Skitouren führen nicht immer nur durch sanfte Winterlandschaften und weitflächige Wiesenhänge, die mit sattem Powder und traumhaften Lines in unberührten Steilhängen locken. Alpines Skibergsteigen fängt genau dort an, wo es für die meisten Tourengeher langsam zu gefährlich wird. Dort, wo man beim Aufstieg knackige Anstiege, bockharte Traversen und rassige Zustiege über vereiste Flanken beim Gipfelsturm überwinden muss. Szenarien, die Splitboarder bisher meist nur vom Hören und Sagen kannten. Denn spätestens in verblocktem Gelände war Schluss mit lustig, weil die wenigsten Softboots steigeisenfest sind und den nötigen Seitenhalt für sauberes Setzen der Kanten bieten.
Die neue Generation sogenannter Backcountry Boots soll es nun endlich auch Splitboardern ermöglichen, den Spuren der Skitourengeher folgen zu können. So hat sich mittlerweile viel getan, um einen sicheren Aufstieg und hochalpine Abenteuer zu ermöglichen. Richtige Touring-Boots sind nicht nur steigeisenfest und bieten eine stabile Sohle wie bei einem Bergschuh. Die robusten Treter fallen auch vom gesamten Aufbau her steifer aus und bieten deutlich mehr Seitenhalt als klassische Softboots für Snowboarder. Welche Vor- und Nachteile die „Backcountry Boots“ bieten, haben wir für euch anhand des XVe von Deeluxe sowie des K2 Aspect Touring Boot getestet. Auch wenn sich beide Modelle in vielen Details unterscheiden, eines haben sie in jedem Fall gemeinsam – das BOA Closure Schnellverschlusssystem, mit dem sich die Softboots zügig, individuell und bequem per Drahtseil schließen lassen.
DEELUXE XVe – von Xavier de Le Rue mitentwickelter und steigeisenfester Backcountry Boot für Splitboarder
Xavier de Le Rue sollte jedem Brettlfahrer ein Begriff sein. Schließlich hat der The North Face Athlet schon so manches Abenteuer mit dem Splitboard erlebt und war bei der Entwicklung verschiedener DeeLuxe-Modelle mit beteiligt. Einer davon ist der Deeluxe XVe, der für die Wintersaison 2018 noch einmal komplett überarbeitet wurde. Dabei herausgekommen ist demnach ein bequemer, aber dennoch leistungsfähiger „Soft-Boot“ mit alpinen Genen. Der expeditionserprobte Treter soll mit seinem innovativen XLS-System die Aufstiegsbewegung im Fußgelenk unterstützen und dank der stabilen Bauweise selbst in steilstem Gelände zuverlässig Halt bieten.
Drei Jahre hatten die Experten von Deeluxe ursprünglich investiert, um den ersten Backcountry Boot zu entwickeln, der auf den primären Einsatz des „Hikens“ ausgerichtet ist. Eine gut angelegte Zeit, in welcher der XVe bis ins kleinste Detail optimiert wurde. Schließlich sind die besten Freeride-Spots und Powderhänge in der Regel nur schwer erreichbar. Und auch sonst verbringen Skitourengeher durchschnittlich 80% der Zeit im Aufstieg und weniger damit, unverspurte Steilwände zu zerpflügen.
So soll zum Beispiel ein neuer Leisten die natürliche Bewegung im Fußgelenk unterstützen und bei der Abfahrt kraftsparenden Support bieten. Auch die „Reduced Footprint Außensohle“ aus Vibram® East Ridge Material wurde nochmals um einen guten Zentimeter reduziert, um einen besseren Kontakt zwischen Schnee, Eis, Fels und Fuß gewähleisten zu können. Ein breites Gummiband ähnlich den Geröllschutz beim Bergstiefel soll den Boot rundum vor spitzen Felsen und scharfkantigem Gletschereis schützen.
Das innovative XLS-System im Schaft wird zusätzlich von einer neuen Boa Closure Konstruktion am Knöchel unterstützt. In Kombination mit der außenliegenden Zungenkonstruktion lässt sich der Touring-Boot dadurch praktisch bombenfest und je nach Bedarf locker oder stramm angepasst tragen. Optimale Performance im Aufstieg verspricht zudem der neue Hiking-Leisten mit aufrechtem Schaft. Zusätzlich will das Dupont® Surlyn Highback mithilfe eines integrierten Hiker-Flex für mehr Flexibilität sorgen, indem es je nach Bedarf über einen Velcro-Verschluss arretiert oder gelockert werden kann. Last but not least soll der überaus robuste Snowboard-Boot dank D-Tex Membran Membrane absolut wasserdicht sein und die Füße selbst bei richtig kalten Touren zuverlässig warm halten.
