Wer in winterlichen Gefilden abseits der gesicherten Pisten unterwegs ist, für den gehört ein Lawinen-Verschütten-Suchgerät (LVS-Gerät) zusammen mit Lawinenschaufel und Sonde zur Grundausrüstung, die bei keiner Tour fehlen darf – egal ob beim Schneeschuhwandern, Skitourengehen oder Freeriden. Eine richtige und sorgfältige Planung ist zweifellos die beste Voraussetzung für ein sicheres und schönes Erlebnis am Berg. Aber jeder Backcountry-Freund sollte sich stets dessen bewusst sein, dass das Risiko eines Lawinenabgangs nur auf ein Minimum reduziert und nie gänzlich ausgeschlossen werden kann. Für den – hoffentlich nie eintretenden – Ernstfall gilt es, entsprechend ausgerüstet und vorbereitet zu sein. Denn sollte es doch einmal zum Lawinenunfall kommen, zählt jede Minute.
Mit dem von den Bergfreunden freundlicherweise zur Verfügung gestellten neuen Ortovox 3+ haben auch wir uns ins Gelände begeben. So konnten wir sowohl bei der Snow & Safety Conference in Lech-Zürs als auch bei einem Lawinenkurs des Deutschen Alpenvereins (DAV) das LVS-Gerät in punkto Handling und Funktionalität testen und den Einsatz für den „worst case“ üben.
Kleine Geschichte für LVS-Geräte – vom analogen Sender zum Hightech-Produkt
Über 30 Jahre ist nun her, dass die ersten LVS-Geräte auf den Markt kamen und damit die Suche nach verschütteten Wintersportlern revolutionierten. Vom zunächst einfachen analogen Sender mit nur einer Antenne haben sich LVS-Geräte mittlerweile zu komplexen Hightech-Produkten gemausert: Digitale Signalverbreitung, Menüführung, drei Antennen und multifunktionale Displays gehören heutzutage zum Standard. Auch die Produktpalette fällt weitaus breiter aus als noch in der Anfangszeit. Jede Saison kommen neue LVS-Geräte und Updates auf den Markt. Und neben den „Top-Geräten“ gibt es bei fast allen Herstellern inzwischen auch abgespeckte Versionen im mittleren Preissegment, die übersichtlicher und weitaus weniger komplex, dafür aber umso einfacher in der Anwendung sind.
Bei allem Fortschritt in der Entwicklung bleibt eines nach wie vor unverändert: Das perfekte LVS-Gerät gibt es (bislang) nicht. Wer sich einen Überblick zu den verschiedenen Herstellern und Geräten machen möchte, der schaut am besten auf den entsprechenden Internetseiten des DAV vorbei. Regelmäßig prüft deren Sicherheitsforschung die beliebtesten Modelle auf Herz und Nieren. Egal für welches LVS-Gerät man sich letztendlich entscheidet, eines der wichtigsten Kriterien ist und bleibt: Jeder muss sich ganz individuell mit seinem Gerät vertraut machen und den Umgang problemlos beherrschen. Hierfür empfiehlt es sich, einen speziellen Lawinenkursen zu besuchen, die von zahlreichen DAV-Sektionen, Bergschulen oder staatlich geprüften Berg- und Skiführern angeboten werden.
Die Fakten zum Ortovox 3+: LVS-Gerät mit 3-Antennen-System
Das Ortovox 3+ ist ein 3-Antennen-Gerät im mittleren Preissegment, von dem im Dezember 2012 einige Produktions-Chargen vorsorglich zurückgerufen wurden. Wir hatten die neueste Generation des 3+ im Test, das zum Start der Wintersaison 2013/14 mit dem Systemupdate 2.1 aufgerüstet wurde und vor allem in der Feinsuche deutliche Verbesserungen bringen soll.
