht einfach zu hoch.

7. Was waren die grössten Herausforderungen während der Realisierung von STEPS?
Man muss sich bewusst sein, dass ein solches Film-Pionierprojekt einiges an Schweiß, Kraft und Nerven kostet. Gelingen oder Scheitern stehen dabei stets sehr nahe beieinander, da man zu Fuß auch bei bester Planung immer wieder ins Leere laufen kann. Das Wetter und die begehrten Hänge präsentieren sich im Laufe eines Winters allzu oft nur während weniger Tage in den idealen Bedingungen. Ist man zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, hat man einfach Pech gehabt und muss eben warten – im schlimmsten Fall nochmals ein ganzes Jahr. Schließlich ist da kein Helikopter, der einen in solchen Momenten schnell auf die andere Talseite fliegen kann, wo sich der Nebel schon verzogen oder der Wind nicht den ganzen Schnee verblasen hat. Dazu müssen die zahlreichen Action-Aufnahmen auf einem hohem Niveau sein. Das Filmpublikum macht in diesem Punkt keine Kompromisse, selbst wenn die Aufnahmen am Ende umweltfreundlich entstanden sind. Das ist der unfaire Part bei einer klimafreundlichen Filmproduktion. Mit einem Heli produziert man in einem Tag etwa so viele Filmaufnahmen wie in ganzen zehn Tagen zu Fuß.

8. War STEPS ein einmaliges Filmprojekt von Ride Greener oder können wir nun regelmässig was von euch erwarten?
Das wird sich zeigen. Die Feedbacks auf den Filmfestivals waren bisher ausnahmslos sehr positiv. Das weltweite Publikum schätzt es also durchaus, dass STEPS eben nicht wieder eine Wiederholung des 1238. Actionmovies ist, sondern ein Film mit Tiefgang, bei dem es um mehr geht, als nur um krasse Tricks. Dennoch möchten wir unser Erstlingswerk STEPS erst einmal sacken lassen und darüber nachdenken, ob wir mit dem Film auch das erreichen konnten, wie wir es ursprünglich geplant hatten. Ein neues Filmprojekt würde für mich persönlich erst dann wieder Sinn machen, wenn ich spüre, dass die Notwendigkeit für eine tiefere Durchleuchtung eines bestimmten Thema besteht.

9. Welche Rolle spielten Ride Greener und die Outdoormarke Patagonia bei der Realisierung von STEPS?
Ride Greener ist Ideengeber und Produzent von STEPS. Ohne Ride Greener gäbe es kein solches Filmprojekt. Patagonia hat in erster Linie dabei mitgeholfen, STEPS zu finanzieren. Aber viel wichtiger: Patagonia hat uns dabei geholfen, STEPS kommunikativ in die Welt zu tragen. Wir sind sehr glücklich, dass wir mit einer Outdoormarke wie Patagonia zusammenarbeiten konnten. Schließlich teilt sie dieselben Werte wie wir und machen alles mögliche, um Jetzt und in der Zukunft Wege zu finden, die Produktion von Kleidern so ökologisch nachhaltig zu gestalten. Auch Patagonia versucht, andere Firmen und Menschen für ein Umdenken zu motivieren.

10. Noch eine abschließende Frage: Wie weit würdest du beim Thema Klimaschutz gehen?
So weit wie es nötig ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass man als Klimaschützer kein Fanatiker sein muss. Man muss sich in seinem Leben einfach mehr anstrengen, besser informieren und ein gewisses Mass an Bequemlichkeit ablegen. Neue alternative Energie- und Wärmetechniken sowie unzählige CO2-arme Mobilitätsformen gibt es ja bereits. Nun gilt es, sie auch möglichst konsequent anzuwenden. Dabei muss man aber nicht zwingend auf Spass im Leben verzichten – im Gegenteil: Man lebt sogar intensiver.

Wir bedanken uns für das Interview und die dadurch gewährten Einblicke in die Organisation von Ride Greener. Das Team von airFreshing.com wünscht allen Mitgliedern weiterhin viel Erfolg bei der Überzeugung möglichst vieler Menschen und allen anstehenden Projekten für klimafreundichen Sport in den Bergen.