Das aF-Testurteil von Veit: Innovativer Splitboard-Boot der Extraklasse für alpine Abenteuer und anspruchsvolle Skitouren
Wenn Xavier de Le Rue einen Splitboard-Boot entwickelt, muss am Ende doch etwas G’scheids dabei rauskommen, oder?! Dafür genügt schon ein Blick auf die zahlreichen Abenteuer, die der wagemutige Franzose bereits in so manche Steilwand gestellt hat. Während er bei einer Traverse nicht einmal ansatzweise ins Schwitzen gerät, wird mir schon bei einer vereisten Flanke mit unter 40 Grad etwas mulmig zumute oder ich hänge – wenn die Aufstiegsspur mal wieder komplett vereist ist – bei der klassischen Spitzkehre wie ein nasser Sack in den Seilen.
Bisher habe ich mich an keinen so „richtig harten“ Soft-Boot herangetraut. Zum einen, weil ich immer von schmerzenden Füßen ausgegangen bin. Und zum anderen weil ich mir beim Blick auf die Preise dann doch lieber in die Hose gemacht habe, anstatt aus eben jener den Geldbeutel zu zücken. Der XVe ist solch ein Kandidat, der viel Qualität und Steifigkeit für gutes Geld bietet. Soll heißen, dass der Premium-Treter ein deutliches Plus an Steifigkeit verspricht, aber wir selbst nach mehreren Touren irgendwie nie so richtig warm geworden sind. Was in erster Linie vermutlich am recht dünn gehaltenen Innenschuh liegen mag.
Der stramme und eng anliegende „Thermo-Boot“ ist zwar individuell formbar und vom Konzept her super durchdacht. Aber das „Anbacken“ auf die eigenen Anforderungen hin macht das Material natürlich nicht dicker. Zwar lässt er sich dank des zusätzlichen Heel-Harness, mit dem die Ferse beim Zuziehen des Zugsystems noch besser fixiert werden soll, passgenau zurechtzurren. Doch dann folgt der Einstieg in die „bockharte“ Außenhülle. Die fällt natürlich deutlich steifer aus als bei meinen bisher getragenen Soft-Boots und sorgt im Aufstieg für unangenehme Druckstellen an den inneren Knöcheln.
So werden die anfänglichen Bedenken, dass mir im eigentlichen Schuh die Füße weh tun könnten, leider doch bestätigt – laute Fluchtiraden auf Tour inklusive. Latente Schmerzen, die mit der Dauer eher schlimmer werden als nachlassen – egal ob man nun die untere Schnürung lose trägt, den Walk-Modus weiter variiert oder die Bindung etwas weniger fest anlegt. Sogar dickere Skisocken bringen keine Linderung. Lediglich ein alternatives Paar Innenschuhe meiner alten Softboots konnte für Linderung sorgen. Mein Fazit: Entweder sind meine Knöchel extrem ausgeprägt oder das Material der Innenschuhe scheint auf Höhe des Fußgelenks schlichtweg zu dünn auszufallen. Anders kann ich es mir sonst nicht erklären.
Unabhängig von den beiden leidigen Druckstellen kann der Boot dafür an anderer Stelle umso mehr überzeugen. So werden bei den ersten Schritten positive Erinnerungen wach gerufen, die man sonst nur vom Tragen von Skischuhen her kennt. Das etwas staksige Laufen aufgrund des hochstabilen Dupont® Surlyn Highbacks macht deutlich, wir haben es hier mit einem Profi zu tun. Deutlich besser zu Fuß unterwegs ist man mit geöffnetem XLS-System. Denn über den extra langen Klettverschluss zwischen Achillessehne und Wadenbein lässt sich der obere Schaft nicht nur je nach Bedarf in der Weite variieren, sondern ermöglicht auch ein verbesserte Abwinkeln um bis zu 8°. Dank des sogenannten „Hiker Flex“ läuft es sich trotz des recht steifen Bauweise also außerordentlich gut im XVe.
Weil es bei der Abfahrt aber alles andere als auf möglichst viel Flexibilität ankommt, lässt sich der Alpin-Boot mithilfe des Boa-Closure-Systems bombenfest anknallen. Wie eine in sich geschlossene Einheit klappt das sogenannte Snow Shield auf den Spann und lässt den Fuß dann förmlich vom Schuh verschlucken, um beim Powdern die Kraft optimal auf die Kante bzw. auf den Tail zu bringen. Was bei der Abfahrt wirklich gut hält, löst sich allerdings in der Aufstiegsbewegung aufgrund der dauerhaften Belastung immer wieder ein wenig, weshalb nach einer Weile ein Nachjustieren des Boa-Systems notwendig wird.
Wie steif der Alpin-Boot tatsächlich ist, davon zeugt auch die steigeisenfeste „Reduced Footprint Außensohle“ aus Vibram® East Ridge Material. Einmal in die halbautomatischen Eisen gestiegen, ist kaum ein Unterschied gegenüber einem Ski- oder Bergschuh festzustellen. Nur schade, dass neben der Steigeisen-Aufnahme an der Ferse nicht auch gleich an die Schuhspitze gedacht wurde, um auch vollautomatische Modelle einsetzen zu können. Aber auch sonst lassen sich mit dem „Softboot“ nahezu problemlos Tritte in festgefrorenen Schnee schlagen. Und in Kombination mit angelegten Steigeisen leistet der XVe in der Vertikalen absolut gute Dienste.