Laut Hersteller verfügt das 3+ über eine maximale Reichweite und Suchstreifenbreite von 40 Metern. Es besitzt eine Zusatzfunktion (Smart Antenna Funktion), welche die Position der Antennen analysiert und automatisch auf die beste Senderantenne umschaltet. Das 3+ ist mit vielen wichtigen Features ausgestattet, welche die Suche erleichtern und dazu beitragen sollen, wertvolle Zeit zu sparen:
Ein beleuchtetes Real-Time-Display, das über Laufrichtung, Entfernung und Anzahl der Verschütteten informiert. Eine mit einer Suchakustik kombinierte Kreisdarstellung, die bei der Feinortung unterstützen soll. Im Fall einer Mehrfachverschüttung wird die Anzahl der Lawinenopfer im Display angezeigt und mithilfe einer Signalanalyse der jeweils nächstliegende Verschüttete aufgespürt wird. Wurde der erste Verschüttete geortet, kann dieses Signal dank der Easy-Mark-Funktion ausgeschaltet werden.
Das Ortovox 3+ ist außerdem mit einer bewegungssensorbasierten Nachlawinenumschaltung ausgestattet: Befindet sich das Gerät im Suchmodus und wird zwei Minuten lang nicht bewegt, schaltet es automatisch in den Sendemodus um. Seit dieser Saison ist das 3+ zusätzlich noch mit einem Recco-Reflektor ausgestattet, damit der Verschüttete noch schneller durch die professionellen Rettungsteams gefunden werden kann. Eine Backup-Technologie, die weltweit in über 700 Skigebieten zum Einsatz kommt.
Last but not least: Das 3+ ist updatefähig, sodass der Besitzer jederzeit von den neuesten Erkenntnissen in der Lawinenforschung profitieren kann. Für den Betrieb wird nur noch eine Batterie der Kategorie AA benötigt. Vom Gewicht her bringt das LVS-Gerät gerade einmal 200g (inkl. Batterien) auf die Waage. Im Lieferumfang enthalten ist ein Tragesystem zur Befestigung am Körper, mit dem es über eine flexible Fixierschnur verbunden ist.
Das aF-Testurteil von Vroni: Das Ortovox 3+ ist ein durchaus zuverlässiges LVS-Gerät im mittleren Preissegment.
An dieser Stelle möchten wir noch eine Bemerkung vorwegschicken: Wir wollen und können keinesfalls die technischen Features des Ortovox 3+ mit allen Feinheiten en Detail beurteilen. Diese Aufgabe überlassen wir lieber der Sicherheitsforschung des DAV, die über die hierfür notwendigen Messgeräte verfügen. Vielmehr möchten wir unsere persönlichen Erfahrungen vor allem in punkto Benutzerfreundlichkeit, Handling und Funktionalität schildern. Das offizielle Urteil zum Ortovox 3+ kann im LVS-Geräte-Test des DAV nachgelesen werden.
Einfache Bedienbarkeit und benutzerfreundliches Interface
Im Gegensatz zum Mammut Elements, das mit seinem „Off-Search-Send“-Regler geradezu „idiotensicher“ in der Bedienung ist, braucht es beim Ortovox 3+ einen kurzen Moment des Nachdenkens. Hier hilft auch ein Blick in die Gebrauchsanweisung, die man sich aber ohnehin zu Gemüte führen sollte. Das LVS-Gerät wird über einen Drehschalter am Boden des Geräts ein- bzw. ausgeschaltet und befindet sich anschließend automatisch im Sendemodus. Um in den Suchmodus zu wechseln, müssen beide Schiebeschalter (oben auf dem Gerät) gleichzeitig nach außen gedrückt bzw. gezogen werden.
Selbst mit Handschuhen funktioniert die Bedienung leicht und nach einer ersten kurzen Verwirrung hat man den Ablauf schnell verinnerlicht. Die Gefahr, dass der Nutzer nach dem Gruppentest vor dem Start einer gemeinsamen Tour wieder vergisst, in den Sendemodus zu schalten, ist aus unserer Sicht aber größer als bei einem Schalter mit Anzeige.