Dennoch ist die doch recht klobig ausfallende Außensohle etwas gewöhnungsbedürftig. Fällt der Schuh dadurch doch deutlich größer aus als vergleichbare Modelle und das größere Volumen kann unter Umständen für Probleme bei der sonst bevorzugten Größe der Bindung sorgen. So passte der XVe in meinem Fall nicht mehr in die Größe M meiner SP-Bindung, obwohl diese in puncto Verstellmöglichkeiten bereits auf ein Maximum ausgereizt war. Klar, man soll einen solchen Treter nicht unbedingt in Kombination mit so einer grazilen Bindung zum Einsatz bringen.
Aber an dieser Stelle dennoch der Hinweis, die entsprechende Kompatibilität beim Kauf zu berücksichtigen. Sonst kann es durchaus sein, dass die Schuhspitzen im Aufstieg am Board anstoßen und auch bei der Abfahrt etwas über die Bindung hinausragen. Im Idealfall nutzt man den XVe also mit robusteren Bindungen wie die Burton Hitchhiker oder wie in meinem Fall der Spark R&D Surge, da diese ohnehin eher für den alpinen Einsatz konzipiert sind.
Etwas kritisch zu beurteilen ist auch das Boa-Closure System, das dem Touring-Boot zwar die nötige Stabilität verleiht und beim schnellen Ausziehen der Schuhe eine wahre Freude ist. Das Festziehen gestaltet sich aber mitunter recht mühselig. Warum? Der drehbare Coiler wird zum Schutz vor unerwünschtem Öffnen und scharfkantigem Fels quasi in einer Art Schutzwall versenkt und kann daher nur noch über zwei Punkte – sprich mithilfe von Daumen und Zeigefinger – bedient werden.
Mit Handschuhen wird das Festdrehen dadurch schnell einmal zur fummeligen Angelegenheit und es fehlt mitunter die nötige Kraft, um den Boot richtig „anknallen“ zu können. Zudem kann man zum „richtigen Festballern“ des Boots lediglich auf die Kraft von zwei Fingern setzen, statt die Kraft der ganzen Hand nutzen zu können. Dafür hat man nach dem Festziehen wenigstens schön warme Füße. Und dabei bleibt es dank der D-Tex Membran auch – selbst bei knackigen Temperaturen und bei nasskaltem Winterwetter.
Das aF-Gesamtfazit – die Vor und Nachteile im Überblick:
Der Deeluxe XVe ist eine durchaus interessante Alternative zum Skischuh und überrascht trotz seiner Steifigkeit durch verhältnismäßig viel Komfort und beste Performance – sei es im Aufstieg oder bei der Abfahrt. Einmal abgesehen von den bemängelten Druckpunkten an den inneren Knöcheln. Dank des innovativen XLS Systems und des Dupont® Surlyn Highbacks werden Abenteuer in der Vertikalen endlich ein stückweit sicherer.
Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Soft-Boots gewährleistet der Splitboard-Treter bombigen Seitenhalt und optimale Kraftübertragung, damit man beim Traversieren oder Abfahren nicht mehr allzu heftig ins Schwitzen gerät. Einzig das Boa-Closure-System ist von der Usability her noch etwas verbesserungswürdig, genauso wie der für unseren Geschmack doch zu dünn ausfallende Innenschuh. Größtes Manko und mit Sicherheit einer der Hauptgründe, wieso der XVe eher selten in alpinem Gelände zu sehen sein wird, ist und bleibt der doch recht saftige Anschaffungspreis und der für manche doch recht klobige Look.
+ robustes Material und Top-Verarbeitung
+ hohe Stabilität mit extrem gutem Seitenhalt
+ griffige und steigeisenfeste Außensohle
+ schneller Ein- und Ausstieg dank BOA-System
+ robuste Sohle mit Steigeisenaufnahme an der Ferse
+ super warm und absolut wasserdicht
– recht massive und dicke Sohle
– das ausgeprägtere Volumen sorgt für Probleme mit der Bindung
– recht hoher Preis
Die Details:
Besonderheiten: Gehmodus, Steigeisenaufnahme, thermoformbarer und isolierender Innenschuh, wasserdichte D-Tex Membran, Dupont® Surlyn Highback
Einsatzbereich: Snowboard-Freeride, Snowboard-Mountaineering, Splitboard-Touring
Obermaterial: Polyamid, Polyurethan, Gummi
Futter: Polyester
Sohle: Vibram East Ridge
Verschluß: Double BOA® (außen), Zugschnürung (innen)
Gewicht: k. A.
Größe: UK 4 bis 14
Preis: 599,95 Euro
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