Das Display sowie die Kreisdarstellung haben wir als sehr übersichtlich und aufgeräumt empfunden. Selbst bei stärkerem Schneetreiben blieb es gut lesbar und sind die Entfernungsanzeige in Metern sowie die richtungsweisenden Pfeile groß genug. Die Umschaltung des akustischen Signals im Nahbereich unter 10 Metern und bei der Feinsuche, haben wir dabei als sehr hilfreich empfunden.
Schlangenlinien in der Grobsuche und stark in der Feinortung
Nun zur eigentlichen Suche: In punkto Reichweite hat uns das Ortovox 3+ wirklich überzeugt. Bei unserem Test verlor es erst bei rund 48 Metern statt der angegebenen 40 Meter den Kontakt zur Zielperson. Bei der Grobsuche mit Mehrfachverschüttung funktioniert das Erkennen mehrerer Signale gut. Hier sei erwähnt, dass bei unserem Lawinenkurs zeitweise bis zu acht LVS-Geräte im Umkreis von 40 Metern gleichzeitig im Schnee vergraben wurden. Das Ausblenden bereits georteter Lawinenopfer funktionierte problemlos und die übrigen Signale wurden durch das bereits gefundene Signal nicht mehr gestört.
Wie auch im DAV-Test bereits angemerkt, war die Richtungsführung bei mehren Verschütteten in der Grobsuche nicht eindeutig genug. Dadurch erfolgte die Grobsuche in Schlangenlinien, was bei gut zwei Metern Neuschnee einen überaus zeitaufwändigen Kraftakt bedeutete. Im Nahbereich konnte das 3+ jedoch wieder Boden gut machen und überzeugte dank des akustischen Signals durch Genauigkeit und exakte Führung.
Einziger Kritikpunkt – überdimensionierte Trageeinheit
Einziger Kritikpunkt ist die mitgelieferte Tragesystem. Der Befestigungsriemen war der weiblichen Testperson mit 1,72 m Körpergröße und sportlich-schlanker Figur viel zu lang bzw. so weit vom Umfang her, dass sie sich dieser zweimal um den Körper wickeln ließ – ein lästiges „Bändergewurschtl“ war die Folge. Auch der Reisverschluss der Halterung ist mit dicken Handschuhen nur schwer zu öffnen. Hinzu kommt noch, dass die flexible Verbindung zwischen Gerät und Befestigungseinheit etwas kurz ausfällt. Was bei der Feinsuche in Bodennähe etwas unpraktisch ist, verhindert im Fall einer Nachlawine jedoch, dass der Träger das LVS-Gerät ungewollt verliert.
Unser abschließendes Fazit: Mit dem 3+ bietet Ortovox ein durchaus zuverlässiges LVS-Gerät im mittleren Preissegment, das vor allem durch ein übersichtliches Display und gute Leistungen bei der Feinsuche überzeugt. Da die beste Technik aber immer nur so gut ist wie sein Anwender, an dieser Stelle nochmals unsere Empfehlung: Ab in den Schnee mit LVS-Gerät, Lawinenschaufel und Sonde und dann heißt es – üben, üben, üben. Auch das Schweizer Online-Magazin ich-liebe-berge.ch hat das LVS-Gerät getestet – den Testbericht gibt’s hier.
Die Details:
Besonderheiten: Drei Antennen-System, Anzeige Mehrfachverschüttung, Markierfunktion, Automatisch Nachlawinenschaltung, Recco Reflector, Displaybeleuchtung, updatefähig
Reichweite: 40 m (Suchstreifenbreite: 40 m)
Garantie: 5 Jahre (mit Registrierung)
Maße: 7,3cm x 12,2cm x 2,7 cm
Gewicht: 200g (inkl. AA-Batterie)
Preis: 299,95 € (UVP)
*Hinweis der Redaktion zur Kennzeichnungspflicht: Die hier getesteten bzw. vorgestellten Produkte wurden uns vom jeweiligen Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt. Über den Produktwert hinaus flossen keine weiteren Zahlungen oder Gegenleistungen. Das Urteil der Redaktion ist dennoch unabhängig und die spezifischen Marken haben keinerlei Einfluss auf die Inhalte des Testberichts.